04.02.2016

Museum

Historische Schlüssel und Schlösser

Buchcover: Historische Schlüssel und Schlösser, Foto: GNM

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg präsentiert erstmals nach 1868 wieder einen umfassenden Bestandskatalog der Schlüssel und Schlösser, die seit 1852 bis 2009 gesammelt wurden. Bearbeiter ist Manfred Welker, Schlossermeister und promovierter Kunsthistoriker, der sowohl seine handwerklichen Fachkenntnisse, als auch die einer kunsthistorischen Einordnung in diesen Katalog einfließen lässt.

Zunächst muss man sich fragen, sind heute gedruckte Bestandskataloge überhaupt noch sinnvoll und an wen richten sich derartige Spezialwerke? Letzteres ist einfach zu beantworten. Es sind Restauratoren, Kunsthistoriker und Volkskundler, die hier einerseits interessante Details und – das ist wohl der Hauptgrund – eine Datierungshilfe an die Hand bekommen, die eine Einordnung ähnlicher Schlüssel und Schlösser ermöglichen. Schwieriger ist die Antwort des ersten Teils. Man hat sich daran gewöhnt, alles im Internet zu finden, muss aber immer wieder feststellen, dass dort nicht alles verfügbar ist. Bestandskataloge, die man in die Hand und in die Sammlung mitnehmen kann, bilden auch weiterhin das „Grundwerkzeug“ einer Einordnung und Bestimmung von Objekten.

Welker hat vor dem Katalog eine Einführung zur Herstellung und geschichtlicher Entwicklung von Schlüssel und Schloss vorangestellt. Besonders interessant sind die beiden ersten Kapitel (Schlüssel und Schloss /Material). Wie eine Werkstatt in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in Prag und in Frankreich zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausgestattet war, erfährt der Leser auf zwei Seiten – allerdings fast ohne Kommentar oder Auswertung der Quellen. Auch das folgende Kapitel über das Schmiede- und Schlosserhandwerk und deren Organisation in Nürnberg wird exemplarisch und eher überblicksartig behandelt. Dies ist verständlich, da die Sammlung hauptsächlich aus Objekten aus Nürnberg und Umgebung besteht.

Interessant sind die in Nürnberg geforderten Meisterstücke – auch im Vergleich mit Würzburg, Leipzig und Frankreich. Welker gibt hier Hinweise, wie man evtl. ein Meisterstück identifizieren kann (S.34, Einzelteile geschraubt, Punzen).

Abschließend geht der Autor auf die Sammlungsgeschichte ein. Ein beachtlicher Teil stammt aus dem früheren Bayerischen Gewerbemuseum (ggr.1869, seit 1989 im GNM).

Der Katalog selbst umfasst 336 Objekte und ist in Objektgruppen aufgeteilt: Schlüssel (Nr.1-141) und Schloßtypen (Vorhänge-, Truhen- und Türschlösser; Nr.142-336). Weitere Unterarten werden jeweils in einer Einführung kurz erläutert. Jede Kat.-Nummer setzt sich aus einer Abbildung, einer Beschreibung und einer Einordnung im Vergleich mit anderen Stücken zusammen.


Welker Kat. 135, Foto: GNM
Welker Kat. 136, Foto: GNM

Besonders groß ist der Bestand an mittelalterlichen Schlüsseln seit dem 10. Jahrhundert. Die Sammlung endet mit Schlössern des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Lediglich zwei Schlösser repräsentieren das 19. Jahrhundert. Anscheinend endet dort die Sammlungsgeschichte. Industriell gefertigte Schlösser sind nicht mehr gesammelt worden – im Gegensatz zu Schlüsseln.

Im Anhang befindet sich u.a. ein sehr hilfreiches Glossar und eine Bibliographie. Ergänzen könnte man diese noch um den Versteigerungskatalog „The Fischer Collection of Ironworks, Die Fischer Sammlung von Schmiedekunst“ von Sothebys in Amsterdam vom 15.12.1998 (Sale AM0717).

Im Katalog wurden eingebaute Schlösser in Möbeln etc., die sich im GNM befinden, nicht erfasst. Hier hätte man sich zumindest einige exemplarische Abbildungsbeispiele gewünscht, da die Schlösser meist mit den Handgriffen und Scharnierbänder einheitlich geschaffen wurden.

Welker Kat. 137, Foto: GNM

Obwohl der Name des Museums für eine Sammlungstätigkeit aus dem gesamten deutschen Raum steht, bildet diese Sammlung eindeutig den süddeutschen und mitteldeutschen Raum ab. Norddeutsche Schlüssel oder Schlösser gibt es nicht (Kat.Nr.232 ist spanisch/französisch). Auch in diesem Fall hätte man sich zumindest eine fachliche, kurze Einschätzung gewünscht. Diese hätte erläutern können, inwiefern es gravierende Unterschiede gibt oder ob aus dem Süden Innovationen in den Norden gelangten oder umgekehrt. Hier gibt es also noch Forschungsbedarf und gleichzeitig wird ein Anreiz geschaffen, die Bestände in den norddeutschen Museen ebenfalls „modern“ zu erschliessen. Besonders für das Mittelalter ist diese Region interessant, da man in der Lüneburger Heide beispielsweise die größte Dichte von erhaltenen mittelalterlichen Möbeln (mit Schlössern) in Europa findet.

Obwohl Welker selbst schreibt, dass der Katalog einen „Überblick über die Entwicklungsgeschichte dieser Gattung“ nicht liefern kann, muss man jedoch feststellen, dass hiermit ein umfassendes und sorgfältig erarbeitetes Nachschlagewerk entstanden ist, das jedem, der sich über das Thema informieren und sich damit beschäftigen möchte, die Anschaffung sehr zu empfehlen ist.

 

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