Seit 1999 leitet sie das Institut für Konservierung und Restaurierung an der Wiener Angewandten. Für RESTAURO zog Prof. Dr. Gabriela Krist Zwischenbilanz über ihre Tätigkeit. Ein Gespräch aus
globaler Perspektive zu Ausbildung, Zukunft der Restaurierung und der Rolle von Technologie
RESTAURO: Frau Prof. Dr. Krist,Sie kommen soeben ausBangkok, wo die Angewandte einen neuen Joint-Master mit der Silpakorn-Universität durchführt. Was ist das Besondere an diesem Master-Studium?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Das Besondere an diesem neuen, zweijährigen Joint Master Programm „Cultural Heritage Conservation and Management“ ist, dass es zwei Studierenden-Gruppen gibt. Die einen aus Südostasien an der Silpakorn-Universität, die andere internationale Gruppe an der Angewandten in Wien. In Bangkok sind die ersten Studierenden Thailänder_innen und ein Vietnamese. In Wien kommen die Studierenden aus Indien, Bangladesch, dem Iran, der Türkei, aus Deutschland und aus Österreich. Also ein großes Spektrum vor allem aus Asien. Das Programm in Bangkok läuft bereits voll, hier in Wien starten wir im März. Ich habe in Bangkok alle Studierenden getroffen. Und alle freuen sich auf ein gemeinsames Arbeiten im Sommer in Wien. Es steht den Studierenden auch offen, uns zu Restaurierprojekten nach Nepal oder nach Albanien zu begleiten, wenn es Corona erlaubt.
RESTAURO: Was zeichnet das Curriculum aus?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Zunächst, dass es diese zwei unterschiedlichen Studierendengruppen gibt. Die eine an der Angewandten hat bereits den Master in der Konservierung abgeschlossen. Da es in Thailand oder überhaupt in Südostasien so gut wie keine Restaurierungsprogramme gibt, mussten wir für Thailand natürlich offener sein. Die Studierenden dort kommen aus unterschiedlichsten Feldern. Kunst, Kunstgeschichte und Architektur, wobei sie einen Master in ihrem Fach haben, postgraduale Kurse gemacht haben und bereits in der Konservierung und des Konservierungsmanagements arbeiten. Das Besondere wird sein, mit diesen beiden Studentengruppen an einen gemeinsamen Strang zu ziehen. Das verbindende Element dabei ist Asien und asiatische Kunsttechnologie, die wir noch nicht so wirklich aus wissenschaftlicher Perspektive kennen. Und als Quintessenz natürlich das gemeinsame Lernen voneinander. Der Joint Master ist ein Experiment, der nichts Vergleichbares in der Welt aufzuweisen hat, daher blicken wir ganz gespannt auf diese erste Runde.
Der Plan ist auch, dass die Studierenden an der Angewandten gewissermaßen auch Lehrfunktionen für die andere Gruppe aus Thailand übernehmen und Teaching-Erfahrung sammeln, und vielleicht einmal in Asien arbeiten oder asiatische Sites betreuen möchten. Daher wird es auch Seminare zur Didaktik für Studierende geben.
RESTAURO: Was ist der Fokus in Bangkok?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Bei der Gruppe an der Silpakorn-Universität sehen wir schon das Restaurieren im Vordergrund, denn ausgebildete Restaurator_innen, die auch praktisch arbeiten, fehlen in Asien. Also der Lehrgang soll ein erster Schritt sein, die Silpakorn-Universität als Anlaufstelle vor allem für Südostasien zu sehen, die Restaurator_innen ausbildet. Klar ist natürlich, dass ein zweijähriges Programm nicht mit einem fünfjährigen Programm wie in Wien oder in Deutschland konkurrieren kann. Wir haben in Thailand aber auch vor, an der Silpakorn-Universität einen Bachelor einzurichten, sodass irgendwann für den asiatischen Raum ein fünfjähriges Programm zur Verfügung steht.
RESTAURO: Zurück nach Europa. Hier halten Wien und Dresden an fünfjährigen Diplomstudien fest. Hat sich die Bologna-Architektur für Konservierung und Restaurierung nicht bewährt?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Österreich war zurückhaltend beim Bologna-Prozess, Deutschland ist sehr schnell auf dieses Pferd aufgesprungen. Natürlich, in Deutschland ist das Ländersache und viele Hochschulen wurden auch gezwungen, sofort umzusteigen, manche freiwillig. Wir haben gesehen, wie viele Implikationen Bologna mit sich bringt, unter anderem mit dem gleichen Personal zwei Studienprogramme und Abschlüsse parallel führen zu müssen, das hat uns natürlich schon sehr abgeschreckt. Das Abwarten war sicherlich eine gute Sache, wir hörten von den Erfahrungen und blieben beim Diplom, wurden darin von unserer Universität unterstützt, wobei Österreich auch nicht zum Umstieg gezwungen wurde. Also ich glaube damit sind wir gut gefahren und viele ausländische Kolleg_innen beneiden uns darum. Für die letzten 20 Jahre war es der bessere Weg. Wie das in Zukunft weitergeht, wird man sehen. Alle neuen Studienprogramme müssen ja als Bachelor und Master konzipiert werden, auch in Österreich!
RESTAURO: Aber reicht ein Bachelorabschluss für die Tätigkeit als Restaurator?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Alle Grundsatzpapiere zum Restaurierungsstudium sagen, dass ein Bachelor-Absolvent quasi nur ein conservation technician sein kann, der unter Anleitung arbeitet. Erst mit dem Master ist man befähigt, selbstständig zu arbeiten. Ich glaube wie man es nennt ist egal, aber es müssen einfach Minimum fünf Jahre sein. Wichtig ist, dass die Bachelors nicht als voll ausgebildete akademische Restaurator_innen beschäftigt werden, denn das hätte natürlich Auswirkungen in Zeiten wie diesen, wo Museen finanzielle Engpässe haben. Gerade jetzt nach Corona würden Museen vermutlich sehr gerne billigere Bachelors einstellen. Das Diplom ist damit auch eine Qualitätskontrolle.
RESTAURO: In Deutschland gab es im vergangenen Jahr bereits Warnstreiks für bessere Bezahlung. Was muss getan werden, um die Einkommenssituation zu verbessern und die Situation der Restaurator_innen aufzuwerten?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Österreich im Vergleich zu Deutschland oder überhaupt Europa ist sehr gut aufgestellt. Akademische angestellte Restaurator_innen verdienen am Museum genauso viel wie ein Chemiker, eine Kunsthistorikerin, ein Kurator mit gleichem akademischen Abschluss. Das erste akademische Restaurierungsstudium in Österreich entstand in den 1930er Jahren. Der Restaurator ist damit ein akzeptierter und gleichberechtigter Partner im musealen Bereich. Auch im freiberuflichen Bereich muss man sich keine Sorgen machen, sofern man in größeren Ateliergemeinschaften oder im Verband arbeitet. Wichtig, wie gesagt, ist die Qualität der Ausbildung.
RESTAURO: Wohin entwickelt sich aus Ihrer Sicht die Restauratorenausbildung in ganz Europa?
Prof. Dr. Gabriela Krist: Als ich junge Restauratorin und noch Assistentin an der Akademie der bildenden Künste in Wien in den 1980er Jahren war, hat man sich sehr an England orientiert und an der Restaurierung dort an den großen Häusern, vor allem in London. Wenn wir uns die letzten 20 Jahre anschauen, hat es in England durch Einschnitte im Kulturbudget extrem negative Entwicklungen gegeben. Dort ist nun das schnelle und nicht mehr das forschende Restaurieren, wie es bei uns möglich ist, Thema. England ist für uns kein Vorbild mehr. Auch Ausbildungsprogramme wurden extrem gekürzt. War noch in meinen jungen Jahren Hamptoncourt in der Textilrestaurierung ein Vorbild, hat man heute einen einjährigen Master in Glasgow. Ich glaube also schon, dass Deutschland und Österreich oder auch Tschechien mit seinen qualitativen fünfjährigen Ausbildungsprogrammen jetzt den Maßstab in Europa gelegt haben.
Wo geht es in der Zukunft hin: Ich würde mich freuen, wenn es bei uns keine Einschränkungen und Kürzungen im Kulturbudget wie in England geben wird. Fachlich wird es in Zukunft mehr in die Sammlung gehen. Natürlich darf die Einzelrestaurierung nicht zu kurz kommen. Aber ich bin überzeugt, dass Gelder, die in Sammlungsbestände gehen, gut investiert sind. Es wird schwerpunktmäßig um die Entwicklung nachhaltiger, bestandserhaltender Sammlungskonzepte gehen und man wird auch Museumsgebäude und Depots evaluieren müssen in Hinblick auf Klimawandel und die Nachhaltigkeit.
Lesen Sie weiter in der RESTAURO 3/2022.
Seit 1999 leitet Prof. Dr. Gabriela Krist das Institut für Konservierung und Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst Wien. Seit 2019 ist sie auch Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls, der die internationale Tätigkeit des Instituts im Erhalt des Weltkulturerbes unterstützt.