In Form von Blitzlichtvorträgen wurden weitere Arbeiten und Projekte vorgestellt. Martina Homolka, Deutsches Historisches Museum Berlin, präsentierte ihre Arbeit zu Eulan – Anwendung und Entwicklung eines Biozids und seine Relevanz in musealen Sammlungen. Michael Thomas vom Frauenhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST Braunschweig sprach über die Reinigung und Abnahme von Schadenspotential bergenden Silbersulfid auf Metallfadenstickereien auf Seidengeweben mit Atmosphärendruck arbeitenden Plasmapens. Was von ihm, auch unter Beachtung der konservatorischen Aspekte, als sehr aussichtsreich bezeichnet wurde, da ein punktgenauer Einsatz möglich ist. Die Optimierung des Verfahrens ist Gegenstand der aktuellen Untersuchungen. Hierbei handelt es sich um ein ebenfalls von der DBU gefördertes Projekt, mit den Kooperationsspartnern Frauenhofer-Institut, dem Institut für Restaurierung- und Konservierungswissenschaften der TH Köln sowie als assoziierten Partner dem Deutschen Textilmuseum Krefeld. Martin Meyer, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, stellte das Projekt CO2-Schneestrahltechnologie zur Reinigung der Oberflächen schadstoffbelasteter Kulturgüter vor. In diesem Projekt arbeiten das GNM, die DBU und das Fraunhofer-Institut zusammen. Das Projekt soll 2017 abgeschlossen werden. Erste Untersuchungsschritte lagen in der Entwicklung und Herstellung von unterschiedlichen Probematerialien zur Erforschung von Schwellenwerten im Hinblick auf schädigenden Oberflächenveränderungen. Versuche wurden und werden an verschiedenen Materialoberflächen z. B. Hölzern, Metallen, Papieren und Geweben durchgeführt.
Zerstörungsfreie Detektion
Neben den technologischen Lösungsansätzen zur Dekontamination, ist die Frage nach einer aussagekräftigen zerstörungsfreien Detektion von Bioziden in den Kulturgütern eine auch von den Workshop Teilnehmern immer wieder aufgeworfene Fragestellung. Die genaue Kenntnis der Art und des Umfangs der Kontamination sind eine Voraussetzung für die Auswahl und Kontrolle geeigneter Reinigungsstrategien. Michael Panzner, Fraunhofer-Institut für Werkstoffe und Strahlentechnik, stellte seine derzeit laufenden modellhaften Untersuchungen der Möglichkeiten und Grenzen der Detektion anthropogen induzierter Biozide in Kulturgütern mittels THz-Technologie vor. Er arbeitet mit der Fa. Püschner und dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen zusammen. Der Vorteil zu anderen Detektionsmethoden ist ein dämpfungsfreies Durchdringen vieler Materialien. Diese Untersuchungsmethode ist absolut zerstörungsfrei, da dieser Wellenbereich sehr energiearm ist. Die Messungen können auch eine Flächenverteilung detektieren und die Messergebnisse darstellen. Im Ausblick sollen Versuche mit kontaminierten Textilien durchgeführt werden.
Systematisches Vorgehen
Anke Weidner von Art Detox zeigte Strategien zum Umgang mit kontaminiertem Kulturgut in größeren Zusammenhängen auf. Sie betonte, dass systematisch und unter Einbeziehung von Fachleuten vorgegangen werden sollte. Das erste Beispiel beschäftigte sich mit dem Umgang mit 1.100 belasteten Gemälden im Depot der Staatlichen Museen Schwerin. Die Gemälde wurden mechanisch mit herkömmlichen Methoden wie Pinsel, Sauger oder Schwämmchen unter Beachtung des Arbeitsschutzes gereinigt. Da hierbei keine Dekontamination stattfand, sondern lediglich eine oberflächige Reinigung, wurden die Rückseiten der Gemälde mit einem Hinweisschild zum zukünftigen Umgang versehen. Da das Gemäldedepot häufig als Durchgangsraum genutzt wird, wurden die Schrankanlagen komplett verhüllt, um die Verschleppung von kontaminiertem Staub zu vermeiden. Der Erfolg dieser Maßnahme konnte nach einem Jahr durch erneute Staubmessungen nachgewiesen werden.
Das zweite Praxisbeispiel handelte von der Reduzierung von Bioziden an einem 417-Objekte umfassenden-Konvolut Trachten aus der Sammlung Volkskunde der Museumslandschaft Hessen Kassel. Ein großer Teil des Konvolutes wurde mit flüssigem Kohlenstoffdioxid behandelt. Der Erfolg einer deutlichen Reduzierung des Biozidgehalts konnte über abgefallene Faserbruchstücke vorher und nachher nachgewiesen werden. Es wurden Abreicherungsraten, je nach Biozid von 80 bis 99 Prozent ermittelt. Diese Abreicherungsraten sind als Hinweis zu betrachten, der deutlich eine positive Tendenz wieder gibt.
Bernd Schleder berichtete über seine praktischen Erfahrungen bei der Bewertung und Sanierung von biozid-belasteten Hölzern aus der Sicht eines Holzsachverständigen. Zu seinen gutachterlichen Leistungen gehören in der Regel verschiedene Untersuchungen gemeinsam mit Messinstituten, um eine Bewertung des Gefahrenpotentials vornehmen zu können. Im Anschluss wird von ihm ein A+S Plan erstellt sowie eine Auswahl geeigneter Sanierungs- bzw. Reinigungsverfahren entwickelt. Eine Langzeitkontrolle misst den Erfolg einer Maßnahme. Schleder traf die Aussage, dass eine 100%ige Abreicherung der Schadstoffe durch mechanische Verfahren im gesamten Materialgefüge nicht zu erreichen ist und daher ein kontaminierter Bereich auch nach der Sanierung weiterhin als solcher betrachtet werden muss. Jedoch kann das Gefährdungspotential durch verschiedene Maßnahmen deutlich verringert werden.
Fazit: Reduzierung vs. Dekontaminierung
Im Verlauf des Workshops ist wieder deutlich geworden, wie schwierig es ist, bereits im ersten Schritt überhaupt wahrzunehmen und zu akzeptieren, dass eine Biozidbelastung grundsätzlich vorhanden ist – wahrscheinlich praktisch an jedem Objekt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass dank der laufenden Forschungen und engagiertem Einsatz der beteiligten Personen vielversprechende Lösungsansätze für die Problematik im Umgang mit biozidbelasteten Kulturgütern erarbeitet werden konnten. Um die Biozide überhaupt nachweisen und somit benennen zu können, wird auch an möglichst zerstörungsfreien und aussagkräftigen Nachweismethoden gearbeitet. In der Forschung zur Reinigung und somit einer Dekontamination ist bisher vorrangig an Holzoberflächen geforscht worden. Die hier vorgestellten Methoden wirken oberflächlich. Die Forschung sowohl zur Detektion als auch zu den verschiedenen Dekontaminationsverfahren wird weitergeführt. Auch andere organische Materialien sind von der Biozidbelastung betroffen. Eine große Gruppe bilden Textilien. Hier ist die Reinigung mit flüssigem Kohlenstoffdioxid nachgewiesener Weise effektiv. Daher sollten in diesem Bereich dringend fortführende Forschungen stattfinden. Der deutliche Bedarf liegt hier auch darin, überhaupt mit einer entsprechend technisch ausgerüsteten Anlage arbeiten zu können, um ganze Sammlungsbestände reinigen zu können. Anzumerken ist noch, dass in den meisten Fällen von einer Dekontaminierung gesprochen wird, welches zu Fehleinschätzungen beim sicheren Umgang mit belastetem Sammlungsgut führen kann. Es handelt sich häufiger um eine Reduzierung der Biozidbelastung, die jedoch auch einen großen Gewinn für den Erhalt der Gesundheit der Menschen bringt, die im Umfeld eines kontaminierten Objekts arbeiten müssen.
In absehbarer Zeit wird ein Publikation zu den vorgestellten Projekten herausgegeben.