Der Wiedereinzug der Schätze des Grünen Gewölbes ins Dresdner Residenzschloss liegt rund 15 Jahre zurück. Zuvor mussten viele Werke, unter ihnen auch Emaillen auf Gold, restauriert werden, denn die klimatischen Verhältnisse und verschiedene Luftschadstoffe hatten die Emaillen geschädigt. Dazu wurde ein neu entwickeltes Hybridpolymer verwendet. Dieses Material, das den Namen ORMOCER® trägt, besteht aus einem anorganisch-organischen Stoffgemisch. Eine Komponente des Gemischs wurde als Schutzbeschichtung für geschädigte Glasmalereien und historische Kirchenfenster im Außenraum entwickelt. Das andere Polymer wird zur Korrosionsschutzbeschichtung von Bronze verwendet.
Nach mehr als 15 Jahren wurden die Emaille-Restaurierungen – darunter an Teilen des „Goldenen Kaffeezeugs“ (1701) und von Teilen des „Hofstaats des Großmoguls“ (1701–1708), die alle aus der Werkstatt des sächsischen Hofjuweliers Johann Melchior Dinglinger stammen – durch die Kunstsammlungen Dresden und das Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC nun untersucht. Zuerst begutachteten die Restauratoren der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die damals behandelten Stücke. Danach gab es materialwissenschaftliche Untersuchungen am Fraunhofer ISC. Die Kunstwerke wurden spektroskopisch an den Beschichtungen der teils emaillierten Labor-, Modell- und Rückstellproben untersucht. Außerdem gab es eine Glasdosimeterstudie, um die Aufbewahrungsbedingungen in den neuen Ausstellungsvitrinen des Grünen Gewölbes zu überprüfen. Die Messungen ergaben: „Die Glasdosimeter zeigten kein Risiko für korrosionsbedingte Schädigungen und lassen auf sehr gute Umgebungsbedingungen in der Ausstellung schließen“, heißt es im Ende 2019 erschienenen Abschlussbericht. Das Fazit der Untersuchungen – 15 Jahre nach der Festigung mit dem neuen Stoff – lautet: „Das hybride Material weist optimale Haftungseigenschaften sowohl gegenüber dem Metallrezipienten als auch gegenüber dem Glasemail der Pretiosen auf.“
Nach den Erfahrungen von Forschern und Restauratoren ist das Hybridpolymer ORMOCER® wesentlich besser zur Emaillerestaurierung geeignet als Epoxidharze. „Die Materialeigenschaften wurden so variiert, dass eine ausgezeichnete Haftung und Elastizität sowie eine sehr gute Verbindungs- und Konsolidierungswirkung des Festigungsmittels erreicht werden konnte“, heißt es im Bericht. Damit hätten Restauratoren nun ein geprüftes Festigungsmittel für Emaille. Doch das Material kann in seiner einst synthetisierten Form nicht mehr hergestellt werden, weil sich die Ausgangsstoffe, die aus der Industrie kommen, verändert haben – wenn auch nur leicht. Leichte Veränderungen mögen für Industriesynthesen unerheblich sein, für die Restaurierung von Kunstwerken sind sie nicht hinnehmbar, vor allem wenn sie mit Farbveränderungen einher gehen. „Die Restauratoren sahen deutliche farbliche Unterschiede“, sagt Katrin Wittstadt, Wissenschaftlerin am Internationalen Zentrum für Kulturgüterschutz und Konservierungsforschung am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung. Deshalb musste der Konsolidierungswerkstoff mit modifizierten und hochaufgereinigten Ausgangsstoffen erneut synthetisiert werden.
Das Modellprojekt wird durch die Fraunhofer-Gesellschaft und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützt. Zur Verbreitung und zum Bekanntmachen des Materials wurde im Vorfeld der „7th Biennal Conference of the Enamel on Metals Conservation Network ENAMEL 2018“ in Stuttgart zu einem praktischen Trainingskurs eingeladen. 43 Restauratoren konnten in drei Workshops probeweise mit dem Material arbeiten.
Demnächst werden die Dresdener Restauratoren wieder mit dem neuen Material arbeiten. Sie werden es auch für geschädigte Stücke aus Elfenbein und Bergkristall nutzen. Denn der neue Stoff hat „eine Vielzahl von Eigenschaften in Kombination, die auch in anderen Feldern genutzt werden können“, sagt Rainer Richter, Leiter der Restaurierung am Grünen Gewölbe.
Lesen Sie weiter in der kommenden RESTAURO 3/20, die Anfang April erscheint, www.restauro.de/shop.