Das Landesmuseum Halle zeigt mit der Ausstellung „Krieg. Eine archäologische Spurensuche“, was vom kämpfenden Menschen bleibt.
Es ist eine Ausstellung, die so passgenau unserer Zeit entspricht, dass es fast unheimlich wirkt. Obwohl klar ist, dass die Hallenser Ausstellung „Krieg“ seit langem vorbereitet wurde und eine „archäologische Spurensuche“ ist, wie es im Untertitel heißt, trifft ihr Thema bedrückend genau das Tagesgeschehen. „Es ist für mich als Museumsmann traurig, aktuell zu sein. Ich wollte, alle Kriege wären im Museum. Aber da das nun mal nicht so ist, wollen wir es so gut als möglich erklären“, sagt Museumsdirektor Harald Meller.
Und das tut er. „Krieg“ wird hier nicht als ferne Bedrohung behandelt, sondern anhand seiner Ergebnisse ausgestellt. Das eindrucksvollste „Ergebnis“ steht im Zentrum der Ausstellung: es ist das 2011 auf dem Schlachtfeld von Lützen bei Leipzig gefundene, im Block geborgene, restaurierte, wissenschaftlich untersuchte und aufgerichtet ausgestellte Grab von 47 toten Kämpfern. Obwohl auf dem Schlachtfeld bei Lützen am 6. November 1632 ganze 6.500 Kämpfer ihr Leben ließen, ist dieses Massengrab das einzige Grab, das dort gefunden wurde.
In dreijähriger Arbeit restauriert und erforscht steht es nun hoch aufragend und dramatisch beleuchtet am Beginn und im Zentrum der Ausstellung im Lichthof des Hallenser Landesmuseums für Vorgeschichte. Um auch einen Einblick von unten zu bekommen, wurden auf der (heutigen) Rückseite vier Fenster geöffnet. Im Katalog beschreiben Christine Leßmann und Denis Dittrich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt die Restaurierung, die nach der Blockbergung in der Restaurierungswerkstatt des Museums stattfand. Dabei wurden nicht nur zahlreiche Proben entnommen und der gesamte Block so gefestigt, dass er in einem Metallrahmen aufrecht gezeigt werden kann, sondern auch „90 Prozent der Skelette nicht bewegt“, sagt Chefrestaurator Christian-Heinrich Wunderlich. „Das ist auch eine Frage von Würde und Pietät.“
Vor dem Grab liegen in einer großen Vitrine – fein säuberlich geordnet, wie in den Tablettenregalen von Damien Hirst – Kugeln vom Lützener Schlachtfeld. Auch wenn es nur ein kleiner Teil der 2.700 gefundenen Kugeln ist – es sind bedrohlich viele, die da in Reih und Glied angeordnet wurden. Wie überall in der Ausstellung wirkt die Inszenierung als ästhetisch-künstlerisches Arrangement, das von ausführlichen Erklärungen begleitet wird. Dieses Konglomerat aus Fundstücken, Texten, Bildern, Filmen und Grafiken ist Konzept.
Schlachtverlaufskarten und Statistiken mit der Altersverteilung getöteter Kämpfer – sonst eher langweilige Statistik-Zutaten – bekommen durch die kluge Präsentation und die Nähe zu den realen Opfern einen erhellenden Wert. Unter großen Lupen, die in ein Vitrinenband im Lichthof rings um das Massengrab eingelassen sind, liegen kleinste Fundstücke, die sonst leicht übersehen werden. Hier haben sie den Status von Sensationen. Knöpfe etwa, die bei den Skeletten gefunden wurden oder ein paar Kleidungsfasern. Dem Krieger, der mit ausgebreiteten Armen scheinbar wie der gekreuzigte Christus über alle anderen Toten gelegt wurde, haben die Ausstellungsmacher zwar nicht seinen Namen, aber doch, durch moderne Rekonstruktionsverfahren, sein Gesicht zurück geben können.