18.07.2024

Forschung Museum

Restitution am Lenbachhaus

Das Lenbachhaus in München Foto: Florian Holzherr

Das Lenbachhaus und das Münchner Kulturreferat haben am 20. Juni 2024 ein Gemälde aus der ehemaligen Sammlung von Jacques Goudstikker (1879–1940) restituiert. Vorausgegangen war eine proaktive Recherche seitens des Museums. Das Gemälde zeigt ein Bildnis des Freisinger Hofmeister Achaz Busch aus dem Jahr 1532, gemalt von Hans Schöpfer dem Älteren (um 1505–1566).

Jacques Goudstikker, Bildrechte: Marei von Saher
Der niederländische Kunsthändler und -sammler Jacques Goudstikker musste seine kostbare Sammlung auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in den Niederlanden zurücklassen. Bildrechte: Marei von Saher

Im Rahmen einer proaktiven Recherche in seinen Sammlungsbeständen hat das Münchner Lenbachhaus herausgefunden, dass das Gemälde „Achaz Busch“ von Hans Schöpfer d. Ä. ursprünglich dem niederländischer Kunsthändler Jacques Goudstikker, der jüdischen Glaubens war, gehörte. Das Werk konnte im Juni an die alleinige Erbin, Marei von Saher restituiert werden. Der Kulturreferent der Stadt München, Anton Biebl betonte: „Eine wirkungsstarke Erinnerungskultur setzt auf eine Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Provenienzforschung und das Restituieren von Kulturgütern tragen zur Aufarbeitung der Geschichte bei und geben den Menschen ein Stück ihrer Vergangenheit wieder. Deshalb ist es absolut richtig, dass die Landeshauptstadt München entschieden hat, das Gemälde „Achaz Busch“ an die Nachkommin der Familie Goudstikker zurückzugeben.“
Jacques Goudstikker stammte aus einer Familie von Kunsthändlern. Bereits sein Großvater Jacob handelte mit Kunst und betrieb gemeinsam mit seinem Bruder Simon eine Kunsthandlung, die sie 1845 in Amsterdam gründeten. Die Kunsthandlung, die sich an der Herengracht 458 befand, handelte zunächst vor allem mit Möbeln und kunstgewerblichen Gegenständen. Eduard Goudstikker, der Sohn von Jacob und Vater von Jacques richtet den Handel dann ab 1890 auf niederländische und flämische Gemäldekunst des 17. Jahrhunderts aus. Jacques studierte in Leiden und Utrecht Kunstgeschichte und übernahm 1919 die Kunsthandlung von seinem Vater. Desweitern weitete er das Angebot der Kunsthandlung auf Gemälde weiterer Epochen aus. Die Kunsthandlung entwickelte sich äußerst erfolgreich und Goudstikker kann zu den bedeutendsten Kunsthändlern seiner Zeit in den Niederlanden gezählt werden.
Nach dem Angriff der Nationalsozialisten auf die Niederlande und die damit verbundene Kapitulation des Landes am 15. Mai 1940, entschied er sich gemeinsam mit seiner Frau Désirée, genannt Dési und ihrem einjährigen Sohn Eduard zu fliehen. Sie gingen an Bord der SS Bodengraven, die sie von den Niederlanden nach England bringen sollte und nutzen eine der letztmöglichen Überfahrten von Amsterdam. Seine Sammlung mit rund 1400 Kunstwerken überließ er seinen Angestellten. Den Großteil seiner Sammlung und die Werke seiner Kunsthandlung hatte er in einem Notizbuch, dem so genannte „Black Notebook“ verzeichnet. Bei der Überfahrt nach England verunglückte Goudstikker tödlich, als er nachts durch eine geöffnete Luke an Deck stürzte. Das kleine schwarze Ringbuch aus Leder mit einem maschinengeschriebenen Register, das seine Frau Dési Goudstikker nach Goudstikkers tödlichen Unfall an sich nahm, diente nach 1945 als wichtigste Quelle um die Sammlung zu rekonstruieren und zu restituieren. Die Nationalsozialisten zwangen die zurückgebliebenen Mitarbeiter und die Mutter von Jacques Goudstikker, Emily Goudstikker-Sellisberger unter Androhung von Deportation und auch gegen den Willen der Witwe Goudstikkers zum Verkauf der Kunsthandlung mit circa 1400 Gemälden und aller sonstigen Sachwerte. Die Kunsthandlung in Amsterdam wurde von dem deutschen Reichsmarschall Hermann Göring und dem Bankier und Spekulanten Alois Miedl übernommen und so „arisiert“. Die dabei gezahlten 2,55 Millionen Gulden lag weit unter dem eigentlichen Handelswert. Hermann Göring übernahm für seine Sammlung einen Teil der Gemälde. Die „Arisierung“ diente in erster Linie dazu, die Kunstwerke der Sammlung und der Kunsthandlung zu rauben und weiterzuverkaufen.

Gemälde von Hans Schöpfer d. Ä., es zeigt Achaz Busch. Gemalt wurde es 1532. Das Lenbachhaus hat das Werk an die Erb:innen restituiert. Foto: Lenbachhaus
Das Lenbachhaus restituierte das Werk von Hans Schöpfer d. Ä. an Marei von Saher. Foto: Lenbachhaus

Langes Ringen um Restitution

Im „Black Notebook“ ist das „Mansportret“ von Hans Schöpfer d. Ä. unter der Nummer 1228 aufgeführt. Das Gemälde aus dem Jahr 1532 gehörte Anfang des 16. Jahrhunderts zur „Münchner herzoglichen Kunstkammer“ und wurde in den 1920er Jahren im Berliner Kunsthandel von Jacques Goudstikker gekauft. Alois Miedl, der Geschäftsführer der „arisierten“ Kunsthandlung wurde verkaufte es an den Zwischenhändler Wilhelm Heinrich. Dieser lieferte das Bild im März 1941 in das Auktionshaus Heinrich Hahn in Frankfurt am Main zur Auktion ein. Dort wurde es dann von einem Frankfurter Kunsthistoriker im Auftrag von Konrad Schießl, Direktor der Städtischen Museen in München, ersteigert. Im gleichen Monat fand das Gemälde Aufnahme in das Inventar der Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg strebte die Witwe, Désirée Goudstikker einen Rechtsstreit gegen die Niederlande an. Der Rechtsstreit wurde mit einem Vergleich beschieden. Viele der Kunstwerke blieben unrechtmäßig im Besitz von internationalen Institutionen und Museen. Anfang der 1990er Jahre erhoben die Erbinnen und Erben der Familie erneit Anspruch auf Restitution ihres Eigentums. Langjährige Verhandlungen und eine entsprechende Empfehlung der niederländischen Restitutiecommissie führten dazu, dass über 200 Werke zurückgegeben wurden. Einzelne Werke wurden in der Folge ebenfalls zurückgegeben.
Die Sammlung von Jacques Goudstikker beschäftigte die Forschung immer wieder und war Forschungsgegenstand mehrere Projekte. Zuletzt fand eine Forschungsprojekt im Zeitraum von 2019 bis 2022 statt, das Goudstikker Art Research Project. Die Aufgaben des Forschungsprojekts bestanden darin, den Bestand der geraubten Sammlung Goudstikker im Mai 1940 hinsichtlich der bis heute vermissten 850 Gemälde zu rekonstruieren. Zum anderen sollte der Weg der vermissten Gemälde seit Mai 1940 nachgezeichnet werden, mit dem Ziel sie zu identifizieren und sie zu lokalisieren.
Die Erbin Marei von Saher zeigte sich glücklich wieder ein Werk ihrers Vorfahren zurück zu erhalten: „Es ist ermutigend zu sehen, dass das Lenbachhaus das Richtige gegenüber den Opfern der Nazis und ihren Familien tut. Ich bin dem Lenbachhaus sehr dankbar, dass es das Gemälde von Schöpfer an die Familie von Jacques Goudstikker zurückgibt.“

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