Die Tagung des österreichischen Restauratorenverbandes (ÖRV) am 03. und 04. Oktober in Wien im ehemaligen Semperdepot wurde zum Anlass genommen, über die Divergenz zwischen Wegen und Zielen in der restauratorischen Praxis zu sprechen. Warum gerade jetzt dieses Tagungsthema? Beate Murr, Präsidentin des Verbandes: „Das Thema ist immer aktuell, vor allem weil es über die Disziplinen hinaus gültig ist.“ „Wir wollen Grundsatzdiskussionen führen, um die gesamte Problemstellung zu beleuchten“, so Susanne Beseler.
In den Vorträgen wurden diese theoretischen Diskurse mit praktischen Beispielen kombiniert. Markus Pescoller aus Bruneck stellte eine Methode vor, Kunstwerke als komplexe Gebilde zu erfahren. Er definierte diese in drei Bereiche: das generative, das rigide und das narrative Objekt. Je nachdem, welcher dieser Bereiche des Objektes überwiegt, könne man unterschiedlich an die Erhaltung herangehen. Ein interessanter Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte.
Am Vortrag von Helge Bartsch über die Erhaltung einer spätgotischen Balkendecke wurde die Divergenz von Wegen und Zielen besonders deutlich. Hier wurde in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege zwar die Decke erhalten, die auf Wunsch des Geldgebers am Ende eine Renaissance-Farbigkeit erhielt. Die Frage nach der Veränderbarkeit dieses Prozesses und wo Restauratoren hätten eingreifen können, konnte hier nicht beantwortet werden. So wurden im weiteren Verlauf viele Projekte mit ähnlicher Herangehensweise geschildert: Divergenz von Wegen des Restaurators und Zielen des Auftraggebers. Am zweiten Tag wagte dann doch Susanne Beseler einen Lösungsvorschlag. Der restauratorische Befund soll Basis jeglicher Entscheidungsprozesse sein und als solcher einen entsprechend hohen Prozentsatz in der Angebotserstellung einnehmen. Bislang wird der restauratorische Befund, der ja stets bereits ein Konzept für die Vorgehensweise beinhaltet, stiefmütterlich behandelt; sowohl in der Kostenaufstellung als auch für die spätere Projektarbeit mit Architekten und Bauherren wird der Befund unter Wert verkauft. Die veranschlagten Kosten liegen im Promillbereich und der Befund wird oft nach der Ausschreibung negiert, womit wichtige Information verloren gehen.
„Denn auch restauratorische Befunderhebungen brauchen Wege und Ziele“, schließt Beseler ihr Plädoyer für ein Standardwerk, das die systematische, restauratorische Befunderhebung reguliert. Ähnlich einem Baukastensystem soll es für jedes individuelle Projekt klare Standards, Vorgehensweisen, vorformulierte Fragen, Schritte und Instrumente bereithalten und verspricht damit hohes Analysepotenzial und – vergleichbare – Qualitätsstandards.
Mehr zur Tagung des ÖRV lesen Sie in der Dezemberausgabe der RESTAURO 8/2014.