31.08.2022

Textile Schätze aus dem alten Peru

Tunika, Peru, Zentralküste, 6.–9. Jahrhundert; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5730. Das ponchoartige Gewand ist aus fünf Streifen zusammengesetzt, die als sogenanntes Doppelgewebe gewebt wurden. Die Tunika kann daher beidseitig getragen werden. Ihr Dekor ist aussen und innen gleich, nur die Farbstellung ist umgekehrt. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
Tunika, Peru, Zentralküste, 6.–9. Jahrhundert; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5730. Das ponchoartige Gewand ist aus fünf Streifen zusammengesetzt, die als sogenanntes Doppelgewebe gewebt wurden. Die Tunika kann daher beidseitig getragen werden. Ihr Dekor ist aussen und innen gleich, nur die Farbstellung ist umgekehrt. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg

Ein Blick in die aktuelle Ausstellung „Menschen, Tiere, Götterwesen. Textile Schätze aus dem alten Peru“ der Abegg-Stiftung in Riggisberg und ein Gespräch über ihre Besonderheiten mit Kurator Michael Peter

Michael Peter ist begeistert. Von den Farben. Von den Motiven. Und von der Kunstfertigkeit, die es im Alten Peru gab. Michael Peter ist Spezialist für Textilien des 5. bis 13. Jahrhunderts in der Abegg-Stiftung in der Schweiz und Kurator der aktuellen Ausstellung „Menschen, Tiere, Götterwesen. Textile Schätze aus dem alten Peru“. Bis zum 13. November gibt die Stiftung in Riggisberg erstmals einen Einblick in ihre Sammlung von Textilien aus dem Alten Peru, die etwa zwischen dem 2. Jahrhundert vor Christus und der Ankunft der Spanier 1532 entstanden. Denn die Schätze, die Stiftungsgründer Werner Abegg zwischen 1930 und 1933 in Peru gekauft hat, wurden bisher noch nie gezeigt. Jetzt sind sie gemeinsam mit jüngsten Ankäufen zu sehen. Dass diese besonderen Stücke jetzt erst gezeigt werden, begründet Peter mit dem einfachen Satz: „Weil Südamerika nicht an der Seidenstraße liegt.“

Gestickte Zierborte, Peru, Südküste, Späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 578: Die Stickerei zeigt menschenähnliche Wesen, die fliegend, fallend oder tauchend wiedergegeben sind. Die Stickereistiche folgen der Form der Figur und verleihen ihr dadurch zusätzlich an Ausdruck und Bewegung. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
Gestickte Zierborte, Peru, Südküste, Späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 578: Die Stickerei zeigt menschenähnliche Wesen, die fliegend, fallend oder tauchend wiedergegeben sind. Die Stickereistiche folgen der Form der Figur und verleihen ihr dadurch zusätzlich an Ausdruck und Bewegung. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg

Die Abegg-Stiftung sei vor allem auf Textilien entlang der Seidenstraße von alten China bis ins barocke Frankreich fokussiert. Deshalb seien die einzigartigen und überaus qualitätvollen Stücke aus Peru weder in der Dauerausstellung noch in der Forschung der Abegg-Stiftung präsent. Werner Abegg hat die 150 Stücke in den Jahren 1930-1933 erworben, danach habe ihn dieses Sammelgebiet nicht mehr interessiert. Doch nun, zusammen mit den neu angekauften Stücken, lohnte sich die Präsentation, denn neben den kleinformatigen Textilien aus der Abegg-Sammlung, können fünf neu für die Sammlung angekaufte komplette Tuniken gezeigt werden. Eine von ihnen ist so gut erhalten, dass sie dreidimensional präsentiert werden kann. 

Detail einer gestickten Zierborte, Peru, Südküste, späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 1080. Mit ihren frischen, bunten Farben und den ausdrucksstarken Gestalten erinnert die feine Stickerei an eine Comic-Zeichnung. Sie ist rund 2000 Jahre alt. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
Detail einer gestickten Zierborte, Peru, Südküste, späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 1080. Mit ihren frischen, bunten Farben und den ausdrucksstarken Gestalten erinnert die feine Stickerei an eine Comic-Zeichnung. Sie ist rund 2000 Jahre alt. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg

„Die Tunika hat sogar noch die Originalnähte an den Seiten“, sagt Michael Peter. Sie wird auf einer vollplastischen Figurine gezeigt. Die Präsentation gibt einen Eindruck davon, wie die einfach geschnittenen Männer-Kleidungsstücke, die nur einen senkrechten Schlitz für den Kopf haben, am Körper wirkten. Der Schlitz öffnet sich zum V-Ausschnitt und die  kurzen Ärmelansätze fallen dann bis über den Ellenbogen. Es ist, nach Ansicht von Michael Peter, das erste Mal, dass eine solche frühperuanische Tunika so lebensecht präsentiert werden kann.

Gestickte Zierborte mit stilisierten Katzen. Peru, Südküste, späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 534. Zu sehen ist ein diagonal geteiltes Rechteckfeld, das mit kleinen und grossen Katzenwesen gefüllt ist. Die gestickten Tiere sind mit wenigen geraden Strichen in schwarzer und gelber Wolle angedeutet – einmal aufrecht und einmal auf dem Kopf stehend. Derartige Stickereien wurden als Schmuckbesätze für Umhänge, Tücher oder Tuniken verwendet. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
Gestickte Zierborte mit stilisierten Katzen. Peru, Südküste, späte Paracas-/frühe Nasca-Kultur, 2. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 534. Zu sehen ist ein diagonal geteiltes Rechteckfeld, das mit kleinen und grossen Katzenwesen gefüllt ist. Die gestickten Tiere sind mit wenigen geraden Strichen in schwarzer und gelber Wolle angedeutet – einmal aufrecht und einmal auf dem Kopf stehend. Derartige Stickereien wurden als Schmuckbesätze für Umhänge, Tücher oder Tuniken verwendet. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg

Die ältesten in der Ausstellung gezeigten Textilien entstanden in der Paracas-Kultur, die von 8. bis 1. Jahrhundert vor Christus in Peru existierte, die jüngsten wurden kurz vor der Ankunft der Spanier 1532 hergestellt. Über den gesamten Zeitraum setzten verschiedene Herrscher unterschiedliche Akzente, doch der Totenkult blieb gleich. Die in Körben sitzend bestatteten Toten wurden mit Stoffbündeln umwickelt. Gezählt werden bis zu 50 Lagen Stoff um die Toten. 

Bemaltes Textil, Peru, Zentralküste, Chancay-Kultur, 11.–15. Jahrhundert; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5573. Aus dem Alten Peru haben sich auch bemalte Baumwollgewebe erhalten. Das Beispiel hier zeigt quadratische Felder, die zu aufsteigenden Treppenbändern verbunden sind. Die Felder nehmen verschiedene Vogelmotive sowie stehende Figuren mit Kopfschmuck auf. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
Bemaltes Textil, Peru, Zentralküste, Chancay-Kultur, 11.–15. Jahrhundert; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5573. Aus dem Alten Peru haben sich auch bemalte Baumwollgewebe erhalten. Das Beispiel hier zeigt quadratische Felder, die zu aufsteigenden Treppenbändern verbunden sind. Die Felder nehmen verschiedene Vogelmotive sowie stehende Figuren mit Kopfschmuck auf. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg

„Manche solcher Bündel sind eineinhalb Meter hoch und messen einen Meter im Durchmesser“, sagt Michael Peter. Warum die Stoffe den Toten in dieser Weise beigegeben wurden, kann nur spekuliert werden, denn die peruanische Kultur war schriftlos, alle Erkenntnisse sind Interpretationen oder aufgrund von Vergleichen mit anderen Kulturen möglich. Doch die kostbaren Stoffe spielten in der Kultur des Alten Peru  eine wichtige Rolle. Auch in den Tempeln wurden Stoffe, gelagert in Tongefäßen, gefunden. Die meisten der mit den Toten bestatteten Stoffe waren neu, sind also extra für den Totenkult hergestellt worden. Sie haben keine Reparatur- oder Gebrauchsspuren. Es sind Tuniken, Kopftücher, Lendenschurze, Röcke, Mäntel, aber auch ungefärbte Baumwollbahnen.

„Die wertvollsten Stücke waren den Toten am nächsten“, sagt Kurator Michael Peter und schwärmt von der Qualität und Farbigkeit der dargestellten Figuren, Tiere, Muster. „Die Phantasie der Weber und die Modernität der Darstellungen ist frappierend. Die Motive sind sehr fein, sehr abstrakt und absolut einzigartig. Manches erinnert an Arbeiten von Paul Klee, anderes an Comics“, sagt Kurator Peter. Auch über die Bedeutung der Bilder, die Menschen, Krieger und menschenähnliche Geschöpfe und Tiere zeigen, weiß man bis heute nichts.
„Die wertvollsten Stücke waren den Toten am nächsten“, sagt Kurator Michael Peter und schwärmt von der Qualität und Farbigkeit der dargestellten Figuren, Tiere, Muster. „Die Phantasie der Weber und die Modernität der Darstellungen ist frappierend. Die Motive sind sehr fein, sehr abstrakt und absolut einzigartig. Manches erinnert an Arbeiten von Paul Klee, anderes an Comics“, sagt Kurator Peter. Auch über die Bedeutung der Bilder, die Menschen, Krieger und menschenähnliche Geschöpfe und Tiere zeigen, weiß man bis heute nichts.

Die chronologisch aufgebaute Ausstellung stellt zuerst Textilien mit gestickten, streng geometrischen, linearen Darstellungen aus der Paracas-Zeit vor. Sie zeigen zum Beispiel ineinander verschränkte katzenartige Wesen. 

Lesen Sie weiter in der RESTAURO 6/2022.

Dreidimensionale Stickerei. Peru, Südküste, frühe Nasca-Kultur, 1.–3. Jahrhundert; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 600. Diese aneinandergereihten Miniaturskulpturen aus Wollgarn zeigen Vögelchen, die mit ihren langen Schnäbeln an bunten Blüten saugen. Solche dreidimensionalen Schmuckstreifen waren als fransenähnliche Zierde an Gewänder und Tücher genäht. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
Dreidimensionale Stickerei. Peru, Südküste, frühe Nasca-Kultur, 1.–3. Jahrhundert; Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 600. Diese aneinandergereihten Miniaturskulpturen aus Wollgarn zeigen Vögelchen, die mit ihren langen Schnäbeln an bunten Blüten saugen. Solche dreidimensionalen Schmuckstreifen waren als fransenähnliche Zierde an Gewänder und Tücher genäht. Foto: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg / Christoph von Viràg
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