19.10.2015

Beruf

Echt falsch!

 

Über legale Leinwandkopien und die Grenzen des Urheberrechts

Ein Gespräch mit Dr. Anke Schierholz, Justiziarin der VG Bild-Kunst, zum Urheberrecht und den Unterschied zwischen einer Fälschung und einer legalen Kopie eines Bildwerkes. Die VG Bild-Kunst vertritt die Urheberrechte von über 54.000 Künstlerinnen und Künstlern, die Bildwerke erschaffen. Neben dem Abschluss von Lizenzverträgen kontrolliert die VG Bild-Kunst den Eingang und die Verteilung der vereinbarten Vergütungen und engagiert sich darüber hinaus auf nationaler und internationaler Ebene für die Stärkung der Urheberrechte.

Der Fall Beltracchi hat vor einigen Jahren für großes Aufsehen gesorgt. Inwiefern waren hier urheberrechtliche Fragen betroffen?
Dr. Schierholz: Der Fall Beltracchi hat leider mit dem Urheberrecht nur wenig zu tun. Das Urheberrecht ist im Bereich von Fälschungen, die im Kunsthandel auftauchen, nur dann betroffen, wenn es sich um die Vervielfältigung eines bestehenden und geschützten Werkes handelt. Aus urheberrechtlicher Sicht kann man gegen Fälschungen nur dann vorgehen, wenn es einen Bezug zu einem bereits bestehenden Werk gibt und es sich um mehr als eine freie Bearbeitung handelt. Eine Fälschung geht über eine bloße Anregung hinaus, wenn zum Beispiel Details aus dem Original übernommen werden.

Die von Beltracchi auf den Markt gebrachten Fälschungen sind nach historischen Schwarzweiß-Abbildungen verschollener Bilder entstanden. Hier ist also kein geschütztes Werk betroffen?
Dr. Schierholz: Im Grunde doch, in die Causa Beltracchi war die VG Bild-Kunst nur nicht involviert. In der Regel werden wir von Auktionshäusern einbezogen, wenn es Zweifel an einem zur Auktion stehenden Bild gibt. Normalerweise kennen die Auktionatoren ihr Kunstgebiet und die Werkpalette der von ihnen vertretenen Künstler sehr gut. Wenn beispielsweise ein „verschollener Beckmann“ untergeschoben werden soll, erkennen sie dies in der Regel. In Zweifelsfragen wird dann die Polizei eingeschaltet, welche die betreffenden Bilder beschlagnahmt. Wir werden von der Kriminalpolizei angefragt und stellen den Strafantrag nicht nur wegen Betrugs, sondern auch wegen Urheberrechtsverletzung.

Die VG Bild-Kunst ist also für die strafrechtliche Verfolgung dieser Delikte zuständig, nicht jedoch für die Untersuchung auf restauratorischer oder naturwissenschaftlicher Ebene?
Dr. Schierholz: Genau. Zwar können wir manchmal schon erkennen, dass ein Detail auf einem vermeintlichen Beckmann-Gemälde von einem anderen Künstler stammt, aber das ist die Ausnahme. Wir pflegen die Rechte, die materiellen Untersuchungen werden durch die Galerien und Auktionshäuser vorgenommen.

Das Urheberrecht ist abzugrenzen von der Möglichkeit, legale Kopien von einem Werk zu erschaffen. Wann zum Beispiel darf ich ein Bild ganz legal „abmalen“ und ausstellen?
Dr. Schierholz: Das ist möglich, wenn der Urheber, also der Künstler, länger als 70 Jahre tot ist. „Einfach tot“ reicht nicht, es müssen mindestens 70 Jahre seit dem Tod vergangen sein. Dieser Umstand führt oft zu Missverständnissen im Sinne von „ich darf doch den Picasso abmalen, der ist doch tot“. Das ist zwar richtig, aber im Kontext des Urheberrechts verfehlt. Auf der anderen Seite darf jeder im Rahmen der Privatkopie Kunstwerke kopieren, egal ob händisch, fotografisch oder anderweitig. Das ist jederzeit möglich, nur dürfen diese Kopien dann nicht veröffentlicht werden. Weder in einer Arztpraxis noch im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses. Darüber hinaus gibt es das Recht zur Bearbeitung, welches erlaubt, bestehende und geschützte Werke zu bearbeiten. Das betrifft in erster Linie Übersetzungen, vor deren Veröffentlichung die Zustimmung des Originalautors nötig ist. Das Recht der Bearbeitung gilt aber auch für Bildwerke.

Es gibt Malerateliers, die sich auf das Kopieren von Bildern spezialisiert haben. Dürfen Bilder von Künstlern, die über 70 Jahre tot sind, als 1:1-Kopie nachgemacht werden oder braucht es eine Abgrenzung, zum Beispiel durch ein anderes Format?
Dr. Schierholz: Diese Werke sind frei, also nicht mehr urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen in jedem frei wählbaren Format reproduziert werden. Ein Problem entsteht dann, wenn so eine legale Fälschung später mit der Behauptung auf den Markt gebracht wird, es sei das Original. Dann liegt ein Betrug vor. Dieser Behauptung kann durch die Wahl eines anderen Formates, dem Anbringen einer Signatur auf der Rückseite oder durch andere Abänderungen, die augenfällig sind, abgeholfen werden. Fälschungsprozesse wie der Fall Beltracchi sind vor allem Betrugsprozesse, wenn jemand behauptet, im Besitz des Originals zu sein – was nicht stimmt. Ein Betrug liegt vor, wenn einem Bild eine Aura gegeben werden soll, die in der Öffentlichkeit gar nicht besteht, da es sich um ein einfach gemaltes Bild handelt.

Das heißt, auch das Aufbringen einer Signatur auf einer legalen Kopie ist kein urheberrechtliches Problem?
Dr. Schierholz: Genau, denn solange ich nicht behaupte, es sei das Original, ist es kein Problem. Die Zweifel, eine Signatur auf einer Kopie anzubringen, stammen aus den alten Kujau-Prozessen. Konrad Kujau hatte behauptet, Bilder von Kandinsky und Picasso zu besitzen. Im Betrugsprozess wurde er wegen Urkundenfälschung verurteilt, da die Unterschrift des Künstlers das Werk sozusagen beglaubigt und vermeintlich zum Original macht, was ja nicht zutrifft. Diese Urteilsbegründung klingt nach heutigen Maßstäben einigermaßen absurd, war aber der einzige Angriffspunkt.

Offenbar sind in der Vergangenheit des Öfteren schon Restauratoren zu Kunstfälschern geworden. Mal gab es einen Prozess wegen gefälschter Nussbaum-Werke, mal wegen Cranach-Gemälden. Geht von unserer Berufsgruppe eine überdurchschnittliche Gefahr aus?
Dr. Schierholz: Restauratoren beherrschen natürlich die Technik des Malers ganz ausgezeichnet. Wenn jemand präzise weiß, wie es geht, ist es natürlich ein guter Restaurator. Und sicher gibt es mal das ein oder andere schwarze Schaf, so wie es hin und wieder einen Polizisten gibt, der mit Drogen dealt. Doch eine besondere Gefahrgeneigtheit ist aus dem Berufsbild überhaupt nicht abzuleiten.

Was denken Sie, woher kommt der Wunsch, sich bzw. seine Wohnung mit einer Kopie als Ersatz für das Original zu schmücken?
Dr. Schierholz: Die Motivation ist mir auch nicht klar. Ich muss davon ausgehen, dass der bildungsbürgerliche Impetus eine große Motivation für die Anschaffung von Leinwandkopien ist. Eine Leinwandkopie gilt als Attribut für einen Kunstsinn – wie auch die Brockhaus-Enzyklopädie mit Goldschnitt –, als bildungsbürgerliches Schlüsselsignal und Ausdruck von Gediegenheit. Das scheint mir ein eher kleinbürgerlicher Gedanke, dass ein Gemälde auf Leinwand per se wertvoll ist. Dabei hat so eine Kopie nicht mehr Wert als ein Poster des gleichen Werkes aus dem Museumsshop.

Wo liegt Ihrer Erfahrung nach der bevorzugte Markt für gemalte Kopien berühmter Gemälde?
Dr. Schierholz: Vor einigen Jahren wurde der europäische Markt massiv von chinesischen Kopien, die durchaus von guter Qualität waren, überschwemmt. Anfänglich handelte es sich vielfach um geschützte Werke, wir mussten auf den Messen regelmäßig die Stände abräumen. Bei so einer Aktion erfuhr ich, dass sich der Markt für diese Kopien auf Deutschland, Belgien und Norditalien beschränkt. In England finden sich vereinzelt Abnehmer, dagegen ist das Interesse in Frankreich und den Niederlanden gleich Null.

Das Interview führte Heike Schlasse.

 

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