16.11.2022

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Klimt-Gemälde in Wien von Klimaaktivisten attackiert

Klimaaktivisten überschütteten gestern das Gemälde „Tod und Leben" von Gustav Klimt im Wiener Leopold Museum mit einer schwarzen, öligen Flüssigkeit. Foto: Still AFP Wien / YouTube
Klimaaktivisten überschütteten gestern das Gemälde „Tod und Leben" von Gustav Klimt im Wiener Leopold Museum mit einer schwarzen, öligen Flüssigkeit. Foto: Still AFP Wien / YouTube

Seit Oktober 2022 attackieren Klimaaktivist:innen berühmte Kunstwerke in europäischen Museen. Gestern traf es das Gemälde „Tod und Leben“ von Gustav Klimt im Wiener Leopold Museum. Der Österreichische Museumsbund reagierte mit einem Offenen Brief an die Aktivist:innen

Seit Wochen machen die Klimaschützer:innen der „Last Generation“ Schlagzeilen: Denn sie kleben sich nicht nur an den Straßenbelag, sondern auch an Gemälderahmen prominenter Kunstwerke in europäischen Museen. Nach diversen Attacken, etwa auf Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ (National Gallery, London), auf Johannes Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ (1665/1667) im niederländischen Kunstmuseum Mauritshuis oder auf Claude Monets „Getreideschober“ (1890, Museum Barberini, Potsdam), wurde gestern ein Hauptwerk von Gustav Klimt zur Zielscheibe der sogenannten Klimaktivist:innen: Zwei Männer bewarfen das mit Glas geschützte Gemälde „Tod und Leben“ im Wiener Leopold Museum mit einer schwarzen Flüssigkeit. Anschließend klebte sich einer der Aktivisten mit der Hand an das vorgeblendete Glas des Gemäldes.

Zwei Männer bewarfen das mit Glas geschützte Klimt-Gemälde mit einer schwarzen Flüssigkeit. Danach klebte sich einer der Aktivisten mit der Hand an das Schutzglas des Gemäldes. Foto: Still AFP Wien / YouTube

Mit Glas geschützt: Das Gemälde „Tod und Leben“ von Gustav Klimt

 

„Glücklicherweise ist das Kunstwerk nicht beschädigt worden,“ erklärte Hans-Peter Wipplinger, seit 2015 Direktor des Leopold Museums in Wien, direkt nach dem Anschlag. Das Team der Restaurierung gab nach der ersten Bestandsaufnahme hinsichtlich eines Schadens am Kunstwerk und am Originalrahmen von Josef Hoffmann Entwarnung. Der Schaden am Glas und an der Sicherheitsrahmung sowie an Wand und Boden sei allerdings evident und erheblich. Die Kosten für die Reinigung und den Einsatz unter anderem der Polizei  – es wird mit einem fünfstelligen Betrag zu rechnen sein –  müssten die Aktivisten tragen.

Museen sichern das kulturelle Erbe für die nächsten Generationen

 

„Die Anliegen von Klimaaktivist:innen wie jenen der ,Letzten Generation‘ sind berechtigt, aber der Angriff auf Kunstwerke ist definitiv der falsche Weg um das angepeilte Ziel, die Verhinderung des prognostizierten Klimakollaps, zu verhindern, führt Museumschef Hans-Peter Wipplinger weiter aus. „Museen sind bewahrende Institutionen und in diesem Sinne geradezu ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit. Kunst stiftet Identität; das Bewahren, Restaurieren, Dokumentieren und Präsentieren für eine kunstinteressierte Öffentlichkeit gehört zu den essentiellen Aufgaben musealer Institutionen, die wir mit Leidenschaft wahrnehmen. Museen sind Orte der Begegnung und des Diskurses um das kulturelle Erbe zu vermitteln und es für die nächsten Generationen zu sichern.“

Gustav Klimt (1862-1918), Tod und Leben, 1910/11, umgearbeitet 1912/13 und 1915/16, Öl auf Leinwand, 180,8 x 200,6 cm, Leopold Museum, Wien. Foto: Manfred Thumberger / Leopold Museum, Wien

Mit dieser Öl-Attacke nehmen die Aktivisten Bezug auf den Sponsor, den österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV, der gestern anlässlich des Leopolditags einen Tag der offenen Tür mit freiem Eintritt unterstützte. „Leute, die noch immer nach neuem Öl und Gas suchen und bohren, haben Blut an ihren Händen – das lässt sich mit Sponsoring nicht abwaschen“, erklären die Aktivisten auf Twitter. „Wir kennen das Problem seit 50 Jahren, wir müssen endlich handeln, der Planet wird sonst kaputt“, riefen die beiden Männer bei ihrer Aktion. „Stoppt die fossile Zerstörung. Wir rasen in eine Klimahölle.“

Notfallplan für den Ernstfall

 

Trotz verschärfter Kontrollen – so müssen im Leopold Museum etwa Taschen abgegeben werden –, hätten die Klimaaktivisten die Flüssigkeit in einer Wärmflasche unter ihrer Kleidung ins Museum geschleust. Für den Ernstfall wurde allerdings schon geprobt, wie Hans-Peter Wipplinger in einem gestrigen Interview mit der Wiener Tageszeitung „Standard“ ausführt: „Wir haben die Saalaufsichten seit geraumer Zeit verstärkt, und glücklicherweise ist ein Aufseher drei Meter entfernt gestanden und sofort eingeschritten. Es ist dann alles nach unserem Notfallplan abgelaufen: Wir haben als Erstes den Saal evakuiert, dann die Polizei und die Sanitäter gerufen, dann die Restaurierung. Danach wurde ich informiert. Wir haben den Notfallplan einige Male durchgespielt, um Erstschäden zu vermeiden.“ Auf jeder Etage gäbe es außerdem einen Notfallkoffer. „Das angegriffene Gemälde selbst konnten wir nicht verglasen, weil es ein alter, originaler, von Klimt eingesetzter Josef-Hoffmann-Rahmen ist, der noch Farbspuren von Klimt aufweist,“ erläutert Hans-Peter Wipplinger. „Deshalb haben wir dieses hunderte Kilogramm schwere Glas, fast Panzerglas, installiert. Das war ein gutes Investment.“

Ein offener Brief an die Klimaaktivist:innen der „Last generation“

 

Der Österreichische Museumsbund hat sich nun mit einem offenen Brief an die Mitglieder der „Last“ generation“ gewandt: Die Museen stehen als Gesprächs- und Kooperationspartner für Anliegen des Klimaschutzes zur Verfügung und bemühen sich, „einen öffentlichkeitswirksamen Beitrag zum Diskurs um durch menschliche Eingriffe hervorgerufene Veränderung unseres Planeten und unserer Lebensgrundlagen sowie deren negative Auswirkungen auf das Klima, die Natur und deren Vielfalt zu leisten“. Gleichzeitig appellierte der Österreichisches Museumsbund an die Klimaaktivist:innen bei ihren Aktionen alles zu unterlassen, „was den Erhalt des Natur- und Kulturerbes und auch die Rolle der Museen als Bildungs- und Lernort gefährdet“. Besucher:innen sollen auch künftig Museen „ohne größere Zugangsbeschränkungen und ohne Generalverdacht besuchen können“.

Auch ICOM verurteilt die Aktion wegen Gefahr von Beschädigungen

 

Das Österreichische Nationalkomitee des internationalen Museumsrats, ICOM-Österreich, verurteilte die Aktion wegen Beschädigungsgefahr ebenfalls „aufs Schärfste“: „Museen sind Orte des Dialogs, an denen gesellschaftspolitische Themen verhandelt werden. Derzeit entsteht allerdings der Eindruck, dass die Protestaktionen den Resonanzraum Museen in erster Linie dazu nutzen, ein Maximum an Aufmerksamkeit zu generieren“. Museen würden grundsätzlich die Anliegen der Klimabewegung unterstützen. Auch ICOM bitte um Gespräche, „um das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen“.

Klimaaktivisten attackierten gestern ein Gemälde von Gustav Klimt im Wiener Leopold Museum mit Öl. Den Anschlag der auch in Deutschland aktiven Gruppierung „Letzte Generation“ sehen Sie im Video:

Vergangene Woche klebten sich zwei Aktivistinnen der Gruppe „Letzte Generation“ einem Sockel im Dinosaurier-Saal im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien fest. Damit protestieren sie „gegen den fossilen Kurs der österreichischen Bundesregierung“. Bereits im September wollten sich Aktivist:innen im Naturhistorischen Museum ankleben, was  jedoch verhindert wurde.

Lesen Sie mehr zum Thema Kunst und Vandalismus: Die Marmorstatue des „David“ von Michelangelo vor dem Palazzo Vecchio in Florenz wurde am 6. März 2022, dem Geburtstag des berühmten italienischen Künstlers, erheblich beschädigt. Die Restaurierung der Brandspuren an der Replik (Luigi Arrighetti, 1910) soll 15.000 Euro kosten.

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