Wie restauriert man eine fast tausend Jahre alte Keramikvase? Die Diplom-Restaurator:innen Stephanie Fischer und Kyrill Radezky vom Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin berichten von ihrer Arbeit an der großen Lüstervase aus Kaschan. Die Ludwig Stiftung überließ der Berliner Institution – sie gehört zu den bedeutendsten und, nach dem Museum für Islamische Kunst in Kairo, ältesten Sammlungen seiner Art überhaupt – das iranische Prunkstück 2019 als Dauerleihgabe. Jetzt wartet es auf seinen Platz in der neuen Dauerausstellung. Ein Video dazu sehen Sie unten im Beitrag
Ein uneinheitliches Erscheinungsbild und Fehlstellen im Dekor
Sie war noch zu einem Drittel original. Nach einem Dreiviertel Jahrtausend ist dieser Zustand für eine Vase nicht ungewöhnlich. Für die Diplom-Restaurator:innen Stephanie Fischer und Kyrill Radezky war er allerdings eine ungewöhnliche Herausforderung. Die Ludwig Stiftung überließ die iranische Lüstervase dem Berliner Museum für Islamische Kunst 2019 als Dauerleihgabe.
Das prachtvolle, großformatige Stück aus der Stadt Kaschan, gefertigt von einem unbekannten Künstler um das Jahr 1260, befand sich in einem überholungsbedürftigen Zustand. Nur ein Drittel der ursprünglichen Vasenfläche war erhalten. Den Rest machten fremde und nachgebrannte Scherben aus, die Restaurator:innen hinzugefügt hatten, bevor die Vase 1931 erstmals dokumentiert auf den Kunstmarkt gelangte. Zuvor sei das Objekt mehrfach restauriert worden, berichtet Stephanie Fischer. Das Resultat: Ein uneinheitliches Erscheinungsbild sowie viele Fehlstellen im Dekor.
Lüsterkeramiken: ein exportiertes Luxusgut
Dennoch lassen die originalen Scherben, die sich durch ein sehr feines Dekor und eine kontrastreiche Bemalung auszeichneten, die einstige Pracht der Vase erahnen. Das Verfahren der sogenannten Lüsterbemalung, mit der die Vase gefertigt wurde, hatten irakische Keramikkünstler bereits im 9. Jahrhundert entwickelt. Schnell wurden die Lüsterkeramiken zu einem exportierten Luxusgut, das von Zentralasien über den Iran und Ägypten bis nach Spanien gelangte. Dabei war es nur wenigen Meistern gelungen, einen solch irisierenden Effekt auf der Keramikoberfläche zu erzielen, wie bei der Vase aus Kaschan.
Die Rekonstruktion des Dekors
Bevor Stephanie Fischer und ihr Kollege Kyrill Radezky sich an die Arbeit machten, sichteten sie alte Fotos und Archivaufnahmen und unterzogen die Schäden einer ausführlichen Untersuchung. Schließlich entschlossen sie sich, alle Fehlstellen zu verschließen und den Dekor zu rekonstruieren. Dabei war ihnen wichtig, das Hinzugefügte kenntlich zu machen: „Alles andere wäre eine historische Fälschung“.
Übertragung der Motive mittels Punktretusche
Mit einem Transparentpapier kopierten die Berliner Restaurator:innen die erhaltenen Motive von Tieren und Menschen und übertrugen sie mittels Punkretusche auf die entsprechenden Stellen. Dadurch, dass sich der Dekor aus vielen kleinen Punkten zusammensetzt, ergibt sich aus der Ferne eine geschlossene Farbwirkung, aus der Nähe jedoch wird deutlich, dass eine Ergänzung vorgenommen wurde.
Platz in der neuen Dauerausstellung für die Lüstervase aus Kaschan
Nach der Bearbeitung wirkt die Lüstervase wieder sehr einheitlich und hat den Charakter eines Prunkgefäßes zurückerlangt. Eigentlich mag Fischer die Wendung nicht, ein Objekt erstrahle in neuem Glanz: „Doch in diesem Fall stimmt es.“ Inzwischen wartet das Prunkstück auf seinen Platz in der neuen Dauerausstellung.
Das Museum für Islamische Kunst in Berlin
Das Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum auf der Museumsinsel Berlin gehört zu den bedeutendsten und – nach dem Museum für Islamische Kunst in Kairo – ältesten Sammlungen seiner Art überhaupt. Der Bestand umfasst alle Epochen islamischer Geschichte vom 7. bis zum 19. Jahrhundert sowie altsüdarabische und altpersische Artefakte.
Das Video zur Restaurierung der großen Lüstervase aus Kaschan sehen Sie hier: