23.09.2023

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Jüdische Stätten in Erfurt sind nun UNESCO-Welterbe

Am 17. September 2023 hat das Welterbekomitee entschieden: Erfurt wird in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen. Foto: © Steve Bauerschmidt
Am 17. September 2023 hat das Welterbekomitee entschieden: Erfurt wird in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen. Foto: © Steve Bauerschmidt

Wir gratulieren! Am 17. September 2023 hat das Welterbekomitee entschieden: Erfurt wird in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Die Sitzung in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad wurde live in den Rathausfestsaal übertragen. Dort hatte die Stadt zum Public Viewing eingeladen

Vernachlässigung, Vergessen und Desinteresse sind nicht schön, müssen jedoch nicht immer schlecht sein. In Erfurt führten sie zum Erhalt bedeutender mittelalterliche jüdischer Stätten. So bedeutender Stätten, dass die städtische Synagoge, das jüdische Ritualbad und ein mittelalterliches Profanhaus jetzt den Welterbetitel verliehen bekommen haben. Es ist der 52. in Deutschland und der fünfte für Thüringen. Seit 1996 gehört das Bauhaus in Weimar zum Welterbe, seit 1998 das Klassische Weimar, 1999 kam die Wartburg hinzu, 2011 der  Nationalpark Hainich.


Die drei mittelalterlichen Erfurter Gebäude gehören zu den ältesten Zeugnissen jüdischen Lebens in Europa

Die neu in den Kreis der Welterbestätten aufgenommenen drei mittelalterlichen Erfurter Gebäude gehören zu den ältesten Zeugnissen jüdischen Lebens in Europa. Die Synagoge, mit Bauteilen aus dem späten 11. Jahrhundert und anderen von 1270, gilt sogar als älteste erhaltene Synagoge Europas. Das Ritualbad in Flussnähe entstand Anfang des 12. Jahrhunderts. Das Becken des Bades wurde nach der Vertreibung der Juden aus der Stadt 1452 zugeschüttet, die Anlage als Keller benutzt. Im Steinernen Haus, einem um 1200 errichteten Privathaus in der Altstadt, haben sich die Bemalungen der Deckenbalken aus der Zeit der Erbauung erhalten. Damit sind sie die ältesten ihrer Art in einem Profanhaus nördlich der Alpen. Auf ihre jüdischen Besitzer verweisen sie nicht. Der Beweis, dass das Haus von einer jüdischen Familie bewohnt wurde, konnte anhand von Steuerlisten nachgewiesen werden.


Mit der UNESCO-Entscheidung gingen Jahre der Entdeckungen, Überraschungen, Restaurierungen und der Vorbereitungen zu Ende

Für Erfurt gingen mit der UNESCO-Entscheidung Jahre der Entdeckungen, Überraschungen, Restaurierungen und der Vorbereitungen zu Ende. Denn die jüdischen Stätten in Erfurt waren lange vergessen. Die Synagoge wurde seit einem Progrom 1349 als Lagerhalle genutzt, später als Gaststätte. 1988 kletterte Rosita Peterseim, eine Mitarbeiterin des Denkmalamtes, durch ein Fenster der Herrentoilette und entdeckte Bauteile der Synagoge. Alte Quellen hatten sie zur Gaststätte geführt. Später kaufte die Stadt das Gebäude und sicherte es damit. Heute ist es ein Museum zur Geschichte des Erfurter Judentums. Ausgestellt ist auch der „Erfurter Schatz“, der im Keller eines Nachbarhauses gefunden wurde. Der Schatz besteht aus 30 Kilogramm Gold und Silber. Darunter waren neben Münzen und Barren mehr als 600 Schmuckstücke jüdischer Goldschmiedekunst und ein besonders prächtiger jüdischer Hochzeitsring. Der Schatz war wohl kurz vor dem Progrom 1349 von seinen Besitzern vergraben – und erst 650 Jahre später wiedergefunden worden.


Ein Welterbezentrum soll entstehen

Die Geschichte der neuen Erfurter Welterbestätte ist voller solcher zufälliger Entdeckungen. Auch das Ritualbad wurde bei Bauarbeiten entdeckt. 2007 stürzte am Fluss Gera eine Mauer ein. Bevor das Gelände neu gestaltet wurde, untersuchte die Archäologin Karin Sczech das Gebiet. Da in den städtischen Schriften von einem Ritualbad in der Nähe des Flusses gesprochen wurde, war sie besonders aufmerksam – und fand Kragsteine und Sandsteinblöcke der Mikwe. Damit, so wird es heute in Erfurt beschrieben, war klar, dass sich in der Stadt die komplette Infrastruktur der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde erhalten hat. Synagoge und Ritualbad können bereits besichtigt werden, das „Steinerne Haus“ muss noch restauriert werden. Ein Welterbezentrum soll ebenfalls entstehen. Mit den Erfurter jüdischen Stätten wurde zum zweiten Mal jüdisches Kulturgut in Deutschland zum Welterbe erklärt. 2021 wurde der Titel bereits den Schum-Stätten in Mainz, Worms und Speyer verliehen.

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