Gute Ausstellungen, eine klassische Öffentlichkeitsarbeit und überzeugende Besucherbetreuung reichen heute nicht mehr aus. Museen müssen darüber hinaus sichtbar werden – nicht nur analog, sondern auch digital
Digital Optimisation, Suchmaschinenoptimierung, Lead Generierung und Digital Storytelling: Die Liste der Zauberwörter für mehr Internetpräsenz und Reichweite ließe sich beliebig fortsetzen. Museen sehen sich immer mehr damit konfrontiert, digitale Strategien zu entwickeln. Um nachhaltig Erfolg zu haben, reichen gute Ausstellungen, eine klassische Öffentlichkeitsarbeit und überzeugende Besucherbetreuung schon lange nicht mehr aus. Museen müssen darüber hinaus sichtbar werden – nicht nur analog, sondern auch digital. Mit digitalem Storytelling, Platzierung von SEO optimiertem Content und Social Media Events sorgen digitale Experten für mehr Sichtbarkeit auch im Netz.
Die Geschäftsführerin des Museumsverbands Sachsen-Anhalt, Susanne Kopp-Sievers weiß, dass die Institutionen viel Geld einplanen müssen, um im Internet Präsenz zu zeigen. Doch von den 165 vom Museumsverband vertretenen Museen leistet sich aktuell nur ein einziges Haus einen Online-Redakteur. Auch die Träger müssten zusätzliche Mittel bereitstellen, sagt Kopp-Sievers: „Das Land fördert Digitalisierung von Beständen, Anleihen, Objektdatenbanken, aber die Kommunen als Träger müssen Eigenanteile aufbringen, und da hört es dann auf.“
In Baden-Württemberg ist mit dem Leitfaden „Open up! Museum“ ein Konzept erschienen, um Kultureinrichtungen bei der Implementierung digitaler Strategien zu unterstützen. Das Internet – und hier vor allem die sozialen Netzwerke – wird inzwischen von allen Altersgruppen für Information, Austausch, Recherche und Unterhaltung genutzt. Durch die neuen Technologien verändern sich die Gesellschaft, die Märkte und die Unternehmen – also auch die Museen. Nur die Akteure, die sich den neuen Herausforderungen stellen und sie Schritt für Schritt meistern, können sich erfolgreich positionieren und auf Dauer bestehen, so der Tenor des Leitfadens. Dabei sollte die Digitalisierung vor allem auch als Chance begriffen werden, um Menschen zu erreichen und sie in Wertschöpfungsketten mit einzubinden: „Why digital engagement?Because it’s one of the best opportunities we’ve had in decades to really reach and engage other people, work with them on ideas that are bigger than us and generate value together”, so Visser und Richardson in ihrem Buch „Digital Engagement in Culture, Heritage and the Arts”.
Viele Einrichtungen begegnen den veränderten Ansprüchen mit Widerstand, da es vielerorts an Zeit, Geld und Know-How fehlt, um die Häuser zukunftsfähig zu machen und neue Trends und Technologien in museale Konzepte einzubinden. Würde dies gelingen, dann wäre die Chance für einen fruchtbaren Dialog zwischen Museum und Bürgern groß, so der baden-württembergische Leitfaden. Denn wenn sich die Welten von Museum und Publikum nicht nur physisch, sondern auch digital miteinander verbänden, dann könnte ein digitales Engagement bei dem Besucher und Museen im Dialog zusammen neue Inhalte entwickeln.
In diesem Prozess spielen insbesondere die sozialen Medien eine herausragende Rolle. Neben marketingstrategischen Maßnahmen können sie auch als Lernumgebung und für die Vermittlung von Inhalten genutzt werden. Grenzen zwischen musealem und öffentlichem Raum können so abgebaut werden und eine Kultur der Partizipation an Wertschöpfungsprozessen entstehen. Beispielsweise gelingt dies im Online-Diskurs über zeitgenössische Fotografie auf Blogs, wie sie das Fotomuseum Winterthur anbietet. Spannende Aktionen gelingen auch, wenn Kuratoren mit Mitarbeitern aus Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik Social Media-Aktionen zusammen gestalten. So können Kulturinteressierte Einblicke in die Vorbereitung der nächsten Schau erhalten und ein tieferes Verständnis für die Komplexität von Präsentationen erhalten. Das Musée Unterlinden bietet zum Beispiel online auf Facebook und vor Ort seinem Publikum die Gelegenheit, den Restauratorinnen und Restauratoren bei ihrer minutiösen Arbeit am Isenheimer Altar über die Schulter zu schauen. Führen die digitalen Eindrücke dann die Besucher zu einer analogen Erfahrung ins Museum, schließt sich der Kreis. Aber auch wenn die analoge Begegnung ausbleibt, hat kulturelle Teilhabe stattgefunden. Denn durch die Möglichkeit des Nachvollziehens, Miterlebens und Kommentierens werden passive Konsumenten zu Impulsgebern für neue Prozesse.