19.10.2022

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Die Zeitschrift RESTAURO blickt auf ihre Wurzeln

Ute Strimmer
Adolf Wilhelm Keim. Foto: RESTAURO
Adolf Wilhelm Keim. Foto: RESTAURO

2022 feiert der Name unserer Fachzeitschrift RESTAURO sein 50-jähriges Jubiläum. Dabei sind wir noch viel, viel älter: Hier lohnt sich ein Blick zurück in die Anfänge der maltechnischen Forschungen in München um 1900

50 Jahre ist sie jung, unsere Fachzeitschrift RESTAURO. Dabei handelt es sich allerdings nur um den Namen RESTAURO. Dr. Claus Grimm (später Prof.) – der Kunsthistoriker war von 1972 bis 1991 Chefredakteur der Zeitschrift und löste Maltechnik-Spezialist Kurt Wehlte (1897–1873) ab – erdachte sich das Kunstwort. 1972 gesellte es sich dann erstmals zum bisherigen Titel „Maltechnik – Technische Mitteilungen für Malerei“, um das damals vierteljährlich erscheinende Magazin inhaltlich auf eine breitere Basis zu stellen. „Unter diesem Titel sollte die erste Restauratorenzeitschrift in deutscher Sprache ein übernationales Forum für Technologen und technologisch interessierte Künstler, Restauratoren und Museumsfachleute werden“, schrieb der damalige Verleger Karl Baur-Callwey im Vorwort der ersten Ausgabe von 1972.


Was RESTAURO mit Adolf Wilhelm Keim verbindet

Initiiert wurde die Zeitschrift vor über hundert Jahren, genauer gesagt im Jahr 1884, von Adolf Wilhelm Keim (1859–1913). Er ist der Begründer des bis heute erfolgreichen Unternehmens Keimfarben. 1878 erhielt Adolf Wilhelm Keim – als Chemiker ein Autodidakt – ein kaiserliches Patent auf seine nach ihm benannten Mineralfarben. Doch der gebürtige Münchner war auch eine wichtige Persönlichkeit der dortigen Kunstszene um 1900: Er setzt sich in einer Zeit, als der sogenannte Münchner Farben-Streit entbrannte, streitbar für die Qualitätssicherung in der Farbenherstellung und für die Erforschung der Ursachen maltechnischer Schäden ein. Anfang der 1880er Jahre gelang es ihm, an der Münchner Kunstakademie eine Versuchsstation für Maltechnik einzurichten.

Blick in die Erstausgabe der „Praktisch- und Chemisch-technischen Mitteilungen für Malerei und Baumaterialienkunde" (1. Oktober 1884). Foto:RESTAURO
Blick in die Erstausgabe der „Praktisch- und Chemisch-technischen Mitteilungen für Malerei und Baumaterialienkunde" (1. Oktober 1884). Foto: RESTAURO
Foto: RESTAURO

Im 19. Jahrhundert kamen synthetische Farbstoffe auf dem Markt

Denn neben bahnbrechenden Erkenntnissen auf dem Gebiet der Farbwahrnehmung waren im 19. Jahrhundert synthetische Farbstoffe auf dem Markt gekommen. „Die Malerei geriet darauf hin in eine dramatische Krise, weil sich die breit verwendeten und viel versprechenden Tubenfarben und die neuen industriellen Pigmente in Tontreue und Haltbarkeit rasch als völlig unzuverlässig herausstellten“, weiß Dr. Kathrin Kinseher, die in ihrer umfangreichen Dissertation „Farben-Streit und maltechnische Forschung in München. Ein Beitrag zum Wirken von Adolf Wilhelm Keim“ (Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der TU München, 2013) über die Folgen dieser maltechnischen Forschungen, Entwicklungen und Farbenproduktion samt theoretischer Vermittlung und wirtschaftlicher Vermarktung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts arbeitete. „Sowohl auf der Leinwand wie in der Wandmalerei kam es zu dauerhaften Schäden und Verlusten, die die Künstler vor unlösbare Probleme stellten.“


Von den „Praktisch- und Chemisch-technischen Mitteilungen für Malerei und Baumaterialienkunde“ zu RESTAURO

Adolf Wilhelm Keim hatte die „Praktisch- und Chemisch-technischen Mitteilungen für Malerei und Baumaterialienkunde“ als Plattform initiiert, um über handelsübliche Mal- und Anstrichfarben zu informieren und über Missstände in der Farbenindustrie aufzuklären. Die erste Ausgabe erschien am 1. Oktober 1884, in der der Farbexperte im Vorwort schreibt: „Der Hauptzweck dieses Blattes ist, die verschiedenartigen und im Handel befindlichen Malmittel, Farben, Baumaterialien auf ihre wissenschaftliche und auf ihren Wert oder Unwert, ihre Vorteile und Nachteile in der Anwendung zu untersuchen und zu erproben, bzw. die Resultate solcher Untersuchungen rückhaltlos zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Es sollen ferner die verschiedenartigen Rezepte, Verfahrungsarten und technischen Kunstgriffe zur Mitteilung gelangen (…).“ Zielgruppen waren Künstler, Dekorationsmaler, Architekten, Fabrikanten, Restauratoren, Techniker, Kunst- und Gewerbeschulen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erscheint die Zeitschrift dann unter der Bezeichnung „Maltechnik. Technische Mitteilungen für Malerei und Bildpflege“ ab 1955. 1972 erhält sie den Titel „Maltechnik. RESTAURO“ und erscheint seit 1988 unter dem Namen RESTAURO.

Titelblatt „Maltechnik. RESTAURO“ 3/1972. Foto: RESTAURO
Titelblatt „Maltechnik. RESTAURO“ 3/1972. Foto: RESTAURO

Die „Technischen Mitteilungen für Malerei“ als wichtige Quelle der Kunsttechnologie und der Restaurierungsgeschichte

Die  „Technischen Mitteilungen für Malerei“ zählen heute zu den wichtigen Quellen der Kunsttechnologie und der Restaurierungsgeschichte. Die Jahrgänge 1884 bis 1943 stehen daher seit 2015  für die Konservierungswissenschaft und angewandte Technologien im Bereich der Malerei, Interieur und gestrichener Flächen von architektonischem Kulturerbe digital zur Verfügung unter https://www.technischemitteilungen.com. In enger Zusammenarbeit mit Keimfarben machte die Cultural Heritage Agency of The Netherlands diese Inhalte zur Wissenserweiterung und für Forschungszwecke zugänglich. Der Index zur Gesamtausgabe wurde für das Projekt vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK) in Zürich zur Verfügung gestellt.

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