16.10.2023

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Yves Klein – eine Masterarbeit von Restaurator:innen als Teamprojekt

Arbeitsaufnahme. Fotografische Dokumentation der Schwammreliefs durch Nelly Paletta und Rabea Blasczyk. Foto: Martin Schmüdderich 2022
Arbeitsaufnahme. Fotografische Dokumentation der Schwammreliefs durch Nelly Paletta und Rabea Blasczyk. Foto: Martin Schmüdderich 2022

„Staub ist die Patina der Energie“: Eine Masterarbeit als Teamprojekt. Rabea Blasczyk und Nelly Paletta untersuchten die Wandreliefs von Yves Klein im Musiktheater Gelsenkirchen. Ein Interview mit den beiden Restauratorinnen

Sie strahlen durch die große Glasfassade nach außen, ziehen den Betrachter in den Innenraum und in die Bildfläche: Die sechs Wandreliefs von Yves Klein entstanden zwischen 1957 und 1959 für das Musiktheater in Gelsenkirchen. Ihr strahlendes Blau ist das Markenzeichen des Künstlers Yves Klein. Doch auf der Kunst hat sich in den vergangenen mehr als 60 Jahren Staub abgelagert, denn bei Kunst am Bau ist eine Präsentation unter Museumsbedingungen nicht möglich. Um ein Restaurierungskonzept für die zwei Strukturreliefs und die vier Schwammreliefs zu entwickeln, wandte sich Christiane Wanken, Kuratorin am Kunstmuseum Gelsenkirchen und für die städtische Kunst am Bau zuständig, an die TH Köln. Gunnar Heydenreich, Professor für Restaurierung moderner und zeitgenössischer Kunst, war begeistert von Idee und Aufgabe, sah aber, dass der Umfang eine Masterarbeit sprengen würde.


Eine Team-Masterarbeit mit doppeltem Umfang – ein Novum in der Restaurator:innenausbildung der TH Köln

Immerhin ging es nicht nur um eine Bestandaufnahme von 400 Quadratmetern Kunst, sondern auch um die Erforschung der Werk- genese, um die Bestimmung der verwendeten Materialien, um die Beschreibung der Zustandsveränderungen und um ein Reinigungs- und Erhaltungskonzept. Deshalb entstand die Idee, für eine Team-Masterarbeit mit doppeltem Umfang – ein Novum in der Restaurator:innenausbildung der TH Köln. „Ich bin sehr glücklich, dass sich Rabea Blasczyk und Nelly Paletta dieser Herkulesaufgabe angenommen haben“, sagt ihr Professor Gunnar Heydenreich.

RESTAURO: Worum ging es in Ihrer gemeinsamen Masterarbeit?
Rabea Blasczyk: Wir befassten uns mit den sechs blauen Wandreliefs von Yves Klein, die von 1957 bis 1959 im Musiktheater Gelsen- kirchen konzipiert und realisiert wurden. Hierbei handelt es sich um zwei Strukturreliefs an den Seitenwänden und jeweils zwei Schwammreliefs an den Stirnwänden im Fo- yer und Garderobenbereich. Anlass für das Masterprojekt, mit dem wir uns von Frühjahr 2020 bis 2022 beschäftigten, waren starke Staubablagerungen. Unsere Ziele bestanden darin, die Werkgenese zu rekonstruieren, die Zustandsveränderungen und deren Ursa- chen zu erfassen und ein Konzept für die Reinigung sowie zur langfristigen Erhaltung zu entwickeln.

Gesamtaufnahme. Die blauen Wandreliefs von Yves Klein im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Oben: Struktur- und Schwammreliefs im östlichen Foyerbereich. Unten: Schwammrelief im östlichen Garderobenbereich. Foto: Martin Schmüdderich 2022
Gesamtaufnahme. Die blauen Wandreliefs von Yves Klein im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Oben: Struktur- und Schwammreliefs im östlichen Foyerbereich. Unten: Schwammrelief im östlichen Garderobenbereich. Foto: Martin Schmüdderich 2022
Detailaufnahme. Einzelschwämme und Schwammro- setten im westlichen Foyerbereich. Foto: Paletta/Blasczyk 20
Detailaufnahme. Einzelschwämme und Schwammrosetten im westlichen Foyerbereich. Foto: Paletta/Blasczyk 20

RESTAURO: Das klingt nach viel Arbeit.

Rabea Blasczyk: Wir konnten die verwende- ten Materialien und den Werkprozess dieses häufig beschriebenen Werkes klären. Es gibt nun eine erste Zustandsdokumentation und zum ersten Mal nach mehr als 60 Jahren sind die Umgebungsbedingungen erfasst worden – hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichteinfall, UV-Strahlung und Staubbelas- tung. Auf dieser Basis wurde es überhaupt erst möglich, ein Konzept für die langfristige Erhaltung zu entwickeln.

RESTAURO: Warum haben Sie sich für dieses Projekt entschieden?
Nelly Paletta: Die blauen Wandreliefs spielen eine wichtige Rolle im Oeuvre Yves Kleins und es hat sich gezeigt, dass noch viele Fragen zur Werkgenese offen sind. Wir haben festgestellt, dass die Dokumentation lückenhaft ist und es widersprüchliche Aussagen gibt – sowohl von den Zeitzeug*innen, als auch von den Erben des Künstlers und des Architekten Werner Ruhnau. Daher wollten wir die verwendeten Materialien und den technologischen Aufbau der Werke untersuchen. Und wir fanden es spannend, dass die Objekte Kunst am Bau sind. Damit war klar, dass wir die Werke nur im Kontext ihrer Umgebung verstehen können – inhaltlich und auch in Bezug auf ihren Zustand. Dafür braucht es zusammenhängende Untersuchungen. Die Herausforderung lag also nicht nur in der Größe der Werke mit einer Ge- samtfläche von etwa 400 Quadratmetern, sondern auch in der Komplexität der Fragestellungen.

Arbeitsaufnahme. Rabea Blasczyk während der Testreihen zur Oberflächenreinigung an dem Schwammrelief im östlichen Garderobenbereich. Foto: Martin Schmüdderich 2021
Arbeitsaufnahme. Nelly Paletta bei der Anferti- gung der Probeköper am CICS, TH Köln. Foto: Paletta/Blasczyk 202
Arbeitsaufnahme. Nelly Paletta bei der Anferti-gung der Probeköper am CICS, TH Köln. Foto: Paletta/Blasczyk 2022

RESTAURO: Wie war Ihre Zusammenarbeit, die Aufteilung, die Kommunikation?
Rabea Blasczyk: Zum ersten Mal wurde an der TH Köln in unserer Studienrichtung ein Masterprojekt von zwei Studierenden ge- meinsam bearbeitet und die Masterarbeit zusammen formuliert.

Nelly Paletta: Man muss ja eine gewisse Anzahl an Wörtern in einer Masterarbeit sch- reiben. Bei uns war es die doppelte Anzahl. Die einzelnen Kapitel haben wir untereinander aufgeteilt.

Rabea Blasczyk: Das hat aus unserer Sicht sehr gut funktioniert. Wir haben einzelne Themenbereiche aufgeteilt, aber alles zu- sammen bearbeitet. Denn wir hatten von Anfang an den Anspruch, gleichwertig die Expertinnen für das Projekt werden zu wollen. Das hieß aber auch, dass wir uns jeden Tag über die jeweilige Arbeit austauschen. Nichts wurde allein entschieden, wobei wir auch im regen Austausch mit unserem betreuenden Professor Gunnar Heydenreich, der Stadt Gelsenkirchen, der Denkmalbehörde und weiteren Fachfirmen standen, die uns bei diesem Großprojekt unterstützen.

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