21.07.2019

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Live-Restaurierung eines Computers mit über 100-jähriger Geschichte


„Wir erhoffen uns neue Erkenntnisse zu Bau- und Funktionsweise des Gezeitenrechners“

In Bremerhaven kann man heute Nachmittag noch bis 17:00 Uhr Restaurator Tim Lücke über die Schulter schauen. Er arbeitet im Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) an der Restaurierung der ersten deutschen Gezeitenrechenmaschine während der laufenden Ausstellung

Das rare Exemplar wurde 1915 in Potsdam gebaut und ist eine von nur insgesamt Dreien, die damals in Deutschland entwickelt wurden. Weltweit gibt es weniger als dreißig stationäre Gezeitenrechner. Und nur einige davon sind öffentlich zugänglich. „Man kann die Gezeitenrechenmaschine durchaus als einen der ersten deutschen Computer bezeichnen,“ erklärt Dr. Martin Weiss, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM). „Sie arbeitet zwar analog-mechanisch und wurde nur für eine spezifische Aufgabe konstruiert, aber sie lässt sich programmieren.“ Man berechnete damit die Daten für die in der Schifffahrt wichtigen Gezeitentafeln. Jahrzehntelang wurde die Maschine genutzt. 1975 kam sie dann ans damals neu gegründete Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) und wird seitdem ausgestellt. „Leider sind keine Dokumente in Bezug auf die Technik bei der Konstruktion erhalten geblieben – die Maschine selbst jedoch ist vollständig intakt bewahrt,“ führt Martin Weiss weiter aus.

Für eine vollständige Restaurierung demontiert, reinigt und baut Tim Lücke sämtliche Einzelteile der Maschine wieder zusammen. Allein mehr als 1000 Zahnräder hat der mehr als zwei Tonnen schwere Rechner. Jedes Teil dokumentiert Tim Lücke anhand von Fotos, schriftlichen Aufzeichnungen und kleinen Videos. „Wir erhoffen uns durch diese Reinigung neue Erkenntnisse zu Bau- und Funktionsweise der Maschine,“ berichtet Wissenschaftshistoriker Martin Weiss. „Das Ziel ist dabei, die Maschine wieder funktionstüchtig zu machen. „Die deutsche Gezeitenrechenmaschine von 1915 ist damit von immensem technik- und wissenschaftshistorischen Wert, sowohl in Bezug auf die Entwicklung von Rechenhilfen, aber auch weil sie die Besonderheiten des häufig kriegsbedingten Einsatzes von Technik in Deutschland im 20. Jahrhundert widerspiegelt.“ Tim Lücke, leitender Restaurator am Sächsischen Industriemuseum, kommt seit diesem Frühjahr jeden Monat für eine ganze Woche nach Bremerhaven, um dort vor Ort zu arbeiten. Bis Anfang 2020 soll das Projekt dauern. Die Live-Restaurierung findet direkt neben der Virtual-Reality-Sonderausstellung „360⁰ Polarstern“ im Neubau statt.

Das umfangreiche Restaurierungs-Projekt fördert die Kulturstiftung der Länder in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Stiftungszentrum. Das deutsche Schifffahrtsmuseum ist eines von acht Leibniz-Forschungsmuseen in Deutschland und zählt mit seinen mehr als 80 Mitarbeitern und rund 8000 Quadratmetern Ausstellungsfläche zu den größten maritimen Museen Europas.

 

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