05.12.2016

Projekte

Kulturgut Automobil


Vorgehensweisen zum Erhalt historischer Automobile

 

Aufbauend auf der Charta von Turin (2013) setzte sich die Technische Hochschule Köln zum Ziel, in einem interdisziplinären Forschungsprojekt aus Restauratoren und Fahrzeugtechnikern neue Vorgehensweisen zur Bewahrung des automobilen Kulturguts zu erforschen. Mittelpunkt dieses Forschungsprojekts bildet der Vis-à-Vis Motorwagen Typ A, Nummer 125.

 

Wohl keine technische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts hat die Gesellschaft in den Industrieländern in den vergangenen 130 Jahren so nachhaltig beeinflusst wie das Automobil mit Verbrennungsmotor. Es ist hierbei nicht nur die rein technische Entwicklung, sondern vor allem die immaterielle Auswirkung, welche mit der Erfindung des Automobils, dessen Verbreitung und der dazugehörigen Industrie zur Veränderungen im gesellschaftlichem und sozialen Bereichen führte. Beim Erhalt von automobilen Kulturgut stellt gerade die vielfältige Komplexität aus der materiellen und immateriellen Ebene wie der verwendeten Materialien, der Herstellungsprozesse, des Design, die technischen Abläufe und Funktionsweisen in Kombination mit der Entwicklungsgeschichte, der individuellen Nutzungsgeschichte und den Auswirkungen auf die Gesellschaft ein Spannungsfeld dar, welches nicht nur durch eine einzelne wissenschaftliche Disziplin gelöst werden kann.

In den letzten beiden Jahrzehnten setzen sich im Wesentlichen zwei Vorgehensweisen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten durch. Das traditionelle Vorgehen folgt dem Ansatz „besser als neu“ und reduziert das Automobil auf die technische Ebene. Der Schwerpunkt liegt hier bei der ingenieurtechnischen und handwerklichen Leistung und Vermittlung der Technik. Bei der Vermittlung der Technik steht meist der Erhalt bzw. die Wiederherstellung des Fahrbetriebs und des interpretierten ursprünglichen Erscheinungsbilds im Vordergrund. Der Bezug zur individuellen Fahrzeug- und Nutzungsgeschichte sowie der soziokulturelle Hintergrund sind hier von nur untergeordneter Bedeutung. Dieses Vorgehen führt in vielen Fällen dazu, dass die Fahrzeuge komplett überarbeitet werden, was meist mit tiefen unwiderruflichen Eingriffen in die historisch gewachsene Substanz verbunden ist. Durch diese Eingriffe verliert das Automobil seine geschichtlichen Kontext und seinen Wert als historische Quelle und Informationsträger. Diese Vorgehensweise richtet sich in den meisten Fällen an Sammler, welche die historischen Automobile auch im Fahrbetrieb nutzen. Die Veröffentlichung der Charta von Turin führte hier aber zu Sensibilisierung bezüglich der historischen Substanz und einer Diskussion, wie zukünftig mit historischen Automobilen umzugehen ist.

 

Die zweite, wissenschaftliche Vorgehensweise legt den Schwerpunkt auf die ganzheitliche Erforschung des Automobils mit dem Ziel, die individuellen Bedeutungsebenen zu erforschen und deren soziokulturelle Einflüsse und Auswirkungen benennen zu können. Dies umfasst den Erhalt des Immateriellen, wie die Erforschung der individuellen Fahrzeug- und Nutzungsgeschichte im Kontext mit der geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser Vorgehensweise stellt die wissenschaftliche Dokumentation aller Phasen, von der Zeit der Nutzung bis hin zur Nicht-Nutzung des Automobils dar. Das historische Automobil wird in seiner Gesamtheit und maximalen Aussagekraft erhalten. Die Wahrung des Authentischen, Historischen steht hier vor der Rekonstruktion eines interpretierten Ursprungszustands. Der Erhalt oder die Wiederherstellung des Fahrbetriebs sind hier meist nicht von vorrangiger Bedeutung. Diese Vorgehensweise entspricht den Leitlinien von Museen – Sammeln, Bewahren und Vermitteln.

Beide Ansätze haben, entsprechend des Blickwinkels, ihre Berechtigung, erfassen aber nicht die Gesamtheit der historischen Automobile. Ein Automobil wird erst durch seine Geschichte, verbunden mit den soziokulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhängen zum Kulturgut. Ein Automobil ohne Funktion verliert den Bezug zum Entwicklungs- und Herstellungsprozess sowie seiner Nutzung und eigentlichen Bedeutung.

 

Forschungsprojekt Automobil

Die Technische Hochschule Köln, das Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft unter der Leitung von Friederike Waentig und das Institut für Fahrzeugtechnik haben sich das Ziel gesetzt, in einem interdisziplinären Forschungsprojekt von Geistes- und Ingenieurswissenschaften neue Strategien zum Erhalt von automobilem Kulturgut zu erforschen. Der Ansatz des Forschungsprojektes ist es, Vorgehensweisen zu entwickeln, welche die gesamte Aussagekraft des automobilen Kulturguts auf materieller wie immaterieller Ebene bewahrt. Gerade in einer Zeit, in welcher die Technik des Automobils vor elementaren Veränderungen bezüglich des Antriebs und der Fahrzeugführung steht, ist der Erhalt von historischen Fahrzeugen in ihrer vollen Aussagekraft notwendig. Dies beinhaltet die technischen Komponenten und deren Funktionsweise in der Kombination mit dem Erhalt der vorhandenen historischen Substanz und im Kontext soziokulturellen, gesellschaftliche und geschichtlichen Aspekte. Nur durch den gesamtheitlichen Erhalt alle dieser, ineinandergreifenden Elemente ermöglicht es, historischer Automobile als Informationsträger und in voller Aussagekraft für die für die kommenden Generationen bewahren.

Den vollständigen Beitrag zu “Kulturgut Automobil”  finden Sie in der RESTAURO 08/2016 (Erscheinungstermin 9. Dezember 2016).

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