01.03.2024

Forschung

Citizien Science-Aktion zum Bruckmann Verlag

Ferdinand Weeser-Krell, Ansicht des Firmenareals des Bruckmann Verlags an der Nymphenburgerstraße 86 in München, ca. 1923, Illustration aus einer Firmenfestschrift von 1935 zum 80. Geburtstag von Alphons von Bruckmann, Bayerische Staatsbibliothek Munich, 4° Bavar. 3414q
Ferdinand Weeser-Krell, Ansicht des Firmenareals des Bruckmann Verlags an der Nymphenburgerstraße 86 in München, ca. 1923, Illustration aus einer Firmenfestschrift von 1935 zum 80. Geburtstag von Alphons von Bruckmann, Bayerische Staatsbibliothek Munich, 4° Bavar. 3414q

Lange galt das Archiv des Münchner Bruckmann Verlags als verschollen. Bei der Räumung des Bruckmann-Areals an der Nymphenburger Straße tauchte es jedoch wieder auf. Während die Dokumente in das Bayerische Hauptstaatsarchiv gelangten, wurden 2016 rund 150 000 Foto-Objekten, die größtenteils annotiert oder retuschiert sind, an das Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) in München übergeben. Nach Sichtung des Archivmaterials durch Projektleiterin Franziska Lampe, bittet das ZI nun um die Mithilfe von (Münchner) Bürgerinnen und Bürgern bei der Aufarbeitung der Geschichte des Archivs.

Negativretuschen in Werkstattateliers im Bruckmann Verlag, um 1900, Fotografie aus: Theodor Göbel, Eine Werkstätte der Kunst, in Das Bayerland 11.36 (1900), S. 429
Negativretuschen in Werkstattateliers im Bruckmann Verlag, um 1900, Fotografie aus: Theodor Göbel, Eine Werkstätte der Kunst, in Das Bayerland 11.36 (1900), S. 429

Wer waren die Menschen, die beim Bruckmann Verlag arbeiteten?

Der Bruckmann Verlag wurde 1858 gegründet und war ein wichtiges Organ der damals noch jungen Kunstgeschichtsschreibung. Er war ein wichtiger Arbeitgeber in der Stadt und bot somit vielen Menschen Arbeitsplätze. Insbesondere an diesen Personenkreis wendet sich nun das ZI. Um die Geschichte des Archivs, des Verlags und dessen Arbeitsweisen nachzuvollziehen werden beispielsweise Tagebucheinträge, Dokumente, mündliche Überlieferungen oder Fotografien gesucht. Der Fokus liegt dabei auf (Zeitzeugen-)Berichten, die nicht in Geschichtsbüchern oder Archiven überliefert wurden. Dabei seien alle Hinweise von Personen wie Auszubildenden, Fotografinnen und Fotografen, Druckerinnen und Drucker, Retuscheurinnen und Retuscheure oder auch Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker von Interesse, wie Projektleiterin Lampe betont. Man möchte mehr über die Menschen erfahren, die für den Verlag gearbeitet haben. Das Archiv des Bruckmann Verlags bietet zwar auch dazu Hinweise, der Betrachtende erhält Einblicke in die Werkstatträume oder auch auf die Arbeitsweisen aber zu den Geschichten, die sich dahinter verbergen, liegen bisher nur wenige Informationen vor.

Rubens Löwenjagd während einer Fotokampagne des Bruckmann Verlags 1896 draußen vor dem Mittelprotal der Alten Pinakothek, Negativ (digital invertiert), ca. 22 x 27 cm (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Rubens Löwenjagd während einer Fotokampagne des Bruckmann Verlags 1896 draußen vor dem Mittelprotal der Alten Pinakothek, Negativ (digital invertiert), ca. 22 x 27 cm (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Rubens Löwenjagd während einer Fotokampagne des Bruckmann Verlags 1896 draußen vor dem Mittelprotal der Alten Pinakothek, Negativ, ca. 22 x 27 cm (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Rubens Löwenjagd während einer Fotokampagne des Bruckmann Verlags 1896 draußen vor dem Mittelprotal der Alten Pinakothek, Negativ, ca. 22 x 27 cm (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)

Dunkle Seiten der Geschichte

Der Bruckmann Verlag spielte in der Kunststadt München eine wichtige Rolle, publizierte er doch Zeitschriften wie „Die Kunst für Alle“. Aber auch Museumskataloge oder Reproduktionen von Kunstwerken für jedermann und jedes Budget gehörten zum Angebot. Der Verlag prägte auch die Wissenschaft Kunstgeschichte und deren Popularisierung. Bedeutende Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker wie Heinrich Wölfflin mit seiner Schrift „Kunstgeschichtliche Grundbegriffe“ publizierten dort ihre Arbeiten. Viele Forscherinnen und Forscher der Nachfolgegenrationen fragten nach Nutzungsmöglichkeiten des Archivs, es war jedoch für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das ändert sich nun glücklicherweise, das Archiv des Bruckmann Verlags ist für Interessierte einsehbar und nutzbar. Es bietet Forschenden die einzigartige Möglichkeit Einblicke in die Arbeitsweise des Verlags mit verschiedensten Beteiligten, wie zum Beispiel Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern zu gewinnen.

Zur Geschichte des Verlags gehört jedoch auch zu einem bedeutenden Maße die Zeit des Nationalsozialismus. Der Verlag kooperierte sehr früh mit den Nationalsozialisten und führte beispielsweise in den 1920er-Jahren Adolf Hitler in die Münchner Gesellschaft ein. Der Verlag protegierte nicht nur die Bewegung, sondern war dann auch sehr stark in den Propaganda-Apparat des Regimes eingebunden. Kunst und Kunstgeschichte sowie deren Wahrnehmung spielte bei den Nationalsozialisten eine wichtige Rolle und dort betätigte sich der Bruckmann Verlag mit seinem Know-how sehr. Es lässt sich klar erkennen, dass man der faschistisch-nationalsozialistische Linie folgte. Die Ausstellungskataloge der in München stattfindenden „Großen Deutschen Kunstausstellung“ im Haus der Kunst wurden beispielsweise vom Bruckmann Verlag herausgegeben. Aber auch viele andere nationalsozialistischen Schriften erschienen dort. Dieser Teil der Geschichte soll auch weiterhin Teil der Erforschung sein.

Verlag F. Bruckmann/Unbekannter Fotograf: Alesso Baldovinetti, Maria mit Kind und Heiligen, 1454, Albuminabzug auf Karton mit Annotationen, um 1910 (Abzug), 35 x 27,7 cm (Blattmaß), 24,3 x 23,8 cm (Bildmaß) (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Verlag F. Bruckmann/Unbekannter Fotograf: Alesso Baldovinetti, Maria mit Kind und Heiligen, 1454, Albuminabzug auf Karton mit Annotationen, um 1910 (Abzug), 35 x 27,7 cm (Blattmaß), 24,3 x 23,8 cm (Bildmaß) (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)

Neuer Forschungsansatz

Franziska Lampe konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Reproduktionen und Fotografien, die sowohl in der Kunstgeschichte als auch in der Fotogeschichte bisher wenig Beachtung fanden. Aber auch für Forschungen im Bereich der Provenienz, der Sammlungsforschung, der Restaurierungswissenschaften und vielen weiteren verwandten Disziplinen ist der Fund ein wahrer Schatz. Denn viele Kunstwerke, die heute nicht mehr existieren oder auch die im Laufe der Zeit stark verändert wurden, sind dokumentiert, aber auch Stadtgeschichte lässt sich nachvollziehen. Es sind zum Beispiel Aufnahmen der Ausstellung im Münchner Glaspalast, der 1931 abbrannte aber auch Stadtansichten sind zu finden. Aber auch andere Zuschreibungen von Kunstwerken lassen sich zum Teil nachweisen.

Zudem ist es für die Forschenden interessant, dass sich auch Rohzustände von Fotografien nachweisen lassen. Man kann nachvollziehen, wie im Bruckmann Verlag gearbeitet wurde, so lässt sich auch schon für das 19. Jahrhundert eine Form von Photoshop feststellen. Beispielsweise wurden Personen oder Gefährte vor Gebäuden wegretuschiert aber auch Kunstwerke isoliert oder ausgeschnitten. Das bietet auch einen Blick auf die Methoden des Fachs, so wurden Werke verschiedener Künstler vergleichbar gemacht. Ein Großteil der Abbildung ist in Schwarz-Weiß gehalten, denn Farbe galt als verpönt, durch dieses Monoton erhoffte man sich eine Konzentration auf die Form.

Unbekannter Fotograf: Münchner Altstadt, Viktualienmarkt, Ansicht von Südwesten, vor 1880 (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Unbekannter Fotograf: Münchner Altstadt, Viktualienmarkt, Ansicht von Südwesten, vor 1880 (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Unbekannter Fotograf: Siegestor, München, vor 1890 (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)
Unbekannter Fotograf: Siegestor, München, vor 1890 (ZI, München, Photothek/Archiv, Bildarchiv Bruckmann)

Informationen zum Projekt

Die Aufarbeitung des Archivs des Bruckmann Verlags ist als Langzeitprojekt zu betrachten. Ein klares Ziel ist dabei, dass das Archiv in der Art und Weise erhalten bleibt, denn in der Sortierung, die vom Geist um 1900 geprägt ist, lässt sich viel dazu ablesen wie Kunst gesammelt und hierarchisch geordnet wurde. Zudem zeigt es auch wie in einem Brennglas zentrale Aspekte der Kunstgeschichte und verdeutlicht ihre Methoden sowohl ihrer populären als auch wissenschaftlichen Vermittlung. Zugleich lässt sich auch die politische Instrumentalisierung der Kunst an dem Beispiel des Bruckmann Verlags nachzeichnen. Schritt für Schritt soll das Archiv zudem digitalisiert werden. In unregelmäßigen Abständen gibt das Projektteam auch Updates zur laufenden Forschung im Blog des ZI.

Projektleiterin Franziska Lampe bittet um Mithilfe, wer hat im Verlag gearbeitet und kann noch berichten? Wer hat Verwandte, die dort arbeiteten und kann (mündliche) Überlieferungen dazu an das ZI liefern? Wer hat Kunstreproduktionen des Verlags? Alle Informationen können an folgende E-Mail-Adresse geschickt werden: bruckmann@zikg.eu 

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