10.06.2023

Branchen-News Denkmalpflege Kulturerbe

Online-Serie: Zukunft Baukultur – Statement Bianca Matzek

Dr. Bianca Matzek (Dipl. Arch., ETH), selbständige Architektin und Beraterin für Baukultur, Köln
Dr. Bianca Matzek (Dipl. Arch., ETH), selbständige Architektin und Beraterin für Baukultur, Köln

Welchen Beitrag können die Denkmalpflege und die Restaurierungswissenschaften angesichts der sich verschärfenden Klimalage, der Ressourcenknappheit und der Energiekrise leisten? Dazu haben wir Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen um Antworten gebeten. Lesen Sie hier das Statement von Dr. Bianca Matzek

Multiple Krisen zwingen aktuell zum Umdenken. Da sind Pandemie, Überschwemmungen, Waldbrände, Krieg. Wie wollen wir in Zukunft leben und bauen? Viele neue Herausforderungen kommen auf uns zu, die komplexe Betrachtungen und Lösungen erfordern. Und gerade hier ist das Wissen und Können des vielfältigen und interdisziplinären Berufsfeldes der Denkmalpflege gefragt. Welchen Beitrag können die Denkmalpflege und die Restaurierungswissenschaften angesichts der sich verschärfenden Klimalage, der Ressourcenknappheit und der Energiekrise leisten? Dazu haben wir Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen befragt. Die Antworten lesen Sie künftig in unserer neuen Online-Serie Zukunft Baukultur. Jede Woche veröffentlichen wir auf www.restauro.de einen Beitrag der Expert:innen, hier das Statement von Dr. Bianca Matzek


Baukultur ist Reparaturkultur

Mit ihrer seit über Jahrzehnten lang praktizierten und gelebten Reparaturkultur minimiert die Denkmalpflege Gewinnung, Herstellung und Transport neuer Baumaterialien, vermeidet Abfall und reduziert ökonomische und ökologische Kosten. Damit ist sie heute das zentrale Leitbild einer bewahrenden Kreislaufwirtschaft im Umgang mit Bausubstanz. Die Lebensdauer von Gebäuden, Ausstattungen im Innen- und Aussen, sowie Grünanlagen bedürfen einer ressourcenschonenden Pflege und Wartung. Dies erfolgt mittels eigens dafür entwickelten und lange erprobten Konservierungsmethoden und nachhaltigen Reparaturtechniken. Besondere Sorgfalt wird auf die verwendeten Rohstoffe und Baumaterialien sowie auf die (kunst-)handwerklichen Leistungen gelegt. Insbesondere bei Instandsetzungsmaßnahmen an Baudenkmälern werden vordringlich ökologische Baustoffe eingesetzt. Sie zeichnen sich vielfach durch robuste, fehlerverzeihende und reparaturfreundliche Konstruktionen aus und sind mit geringen CO2-Emissionen behaftet. Ziel ist es die in diesen Bauteilen und Baustoffen gebundene „graue Energie“ weiterzuverwenden und neue Baustoffe nur noch in sehr geringem Umfang herzustellen. Im Ergebnis forciert die Denkmalpflege daher den Wandel von der Wegwerfgesellschaft hin zur ökologisch nachhaltigen Reparaturgesellschaft. Es bedarf zwingend zum einen ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern und Wissen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Jeder dabei vom Staat als Förderung ausgegebene Euro bewirkt in der Denkmalpflege sieben Euro an privaten Investitionen und trägt automatisch zur regionalen Wertschöpfung bei.


Denkmalpflege und Baugeschichte als Pflichtfach in der Aus- und Weiterbildung

Zum anderen sollten Denkmalpflege und Baugeschichte als Pflichtfach fest in der Aus- und Weiterbildung sowie in allen neuen Bachelor- und Masterstudiengänge der Architektur- und Planungsdisziplinen verankert werden. Darüber hinaus gilt es das denkmalpflegerisches Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten über Generationen hinweg durch ausreichend vorhandene Fachkräfte in bestehenden und neu einzurichtenden Ausbildungsstätten zusichern und weiter aus zu bauen.


Mehr handwerklich restauratorische Kompetenzzentren sollten entstehen

Wünschenswert wäre es, wenn mehr handwerkliche (und europäische) restauratorische Kompetenzzentren entstehen, damit der versierte Umgang mit historischen Baumaterialien, wie etwa Baustellenmischungen für Putz und Mörtel, bei Reparatur- und Instandsetzungs- sowie Konservierungsmaßnahmen im gesamten Baubestand fachgerecht und länderübergreifend eingesetzt wird. Die Wieder- und Weiterverwendung vorhandener traditionellen Materialien, wie z.B. Stroh, Lehm und Holz sollte auch in den nächsten Jahrzehnten zu einer Generationenübergreifenden Selbstverständlichkeit für jedermann werden, sodass neue Baustoffe nur in sehr geringem Umfang hergestellt werden müssen. Damit stärkt die Denkmalpflege die Idee der Kreislaufwirtschaft und wäre Vorbild für die Sanierung erhaltenswerter Bausubstanz. Dies wäre aus meiner Sicht ein echter Katalysator in Richtung Nachhaltigkeit.

Dr. Bianca Matzek (Dipl. Arch., ETH), selbständige Architektin und Beraterin für Baukultur, Köln


Machen Sie mit!

Sie sind in der Denkmalpflege in den Restaurierungswissenschaften oder im Architekturbereich tätig – und möchten gerne Ihre Expertise teilen? Schreiben Sie uns! Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung.

Kontakt:
Dr. Ute Strimmer, Editor in Chief RESTAURO, u.strimmer@georg-media.de

 

Tipp: Unsere RESTAURO-Ausgabe 3/2023 setzt sich speziell mit der Erhaltung des baukulturellen Erbes auseinander. Sichern Sie sich hier ein Probeabo (2 Ausgaben mit 25 % Preisvorteil + ePaper zu Preis von 30 Euro).

Scroll to Top