21.09.2022

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Schloss Neuschwanstein und seine Geheimnisse

Gestrige Preview des Films „Die Geheimnisse von Neuschwanstein“: Seit 2017 wird das legendäre Schloss“ zum ersten Mal seit seiner Erbauung aufwändig saniert und restauriert. Diese Maßnahmen dokumentiert jetzt in enger Abstimmung mit Bayerischen Schlösserverwaltung eine deutsche National Geographic-Eigenproduktion. Foto: National Geographic
Gestrige Preview des Films „Die Geheimnisse von Neuschwanstein“: Seit 2017 wird das legendäre Schloss“ zum ersten Mal seit seiner Erbauung aufwändig saniert und restauriert. Diese Maßnahmen dokumentiert jetzt in enger Abstimmung mit Bayerischen Schlösserverwaltung eine deutsche National Geographic-Eigenproduktion. Foto: National Geographic

Neuschwanstein, das Märchenschloss von Ludwig II., ist weltberühmt. Seit 2017 wird das legendäre Schloss – zum ersten Mal seit seiner Erbauung vor mehr als 150 Jahren – aufwändig saniert und restauriert. Die Maßnahmen dokumentiert jetzt in enger Abstimmung mit der Bayerischen Schlösserverwaltung die deutsche National Geographic-Eigenproduktion „Die Geheimnisse von Neuschwanstein“. Gestern Abend fand die Preview mit anschließender Panel-Diskussion München statt. Der Film setzt den Fokus stark auf die Arbeit hinter die Kulissen und begleitet Restaurator:innen, Expert:innen und Handwerker:innen

Sieben Wochen nach dem Tod König Ludwigs II. wurde Neuschwanstein im Jahr 1886 dem Publikum geöffnet. Der menschenscheue König hatte die Burg erbaut, um sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen – heute ist sein Refugium ein Publikumsmagnet. Neuschwanstein zählt zu den meistbesuchten Schlössern und Burgen Europas: Rund 1,4 Millionen Menschen jährlich besichtigen „die Burg des Märchenkönigs“.

Mehr als 6000 Besucher täglich

 

Im Sommer drängen sich im Durchschnitt täglich mehr als 6000 Besucher durch Räume, die einst für den einzigen Bewohner bestimmt waren. Das führt – in Verbindung mit dem alpinen Klima und Licht – zu erheblichen Belastungen für die wertvollen Möbel und Textilien, um deren Erhalt sich die Bayerische Schlösserverwaltung intensiv bemüht. Und auch die Bewegungen im Fundamentbereich müssen überwacht werden.  Zudem greift das raue Klima die Kalkstein-Fassaden stark an, was immer wieder Sanierungsmaßnahmen erfordert. Seit 2017 finden daher nach und nach Restaurierungen in allen für Besucherinnen und Besucher zugänglichen Schau-, Neben- und Funktionsräumen statt. Neben dem berühmten Sängersaal ist jetzt auch der prunkvolle Thronsaal bereits fertig restauriert. Die gesamten Arbeiten werden voraussichtlich im Lauf des Frühjahrs 2024 abgeschlossen sein. Die Kosten werden auf 20 Millionen Euro geschätzt.

 

Nach der Film-Preview "Die Geheimnisse von Neuschwanstein" fand eine Panel-Diskussion Jutta Pinzler (Leitende Produzentin der Dokumentation), Prof. Dr. Rainer Drewello (Restaurierungswissenschaftler), Prof. Dr. Christine Tauber (Kunsthistorikerin und Expertin für Ludwig II.) und  Moderatatorin Katty Salié statt. Foto: RESTAURO
Nach der Film-Preview "Die Geheimnisse von Neuschwanstein" fand eine Panel-Diskussion Jutta Pinzler (Leitende Produzentin der Dokumentation), Prof. Dr. Rainer Drewello (Restaurierungswissenschaftler), Prof. Dr. Christine Tauber (Kunsthistorikerin und Expertin für Ludwig II.) und  Moderatorin Katty Salié statt. Foto: National Geographic
Der eingerüstete Thronsaal im Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Der eingerüstete Thronsaal im Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Arbeiten am Kronleuchter im Thronsaal im Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Arbeiten am Kronleuchter im Thronsaal im Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Restauratorin Marion Fuhrmann bei ihren Arbeiten in Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Restauratorin Meike Fuhrmann bei ihren Arbeiten in Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Restauratorin Viktoria Jung bei ihren Arbeiten in Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic
Restauratorin Viktoria Jung bei ihren Arbeiten in Schloss Neuschwanstein. Foto: National Geographic

„Die Geheimnisse von Neuschwanstein“ auf National Geographic

 

In enger Abstimmung mit der Bayerischen Schlösserverwaltung dokumentiert jetzt die deutsche National Geographic-Eigenproduktion „Die Geheimnisse von Neuschwanstein“ die bisher umfangreichste Restaurierung in der Geschichte des Märchenschlosses. Der 45-minütige Film begleitet Restaurator:innen, Expert:innen und Handwerker:innen bei den Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen und gewährt exklusive Einblicke sowie Entdeckungen verschiedener Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Bereichen, die den Besucher:innen natürlich sonst verborgen bleiben, bis zur feierlichen Wiedereröffnung des Thronsaals am 4. August 2022 in einem Countdown.

Foto: National Geographic

Außerdem nähert sich die Produktion der geheimnisvollen Persönlichkeit des legendären Märchenkönigs. Als Ludwig II.-Expertin ist daher Prof. Dr. Christine Tauber mit dabei. Die Professorin am Institut für Kunstgeschichte der Universität München und Redakteurin der Zeitschrift „Kunstchronik“ am dortigen Zentralinstitut für Kunstgeschichte veröffentlichte 2013 ein Standardwerk zu Ludwig II. (Christine Tauber, „Ludwig. II. Das phantastische Leben des Königs von Bayern“, C. H. Beck, München 2013).

Schloss Neuschwanstein: rückwärtsgewandte Utopie von Macht und Herrschaft

 

Mit ihrem Wissen liefert die Kunsthistorikerin den historischen Unterbau für den Film. Sie vertritt die These, dass sämtliche Bauten Ludwigs – nicht nur Neuschwanstein – als rückwärtsgewandte Utopien von Macht und Herrschaft zu interpretieren sind. Die Zuschauer:innen begleiten Christine Tauber nicht nur bei ihren Recherchen in der Bibliothek im Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte, sondern machen sich gemeinsam mit ihr auf dem Weg nach Regensburg. Dort, im Haus Bayerischen Geschichte, trifft sie Kuratorin Dr. Margot Hamm und diskutiert und überprüft mit ihr verschiedene Thesen. Auch beim Gespräch mit dem Psychiater Prof. Dr. Hans Förstl (ehemaliger Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar in München) war das Filmteam mit dabei. Der Ludwig II.-Experte hält die damalige Diagnose Paranoia für nicht korrekt. Seiner Meinung nach litt der König an einer schizotypalen Persönlichkeitsstörung. Diese ist durch ein tiefgreifendes Muster von massivem Unbehagen mit engen Beziehungen und der damit einhergehenden eingeschränkten Beziehungsfähigkeit, durch verzerrte Gedankenstränge und Wahrnehmung, und durch exzentrische Verhaltensweisen gekennzeichnet. Der Münchner Facharzt erarbeitete eine eigene Studie zu Ludwig II. und verglich damalige Gutachten mit dem modernen Kriterienkatalog für psychische Krankheiten.

Die Dokumentation begleitet Prof. Dr. Rainer Drewello bei seiner Arbeit. Foto: National Geographic
Foto: National Geographic
Foto: National Geographic

Ein weiterer Protagonist, der wie Christine Tauber bei der gestrigen Preview als Talk-Gast mit dabei war, ist Prof. Dr. Rainer Drewello. Seine Forschungsgebiete sind zerstörungsarme und nicht invasive Dokumentationstechniken sowie die mikrobielle Korrosion von Kulturgut. Der ehemalige Lehrstuhl-Inhaber der Professur für Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erklärt in der Dokumentation unter anderem, wie es dem gesamten Team mit Hilfe neuester Technologien gelungen ist, den Grundstein von Schloss Neuschwanstein zu finden.

Die Statik von Schloss Neuschwanstein ist gefährdet

 

Außerdem wir schauen Projektrestaurator Stephan Wolf, Bauleiter Christoph Weber und dem Statiker Johannes Pfanner bei ihren Arbeiten auf dem Dachstuhl des Schlosses über die Schulter, denn Untersuchungen ergaben: Die Statik von Neuschwanstein ist in Gefahr, weil die der Kuppel des Thronsaals im Westtteil des Palas durch eine Stahlkonstruktion einem enormen Druck ausgesetzt ist. Wenn diese nicht entlastet wird, drohen Risse und Schäden. Die Zuschauer:innen erfahren, dass die Stahlkuppel daher mit massiven Stahlschrauben und Flaschenzügen angehoben werden soll. Jedoch behindert der mächtige, vier Meter hohe Kronleuchter die Arbeiten. Auch bei dieser Problem-Lösung sind die Zuschauer:innen live dabei ebenso wie bei der Entdeckung eines Fundstücks in der Schüttung des Dachstuhlbodens von Restaurator Stephan Wolf. Direkt unter dem Dachstuhl im Thronstuhl arbeitet Restauratorin Johanna Klasen am Stuck, den sie reinigt.

Spannende Fakten rund um das Schloss Neuschwanstein sehen Sie hier im Video: 

 

Produziert wurde die Dokumentation von der TV- und Filmproduktionsfirma sagamedia mit Sitz in Köln und Berlin. „Faszinierend war für uns während der Dreharbeiten, dass es in einem über 150 Jahre alten, weltberühmten Denkmal noch immer Neues zu entdecken gibt und Geheimnisse gelüftet werden“, erklärte gestern Abend Jutta Pinzler, Gründerin und Geschäftsführerin der sagamedia Film- und Fernsehproduktion GmbH. „Besonders beeindruckt hat uns auch, Bereiche von Schloss Neuschwanstein zu sehen, die sonst nicht zugänglich sind. Das Expertenteam um den Bauleiter Christoph Weber hat mit großer Kreativität einen unglaublich anspruchsvollen Job erledigt. Denn: Unter erschwerten Bedingungen, denn während der gesamten Zeit musste das Schloss für Hunderttausende Besucher geöffnet bleiben.“ Fazit: Ein Film, der die Arbeit mit und am Kulturerbe für eine breite Öffentlichkeit spannend erschließt und stark auf Vermittlung setzt. Die TV-Premiere findet am Sonntag, 25. September um 21:00 Uhr auf National Geographic, statt.

Tipp: Unter Service / Bayern 3D – Heimat Digital können Sie das Schloss und der Thronsaal online aus verschiedenen Perspektiven originalgetreu in 3D erkunden. Sogar der von König Ludwig II. vorgesehene, aber nicht mehr ausgeführte Thron kann ein- und ausgeblendet werden.

Lesen Sie mehr über das Mammut-Projekt in der RESTAURO 8/2022. 

Erfahren Sie außerdem: Während der umfassender Sanierungsarbeiten im Schloss Neuschwanstein wurden auch die historischen Steinböden und Mosaike detailgetreu restauriert. Um den historischen Steinboden optimal zu schützen, setzte das Staatliche Bauamt Kempten nach eingehender Beratung auf die Verlegung mit dem Trockenklebstoff.

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