14.12.2015

Projekte

Die Dingpflegschaft

Armin Herrmann
Datierung: um 1900.

 

Das Berliner „Werkbundarchiv – Museum der Dinge“ macht seine Besucher zu „Dingpflegern“ und finanziert mit den Pflegebeiträgen säurefreie Kartons und Reinigungen seiner Objekte

Vase in Katzenform Dekor „Tigris“. Foto: Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin, Armin Herrmann
Stielglas aus Satz von mehrfarbigen Weingläsern Datierung: um 1900. Foto: Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin, Armin Herrmann

 

Purzel, das Aralmännchen, war bis vor kurzem noch zu haben. Der Kartoffelstampfer auch, ebenso wie eine Holzhand und ein hellblauer Tropfenfänger. Sie alle warten auf ihren „Dingpfleger“, einen Paten, der für ein Jahr und für mindestens 40 Euro, höchstens 500 Euro ein Museumsstück in Pflege nimmt.

Die so genannten „Dingpflegschaften“ sind eine Idee des Berliner „Werkbundarchivs – Museum der Dinge“, einer sehr besonderen Einrichtung in der Berliner Museumslandschaft. Steht bei ihm doch das alltägliche Ding, das Design ohne große Namen – obwohl es auch viele namhafte Designerstücke gibt – im Vordergrund. Präsentiert in großen Schrank-Vitrinen, manchmal nach Farben, manchmal nach Formen oder Verwendungszweck geordnet, erschließt sich dem Besucher seine ganz profane Alltagswelt in neuen Zusammenhängen und originellen Ansichten.

Das Museum bietet damit nichts weniger als eine Hommage an die oft benutzten, meist nur wegen ihrer Funktionalität gewürdigten Dinge des täglichen Lebens: Kaffeekannen, Aschenbecher, Schlüssel, Lichtschalter, Werkzeuge, Spielzeug.

Tischventilator „QL II“, Datierung: unbekannt (DDR). Foto: Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin, Armin Herrmann
Glaskrug Süssmuth F2 Hersteller: Richard Süssmuth Glashütte, Datierung: 1952. Foto: Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin, Armin Herrmann

 

Seit acht Jahren lädt das Museum immer Anfang Dezember zu einem „Dingpflegetag“, an dem es den Besuchern die Möglichkeit eröffnet, sich die Ausstellungsstücke vor Ort auszusuchen, einen Pflegebetrag auszuhandeln und dann ein Jahr lang, ein „eigenes“ Ausstellungsstück im Museum zu haben. Die „Hoffnungskuh“ hat auf diesem Weg einen Pfleger bekommen, der Melitta Schnellfilter Nummer 102 auch und für eine Babyrassel liegt bereits eine Reservierung vor.

Viele andere Stücke warten noch. Insgesamt 120–140 Pflegeverträge schließt das Museum jedes Jahr mit seinen Besuchern aus ganz Deutschland ab. Manche pflegen seit Jahren „ihren“ Gegenstand, manche wechseln. Unternehmen sind unter den Pflegern, Familien und viele Liebhaber.

„Natürlich ist so eine Dingpflegschaft ein Kommunikationsinstrument“, sagt Museumsdirektorin Renate Flagmeier. „Andere Museen haben Fördervereine, wir haben unsere Dingpfleger.“ Allerdings geht es ihr nicht nur um Besucherbindung. Das Geld, das mit den Pflegschaften ins Museum kommt, wird gezielt für Restaurierung, Pflege und Ankauf eingesetzt. Mit den etwa 6.000 Euro, die mit den Dingpflegschaften jährlich eingenommen werden, ermöglichen die Förderer den „Dingen“ des Museums ein Leben in säurefreien Kartons und Mappen. Bei kleineren Reparaturen und Reinigungen hilft das Geld ebenfalls. Das reicht bei den meisten Objekten. Für größere Restaurierungsprojekte muss das Museum dann doch Fördermittel beantragen.

Wer den Dingpflegetag in diesem Jahr verpasst hat, kann eine Patenschaft auf der Internetseite des Museums abschließen. Unter dieser Adresse gibt es ein buntes Angebot kleiner und großer, vergessener, lieb gewordener, längst nicht mehr benutzter „Dinge“ des Alltags, die gern gepflegt werden möchten.

Scroll to Top