23.12.2022

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Wallkino in Oldenburg verfällt

Fassade des Oldenburger Wallkino in Oldenburg (2013). Foto: Wikimedia Commons / Faldrian
Fassade des Oldenburger Wallkino in Oldenburg (2013). Foto: Wikimedia Commons / Faldrian

Für die Einheimischen ist das ehemalige Wallkino in Oldenburg ein trauriger Anblick: Der Besitzer lässt das Gebäude verfallen. Altstadtjuwel oder Schrottimmobilie?

Das Wallkino in Oldenburg war bis zu seiner Schließung im Jahr 2007 eines der ältesten noch betriebenen Kinos in Norddeutschland. Von 1914 bis 2007 sind hier zahlreiche Meilensteine der Filmgeschichte über die Leinwand geflimmert. Seither steht das Gebäude unter Denkmalschutz, doch die Fassade bröckelt vor sich hin. Das im Jugendstil erbaute Lichtspielhaus, das schon Ende der 1920er Jahre den Tonfilm eingeführt hatte, wurde im September 1914 mit einem Saal für 750 Zuschauer eröffnet. Die Architektur des Gebäudes erinnerte durch die reich geschmückte Fassade an ein Theater. Den Eindruck vermittelte ebenso der Kinosaal, der ein ebenerdiges Parkett, ansteigende Ränge und hohe Logen hatte. Das Haus überstand beide Weltkriege nahezu unversehrt. Während des Zweiten Weltkriegs stellte man den Betrieb ein, nahm ihn aber 1948 wieder auf. In den 1960er Jahren erlebte das Kino seine Blütezeit, wurde jedoch gegen Ende des Jahrzehnts an den Kinounternehmer Theo Marseille aus Bremerhaven verkauft. Er ließ das Kino komplett umbauen. Hierbei wurde der Saal durch die Einziehung einer Zwischendecke in zwei einzelne kleinere Räume geteilt. So entstanden das Wall mit 400 Plätzen und das Cinema, das 350 Zuschauern Platz bot. Außerdem wurde die Außenfassade mit Aluminium verkleidet. Die Wiedereröffnung erfolgte im Juli 1970. Im Jahre 2006 erbte der Unternehmer Ulrich Marseille das Gebäude und kündigte den Betreibern, da er nicht vorhatte, das Kino weiterzuführen.

Eintrag als Einzelbaudenkmal in das Verzeichnis der Kulturdenkmale

 

2007 wurde es geschlossen, steht seitdem leer und ist als Einzelbaudenkmal in das Verzeichnis der Kulturdenkmale eingetragen. Ab 2008 gab es Verhandlungen, das Gebäude als Probebühne für das Staatstheater zu nutzen. Da sich die Beteiligten jedoch nicht über die Konditionen eines Mietvertrags einigen konnten, scheiterten die Gespräche im Dezember 2010. 2011 beantragte Marseille den Abriss des Gebäudes, nur die Fassade zur Straße hin sollte nach seinen Plänen stehenbleiben. Die Stadt Oldenburg lehnte dieses Ansinnen ab. 2021 wurde der Fußweg vor dem Gebäude wegen herabstürzender Gebäudeteile gesperrt. 2022 wurden Pläne der Stadt Oldenburg bekannt, den Eigentümer zu enteignen. Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann betont: „Wir brauchen eine Handhabe gegenüber Eigentümern von sogenannten ,Schrottimmobilien‘ nicht nur in Oldenburg, sondern niedersachsenweit“. Wallkino-Besitzer Marseille hingegen hält das Prüfen eines Enteignungsverfahrens für „blanken Aktionismus“. Stadtbaurat Dr. Sven Uhrhan kritisiert das Verhalten des Gebäudeeigentümers scharf: „Es ist eine neue Dimension, wie hier Sicherungsmaßnahmen verschleppt und Verletzungsgefahren für Passanten billigend in Kauf genommen werden.“ Leider schränke das Eigentumsrecht die Handlungsmöglichkeiten für die Stadtverwaltung stark ein. Die Untere Denkmalschutzbehörde wird dem Gebäudeeigentümer nun weitere Maßnahmen zur Sicherung des Kranzgesimses aufgeben.

Das ehemalige "Wallkino" in Oldenburg: links die Rückseite (zur Wallstraße) und rechts die Vorderseite (zum Heiligengeistwall. Foto: Wikimedia Commons / 2012
Das ehemalige "Wallkino" in Oldenburg: links die Rückseite (zur Wallstraße) und rechts die Vorderseite (zum Heiligengeistwall). Foto: Wikimedia Commons / Anaconda74

In der Vergangenheit war die Stadt Oldenburg mehrfach eingeschritten, hatte eine denkmalschutzrechtliche Verfügung zur Sicherung des Gebäudes erlassen sowie Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen angeordnet. Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen hatten im vorigen Jahr sowohl das Verwaltungsgericht Oldenburg als auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt. In beiden Instanzen wurde der Denkmalschutz für das Gebäude entgegen der Einschätzung des Eigentümers bekräftigt. Der im Gebäude teilweise einsetzende Zerfall lasse den Denkmalschutz nicht entfallen. Der Eigentümer sei nach dem Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes zu Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet. Das im Souterrain des Gebäudes stehende Wasser beschädige das Mauerwerk und gefährde damit die Substanz des gesamten Gebäudes.

Einschreiten der Denkmalschutzbehörde zum Erhalt

 

Das Einschreiten durch die Denkmalschutzbehörde zum Erhalt des Gebäudes sei dringend erforderlich. Die Denkmalschutzbehörde hatte angeordnet, dass der Hamburger Unternehmer das undichte Dach des Wallkinos mit einer Plane gegen das Eindringen weiterer Feuchtigkeit schützen muss. Darüber hinaus seien alle Dachrinnen des Kulturdenkmals auf Schäden zu überprüfen und gegebenenfalls zu reparieren oder auszutauschen. Nach Einschätzung der Stadt drohten Teile des Daches herabzufallen. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann hält den Zustand des Gebäudes für besorgniserregend: „Das historische Kino droht rapide zu verfallen“. 2011 kam es zu einer kurzen Scheinbesetzung des ehemaligen Wallkinos. Aktivist:innen brachten am 16. April 2011 an der Fassade ein Transparent gegen Immobilien-Spekulation an. Noch 2020 bezweifelte Ulrich Marseille, dass das unter Denkmalschutz stehende Kino erhaltenswert sei. Es bestehe jedoch beim ehemaligen Wall-Kino ein Denkmalwert von öffentlichem Interesse. Am 18. Februar 2021 führte eine Fachfirma Instandsetzungsarbeiten am Dach des Wallkinos durch. Sollte das Enteignungsverfahren Erfolg haben, wäre das richtungsweisend für viele sogenannte Schrottimmobilien nicht nur in Niedersachsen sondern bundesweit.

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