20.09.2022

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Der Tag des offenen Denkmals 2022 – ein Rückblick

Tag des offenen Denkmals 2022: Prävention für erfolgreichen Denkmalerhalt (Restaurator Mirko Finsch in Schloss Kannawurf, Rimbach). Foto: © M.L. Preiss / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Prävention für erfolgreichen Denkmalerhalt (Restaurator Mirko Finsch in Schloss Kannawurf, Rimbach). Foto: © M.L. Preiss / Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Tag des offenen Denkmals 2022: Ob Befestigungsanlagen, Schiffe oder Kirchen, Industrieanlagen, Schlösser oder Windmühlen, Wohnbauten, Gärten oder archäologische Plätze – die Denkmale in Deutschland ist genauso abwechslungsreich wie seine Landstriche. Und genau das macht den Tag des offenen Denkmals – Deutschlands größtes Kulturevent – jedes Jahr so vielseitig, lebendig und faszinierend. Schauen Sie Restaurator:innen, Handwerker:innen oder Architekt:innen während ihrer Arbeit über die Schulter und erfahren Sie, was engagierte Bürgerinnen und Bürger zur Rettung des Kulturerbes auf die Beine gestellt haben

Viele Denkmäler sind gar nicht oder nur teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich. Seit 1993 ändert sich das jedes Jahr am Tag des offenen Denkmals, der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz koordiniert wird. Dann sind weit mehr als 7.500 Denkmale geöffnet, es gibt Vorträge, Ausstellungen, Fahrradexkursionen und Führungen in sonst für das Publikum oftmals geschlossenen Gebäuden.

Tag des offenen Denkmals in Augsburg. Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals in Augsburg. Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals in Köln. Foto: ©Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals in Köln. Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Das kostenlose Programm, das von Millionen Besucher:innen wahrgenommen wird, findet immer am zweiten Sonntag im September statt. Das bundesweite Eröffnungsevent übernahm dieses Jahr Leipzig. Das Motto: „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz – Tag des offenen Denkmals 2022“. Es fokussierte auf die Frage, welche Erkenntnisse und Beweise sich durch die Begutachtung der originalen Denkmalsubstanz gewinnen lassen? Welche Spuren hat menschliches Handeln über die Jahrhunderte hinweg und viele Zeitschichten hindurch hinterlassen? Und welche Schlüsse zieht die Denkmalpflege daraus? Um Spuren am Denkmal untersuchen zu können, bedarf es Experten, die sie sicherstellen, Indizien analysieren und Delikte aufdecken, seien es Denkmalpfleger:innen, Bürgerinitiativen, Restaurator:innen, Architekt:innen, Archäolog:innen oder Historiker:innen.

Tag des offenen Denkmals 2022: Bausubstanz als Informationsträger (Schloss Senden). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Bausubstanz als Informationsträger (Schloss Senden). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Stilgeschichten auf der Spur (Kaufmannshof, Flensburg). Foto: ©Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Stilgeschichten auf der Spur (Kaufmannshof, Flensburg). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Wunden der Zeit (Wegekapelle, Nohn). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Wunden der Zeit (Wegekapelle, Nohn). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Wände, Böden, Treppen, Keller und Decken, aber auch denkmalgeschützte Gärten und Parks stecken voller Hinweise, die es zu lesen gilt. Deshalb müssen Denkmale in ihrer originalen Substanz erhalten und vielfältig untersucht werden, mit Methoden wie etwa Thermo-Luminiszenz, Stratigraphie oder Photogrammetrie. Wer in seiner Umgebung konkrete Beispiele gesucht hat, konnte diesmal in einer neuen App Anregungen finden. In Leipzig boten neun Schaubaustellen die Möglichkeit, Denkmalpflegern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen, es fand ein Grundton D-Konzert in der besonderen Kulisse des historischen Stadtbads statt und es wurde Denkmalwissen zum Thema Nachhaltigkeit vermittelt, flankiert von zahlreichen Perspektiven zum diesjährigen Motto. In den Jahren zuvor ging es um Farbe am Denkmal, Holz als Werkstoff, romantische Denkmale des 19. Jahrhunderts oder „unbequeme Denkmale jenseits des Guten und Schönen“.

Tag des offenen Denkmals 2022: Restaurator als Ermittler (Kirche Dobien, Wittenberg. Foto: © Christian Hüller
Tag des offenen Denkmals 2022: Visuelle Bestandsaufnahme und Dokumentation (Villa Stieger, Konstanz). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Visuelle Bestandsaufnahme und Dokumentation (Villa Stieger, Konstanz). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Indizien verschiedener Zeitschichten(Universität Frankfurt). Foto: © ML Preiss / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Tag des offenen Denkmals 2022: Indizien verschiedener Zeitschichten(Universität Frankfurt). Foto: © ML Preiss / Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Das Zielpublikum der Veranstaltung umfasst alle Altersgruppen, von Schülern, Auszubildenden und Studenten bis zu Menschen mittleren Alters und Senioren. Zugleich ist der Tag des offenen Denkmals ein Fest des Ehrenamtes: Ohne die Mitwirkung von zahlreichen Vereinen, Initiativen und vielen einzelnen Engagierten würde er nicht stattfinden können. Wenn eine Stadt als Kulturhighlight von besonderer Bedeutung wahrgenommen werden möchte, kann sie sich als Gastgeber der bundesweiten Eröffnungsfeier auf der Website der Deutschen Stiftung Denkmalschutz bewerben. Stellvertretend für die Stadt kann sich auch die mit der Umsetzung des Tags des offenen Denkmals betraute Behörde der Stadt, beispielsweise das Kulturamt, die Baubehörde oder die Denkmalschutzbehörde, bewerben. Neben einer starken Außenwahrnehmung der Stadt als Kulturstadt gehören zu den Vorteilen der Gastgeberrolle eine Awardverleihung, die Möglichkeit, hochkarätig besetzter Bühnenevents zur Eröffnungsfeier oder der Besuch bekannter politischer und kultureller Größen.

Tag des offenen Denkmals 2022: Denkmale in Gefahr (St. Hedwigs-Kathedrale, Berlin). Foto: © Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Das Programm fürs Handy und unterwegs

Von Führungen an sonst nicht zugänglichen Orten über Konzerte in historischen Mauern bis hin zu Themen-Radtouren: Entdecken kann man die Denkmale und spannende (Kultur-)Orte in direkter Nachbarschaft. Die Denkmale lassen sich auf der Googlemaps-Karte ganz einfach anzeigen. Sie möchten Ihren persönlichen Tag des offenen Denkmals vorab planen? Kein Problem! Die spannendsten Events und Orte können Sie jederzeit speichern. Dank der Kalender- und Erinnerungsfunktion verpassen Sie nichts, und die Routenplanung hilft Ihnen beim Navigieren von Denkmal zu Denkmal.

Die Funktionen im Überblick:

Die Denkmale lassen sich auf der Googlemaps-Karte ganz einfach anzeigen. Foto: www.tag-des-offenen-denkmals.de
Denkmale digital erleben. Foto: © Shutterstock/M.L. Preiss u. Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Denkmale digital erleben. Foto: © Shutterstock/M.L. Preiss u. Roland Rossner / Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Zu Besuch am Tag des offenen Denkmals 2022 in der ehemaligen Pestalozzischule in Bonn

 

Die Programmplanung für die Stadt Bonn übernimmt im Auftrag der Unteren Denkmalbehörde bereits seit 2012 das Netzwerk Werkstatt Baukultur Bonn. Das Bonner Programm reichte von der Römerzeit bis zu herausragenden Baudenkmälern der Nachkriegszeit in Bad Godesberg. Interessierte konnten auch hier der Frage nachgehen, welche Erkenntnisse und Beweise sich durch die Begutachtung der originalen Denkmalsubstanz gewinnen lassen. Und welche Schlüsse zieht die Denkmalpflege daraus? Etwa aus der Geschichte der ehemaligen Pestalozzischule, in deren Räumlichkeiten nach dem Umbau das Bonner Stadtarchiv einziehen wird.

Verborgene Elemente kamen zum Vorschein

 

Die damalige Berufsschule wurde 1913 fertig gestellt. In den 1970ern hat man den Verwaltungsbau zugunsten des Straßenbaus abgerissen. Die Schule wurde als Förderschule erstmal weitergetrieben. Seit 2007 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. In dem Putz wurden inzwischen Asbestfasern gefunden, weswegen er abgetragen wurde und wodurch verborgene Elemente wie zugemauerte Oculus-Fenster in den Klassenräumen zum Vorschein kamen. Kölner Restauratorinnen haben vor der anstehenden denkmalgerechten Sanierung alle historischen Oberflächen und die Ausstattung wie Holzfaltwände oder farbliche Fassungen an den Wänden analysiert und geschützt. Der ursprüngliche Vortragssaal soll nach dem Einzug des Stadtarchivs zur öffentlichen Bibliothek umgebaut werden. Zu dem alten Gebäude wird sich ein neues Depot dazugesellen, das Lagerkapazität für mehrere Jahrzehnte schafft.

Erfahren Sie anlässlich des Tag des offenen Denkmals 2022 mehr über denkmalgeschützte Pestalozzi-Schule von 1919 in Bonn im Video:

Unter Denkmalschutz: UNESCO-Welterbe Quedlinburg

 

Die über 1000-jährige, am nordöstlichen Rand des Harzes gelegene Stadt Quedlinburg, Welterbe der UNESCO, ist ein zwischen Vergangenheit und Zukunft exemplarisch stehender Ort, der mit Bauten der Romanik, 2069 Fachwerkhäusern und Villen der Gründerzeit und des Jugendstils punkten kann. In der Innenstadt öffneten diesmal 45 Denkmale ihre Türen, darunter öffentliche und private Sanierungsprojekte. Erstmals mit dabei war das Haus am Münzenberg 5. Das in die Ruinen der ehemaligen Klosterkirche St. Marien auf dem Münzenberg hineingebaute Wohnhaus wurde 2017 von der treuhänderischen Ernst Ritter-Stiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) gekauft und steht auf einem Teil der ottonischen Gewölbe des Westbaus der Kirche.

Die Gewölbe wurden bereits instandgesetzt und sind Teil des Münzenbergmuseums. Auch im Inneren des Wohngebäudes haben sich Überreste der ehemaligen Klosterkirche bis ins Dachgeschoss hinein erhalten, etwa große Teile des Mauerwerks und der ehemalige Zugang zur Nonnenempore. Das Gebäude wird seit 2019 mit Hilfe eines Mobilen Einsatzteams der Jugendbauhütte Quedlinburg und unter der Leitung eines denkmalerfahrenen Quedlinburger Architekturbüros saniert. In diesem Herbst soll sich der neue Jahrgang der Jugendbauhütte um den Innenausbau kümmern. Bisher wurden bei Ausschachtungsarbeiten ein schmales Relief aus der Zeit der Kirchennutzung gefunden, Reste von Kopfnischengräbern und Fundamente, die die Erkenntnisse über das Aussehen der mittelalterlichen Klosteranlage erweiterten.

Entdecken Sie anlässlich des Tag des offenen Denkmals 2022 Quedlinburg digital:

Blick in das Internationale Zeitungsmuseum in Aachen am Tag des offenen Denkmals 2022

 

In Aachen hat das Gebäude, das heute das Internationale Zeitungsmuseum der Stadt beherbergt, im Laufe der Jahrhunderte ungewöhnlich viele, unterschiedliche Nutzungen durchlaufen, deren Spuren zum Teil noch erkennbar sind, wie etwa die s-förmigen Eisenteile am Mauerwerk oder die Dachbalken aus dem 17. Jahrhundert. Um 1500 durch Zusammenschluss, Um- und Ausbau mehrerer Häuser entstanden, war das „Große Haus von Aachen“ eines der wenigen, die vollständig in Stein errichtet waren und daher den Stadtbrand 1656 überstanden. Genutzt wurde es als Bürgerhaus, Stadtwaage, Polizeidirektion, Gefängnis, Zollposten, Luftschutzkeller oder Wohngebäude für Lehrer des Kaiser-Karl-Gymnasiums. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg diente es als Museumsgebäude, damals für das Stadtgeschichtliche Museum. Seit 1931 ist das Zeitungsmuseum der Stadt Aachen hier untergebracht. Sanierungsarbeiten brachten 2009 neue Details der Baugeschichte ans Licht. Der Dachstuhl des rückwärtigen Gebäudeteils konnte auf die Zeit nach dem verheerenden Stadtbrand datiert werden und im Keller wurde ein Boden aus der Entstehungszeit des Hauses entdeckt – allesamt historische Narben, Ergänzungen und Weiterentwicklungen, die nach einer langen Schlummerzeit noch Unbekanntes über das Bauwerk und seine Bewohner verraten.

Endecken Sie das Internationale Zeitungsmuseen in Aachen beim Tag des offenen Denkmals 2022 im Video:

Fazit: Kultur verbindet

 

Open Monumentendag, Doors Open Days oder Europejskie Dni Dziedzictwa – so heißt der Tag des offenen Denkmals in Belgien, Schottland und Polen. Zurück geht diese Aktion auf die Idee des französischen Kulturministers Jack Lang. 1984 machte er erstmals in Frankreich Denkmale der Öffentlichkeit zugänglich und ebnete damit die Geburtsstunde der Journées Européennes du Patrimoine.  Schon ein Jahr später griffen weitere Länder diese Idee auf. 1991 initiierte der Europarat unter Langs Schirmherrschaft die European Heritage Days – neun Länder, darunter auch Deutschland, nahmen an der Aktion teil. Von Anfang an war der Grundgedanke, jedes Jahr im September sonst nicht zugängliche Baudenkmale kostenfrei für Besucher zu öffnen oder besondere Veranstaltungen zu inszenieren.  1999 wurde diese Initiative zu einer gemeinsamen Aktion des Europarates und der Europäischen Kommission. Seit 1993 koordiniert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bundesweit den Tag des offenen Denkmals in Deutschland.

Tipp: Das Archiv zum Tag des offenen Denkmals finden Sie übrigen hier. Dort können Sie auf Mottos, Gastgeberstädte und stattgefunden Aktionen blicken – von Anfang bis heute. Einen Rückblick auf den Tag des offenen Tag des Denkmals 2017 lesen Sie hier.

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