Inwieweit sind Kunstlogistik und Nachhaltigkeit vereinbar? Dass das kein Widerspruch ist, erläutert Nadine Cheryl Adolfs, Diplom-Restauratorin und Expertin für Kunstlogistik, im folgenden Beitrag unter vier Nachhaltigkeitsaspekten
Die Europäische Union hat sich mit dem Green Deal ein ambitioniertes Klimaschutzziel gesetzt. Bis spätestens 2050 sollen die Mitgliedsstaaten ihre Treibhausgasemissionen auf netto null senken. Was in der EU bis 2050 realisiert werden soll, ist in Deutschlands Bundesklimaschutzgesetz bereits bis 2045 vorgesehen.
So das Ziel – aber wo stehen wir heute? Der Klimawandel ist zunehmend auch in Europa und im speziellen auch in Deutschland spürbar. In Punkto Auswirkungen des Klimawandels gibt es meiner Ansicht nach in der Restaurierungswelt kein Erkenntnisproblem. Allen Beteiligten ist klar, dass diese erheblich für den Kulturgutschutz sein werden. Es stellt sich folgerichtig in allen Bereichen die Frage, wie praktisch gegengesteuert werden kann. Hier ist auch die Kulturbranche gefordert, einen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu leisten. Das Ausstellungswesen und die Kunstlogistik sind hier besonders im Fokus. Die Bereiche Logistik und Transport im Allgemeinen verursachen gemäß WEF-Studien derzeit mehr als 5,5 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit. Tendenz steigend. Der reine Straßentransport per Lkw führt 15 Prozent der Europäischen CO2-Emissionen herbei (vgl. WEF_RFZ_Pathways_to_faster_adoption_of_zero_emission_trucks_2021.pdf, weforum.org). Umweltschonende Innovationen sind anhand dieser Zahlen in diesem Sektor dringend erforderlich.
Eigentlich ist die Kunstlogistik nur eine kleine Spezialnische in der Gesamtlogistik. Dennoch, vielleicht sogar gerade deshalb, stellt sich die Frage, inwieweit Kunstlogistik und Nachhaltigkeit vereinbar sind. Um es vorwegzunehmen, für mich ist das kein Widerspruch. Im Nachfolgenden möchte ich darauf eingehen, wie ich zu dieser Einschätzung komme. In der Kunstlogistik sehe ich unter Nachhaltigkeitsaspekten vier Säulen, welche nachfolgend mit dem Status quo und den persönlichen Berufserfahrungen in Bezug gesetzt werden. Dabei nehme ich die Perspektive als Diplom-Restauratorin und Expertin für Kunstlogistik ein.
1. Lagerung – Energieaufwand zur Klimatisierung / Gebäudesubstanz
Die Energiekrise hat in vielen kulturellen Einrichtungen die alte Gebäudesubstanz sowie -technik und den Sanierungsstau ins Bewusstsein gebracht. Studien zeigen, dass Museen einen immanent hohen CO2-Ausstoß im städtischen Vergleich haben (u.a. Klimabilanzen in Kulturinstitutionen – Dokumentation des Pilotprojekts, kulturstiftung-des-bundes.de)
Vor allem eine notwendige klimastabile Lagerung von Sammlungen hat aufgrund eines tradierten und bisher gängigem technischen Standard einen hohen Energiebedarf und damit hohe CO2-Emissionen zur Folge. An die Lagerung von Kunst- und Kulturgütern werden hohe Anforderungen an Klima- und Sicherheitstechnik gestellt, was in der Regel mit hohen Energiekosten verbunden ist. An zahlreichen Standorten sind aus öffentlicher Hand Zentraldepots auf neustem Stand in Planung, jedoch mit den üblichen sehr langwierigen Planungs- und Genehmigungsprozessen. Beim aktuellen dringenden Handlungsdruck stellt sich die Frage, was die Wirtschaft bieten kann.
Wie kann eine emissionsfreie Lagerung von Kunst- und Kulturgütern aussehen?
Hasenkamp hat bereits 2008 auf ein damals zukunftsweisendes Lagerkonzept umgestellt: Seitdem werden die Kunstdepots der Gruppe als passivbauähnliche Depots mit einem insgesamt sehr niedrigen Energieverbrauch gebaut. Die Depots zeichnen sich durch eine kompakte und massive Gebäudehülle aus, die das Innenklima gegenüber Temperaturschwankungen von außen besonders träge macht und ein stabiles Klima nach musealen Vorgaben ermöglicht. Darüber hinaus wird der gesamte Energiebedarf für Heizung und Klimatisierung durch geothermische Energie gedeckt.
Als umweltrelevante Komponente verbleiben bisher in Teilen nur die indirekten CO2-Emissionen aus dem Stromverbrauch. Um diese verbleibenden indirekten CO2-Emissionen aus dem Stromverbrauch auch noch zu reduzieren, werden die Kunstdepots schrittweise mit Photovoltaik (PV) aufgerüstet. Wo dies bereits geschehen ist, machen die PV-Anlagen die Depots grün, energieautark und produzieren als Zusatznutzen Überschussstrom. Damit erlangen sie den Rang von PlusEnergieDepots. In Zahlen ausgedrückt ist der Betrieb moderner Depots auf Basis von Geothermie und PV um den Faktor 4,6 effizienter als der klassischer Lagerbauten. Wo in herkömmlichen Lagern im Jahr gut 50 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter anfallen, sind moderne Lager nahezu emissionsfrei.