24.08.2019

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Eine logistische Meisterleistung

Bonn 2019 / AMS 691
Bonn 2019 / AMS 691

„Paris ist immer eine gute Idee“, soll Audrey Hepburn gesagt haben. Das dachte man sich wohl auch in der Kunsthalle Würth und holte sich Paris kurzerhand ins idyllische Schwäbisch Hall. Aktuell ist dort die Ausstellung „Von Henri Matisse bis Louise Bourgeois“ mit Meisterwerken aus dem Musée d’art moderne de la Ville de Paris zu sehen (bis Mitte September 2019). Das Pariser Museum zeigte sich außerordentlich großzügig und ermöglichte einen wunderbaren Überblick über die französische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Eine wahre Augenweide.

Die aus Paris entliehenen Arbeiten können ihr Potential in den großzügigen Räumlichkeiten der Kunsthalle Würth voll entfalten. Einige ausgeliehenen Werke wie etwa ein Riesenformat Robert Delaunays oder die frühen Gemälde des lange Zeit von der Kunstwelt als Kitschmaler verspotteten Bernard Buffet scheinen wie geschaffen für die Räume, in denen sie jetzt zu sehen sind. Buffets „Femme au filet“ von 1948 etwa lädt zu einer Neubewertung des vielgeschmähten Künstlers ein. Gezeigt werden klassische Tafelbilder, Assemblagen, Readymades und Skulpturen von 101 Künstlern aus den Jahren 1901 bis 2013. Die Liste der Künstler liest sich mit Hans Arp, Daniel Buren, Alexander Calder, Marino Marini, Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely u.a. wie ein Who is Who der internationalen Moderne. Dass trotz der Fülle der teils raumgreifenden Werke eine so präzise wie beeindruckende Zeitreise entsteht, ist das Verdienst der Kuratorinnen beider Häuser: der Kunsthalle und des Pariser Museums. Robert Delaunays Eiffelturm aus dem Jahr 1926 ist das Signet der Ausstellung und steht gewissermaßen für das Lebensgefühl von Paris. Delaunays Blick von oben auf den Eiffelturm und dessen gekappte Spitze steht für eine neue Perspektive auf die Stadt. Die Ausstellung ist in chronologische Blöcke gegliedert. Die Fauves, die jungen Wilden um Matisse, André Derain und Raoul Dufy sind mit farbig glühenden Bildern vertreten. Die schwere Bronze „Komposition“ von Otto Freundlich, 1911 entstanden und das erste abstrakte Werk in Paris überhaupt, stellte an die Transportlogistik zweifellos ganz besondere Herausforderungen. Ein Raum ist den Künstlern des Nouveau Réalisme wie Arman, Daniel Spoerri, Jacques Villeglé und Yves Klein gewidmet. Villeglé, der zu den Affichistes zählt, zu den sogenannten Plakatabreißern, ist mit seinem großformatigen „19.03.1965 Motorrad, Avenue Ledru-Rollin“ vertreten. Klein mit der Skulptur „Blaue Venus“, die 1960 in einer seiner legendären Körpermalerei-Performances entstand. Die knapp sechseinhalb Meter hohe Spinne aus Bronze und Stahl von Louise Bourgeois, 1911 in Paris geboren, 2010 in New York gestorben, ist ein absoluter Blickfang. Auch von Annette Messager gibt es eine wichtige Arbeit zu sehen: „Dooomestic“ ist ein Ensemble aus Stoffwülsten und Stofffiguren, das auf das Domestizieren wilder Tiere und auf den Begriff „doom“, das englische Wort für Untergang, anspielt. Nach der Berliner Nationalgalerie, dem Londoner Victoria and Albert Museum und der Wiener Akademie der bildenden Künste ist nun also das Musée d’Art moderne de la Ville de Paris mit 200 Meisterwerken von 101 Künstlern in der Kunsthalle Würth zu Gast.

Wie aber sah das Procedere von Kuratoren, Art Registrars, Restauratoren, Logistik etc. im Einzelnen aus? Die Ausstellung hat das Haus mit Sicherheit vor große logistische Herausforderungen gestellt. Welche Maßnahmen wurden getroffen, um einen sicheren Transport der Werke zu ermöglichen? Wie erfolgte die Auswahl der Kunstwerke und die Konzeption der Räume, die jeweils einer Künstlergruppe oder einer Stilrichtung gewidmet sind? Welche Herausforderungen ergaben sich bei der Aufstellung bzw. Hängung der Objekte? RESTAURO sprach darüber mit Sylvia Weber, Geschäftsbereichsleiterin Kunst und Kultur in der Würth-Gruppe.

RESTAURO: Wer hatte die Idee zu der Zusammenarbeit mit dem Pariser Museum? Gab es schon vorher Kontakte zwischen den beiden Häusern?
Sylvia Weber: Der Initialfunken zur Ausstellung „Von Henri Matisse bis Louise Bourgeois“ kam von Prof. Dr. h. c. Reinhold Würth, Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrates der Würth-Gruppe, und Fabrice Hergott, Direktor des Musée d‘Art moderne de la Ville de Paris, der seit 2005 Mitglied des Kunstbeirats der Würth-Gruppe ist.

Wie sah die zeitliche Planung der Ausstellung aus? Wann gab es die ersten Vorgespräche?
Knapp zwei Jahre vor Eröffnung trafen wir uns zu ersten Vorgesprächen. Von da an griff die Arbeit der Kuratoren, Projektmanager, Registrare, Restauratoren, Kunstspediteure, Szenografen, Kunstvermittler, Veranstaltungsmanager, Öffentlichkeitsarbeiter, Lektoren, Übersetzer, Grafiker und Drucker Schritt für Schritt ineinander – ein Expertenteam von über fünfzig Profis legte Hand an, ehe wir Vernissage feiern konnten.

Gab es Objekte, die das Transportunternehmen bei der Verpackung vor besondere Herausforderungen gestellt haben?
Sylvia Weber: Alle unsere Ausstellungen werden von ausgewiesenen Kunstspeditionen bewegt Kunst zu transportieren ist immer eine Kunst. Bei jedem Objekt ist größte Vorsicht vonnöten, um es während des Transports vor Feuchtigkeit, Stößen und Temperaturschwankungen zu schützen. Karl Valentin wird das Bonmot zugeschrieben „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ – das gilt umso mehr, wenn sie Hunderte von Kilometer verreist. Skulpturen können zu hart aufgesetzt werden, Oberflächen zerkratzen oder berieben werden, Leinwände können sich verziehen und reißen, Farbpartikel abfallen. Da nützt bei unsachgemäßer Behandlung alle Verpackung nichts. Aber natürlich muss Kunst das Abenteuer Reise mitunter auf sich nehmen, damit sie einem neuen Publikum begegnen kann.

Auf welche Weise wurde die Sicherheit der Objekte während des Transports gewährleistet?
Oberstes Gebot ist: Handle with care! Vorsicht, Kunst! Klimatisierung und Luftfederung der Fahrzeuge sind heute Standards bei jedem Kunsttransport. Darüber hinaus entscheiden vor allem die Maße, das Gewicht, die Fragilität des Kunstwerks und der Transportweg darüber, welchen besonderen Schutz ein Objekt braucht – Tyvek und Luftpolsterfolie sind fast immer im Einsatz bevor ein Gemälde in die mit dickem Schaumstoff ausgestatteten Klimakisten eingesetzt wird, wo es dann gleich einer Prinzessin in einer Sänfte thront.

Lesen Sie weiter in der RESTAURO 6/2019. Diese Spezial-Ausgabe widmet sich dem Thema Art Handling, www.restauro.de/shop.

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