27.06.2018

Branchen-News Porträts

Die Aufgaben haben sich kontinuierlich erweitert


Auch hier ist Forschung dringend nötig

„Es gibt ein Problem? Wir können sagen, wir haben eine Lösung!“ Ein Porträt der Berliner/Brandenburger Firma „Art Detox“. Diese dekontaminiert, beurteilt, berät und forscht. 

Nein, bereut haben sie ihre Unternehmensgründung noch nie, da sind sich Anke Weidner und Heino Handelmann einig. Sie hatten dazu aber auch nicht allzu viel Zeit. Denn in den vergangenen sieben Jahren gab es nicht nur viel zu tun in ihrer Firma „Art Detox“, die sich mit der Dekontamination von Kulturgütern beschäftigt. Die Aufgaben wurden immer vielfältiger. „Am Anfang dachten wir, wir würden viel praktische Dekontamination machen. Aber wir haben schnell gemerkt, dass es einen enormen Bedarf an Beratung und Vermittlung gibt“, sagt Anke Weidner, eine der drei Gründer der „Art Detox“ GmbH mit Sitz in Rühstädt (Brandenburg) und Berlin.

Denn Dekontamination von Einzelstücken, bestimmten Sammlungsbeständen oder ganzen Sammlungen ist ein großes Thema. Wie groß, das war den Unternehmensgründern 2011 gar nicht so klar. Anke Weidner, die diplomierte Restauratorin mit einem zusätzlichen Master of Arts für den „Schutz europäischer Kulturgüter“, Heino Handelmann, der Ingenieur mit dem gleichen Zusatzstudium zum „Schutz europäischer Kulturgüter“, und Olga Wildgruber, die Finanzdirektorin des Unternehmens, sahen anfangs ihre Chance in der noch neuen Anwendung von flüssigem Kohlendioxid bei der Dekontamination von Kulturgütern, besonders von Leder und Textilien.

Mittlerweile ist das eine von vielen Methoden, die sie, ihre Angestellten und die bis zu zehn freien Mitarbeiter anwenden. Denn wenn „Art Detox“ gerufen wird, dann geht es schnell um Beratung einer vollständigen Sammlung, um das komplette Depot oder um die Gefährdungsbeurteilung eines ganzen Museums. Schätzungsweise 30 bis 70 Prozent der Objekte in Museumssammlungen, Archiven, Bibliotheken sind belastet. Das betrifft vor allem ethnologische und naturkundliche Sammlungen, aber auch historische Textilien und Holzobjekte. „Standardaussagen sind schwierig. Manchmal ist ein komplettes Objekt kontaminiert, bei ethnologischen Stücken können es auch nur die Federn oder Haare sein. Bei Holzstatuen gibt es den Fall, dass ausschließlich die Füße gegen Schädlinge behandelt wurden“, sagt Heino Handelmann. Betrachtet man die Liste ihrer jüngsten Projekte, dann zeigt sich diese Vielfalt deutlich: „Art Detox“ dekontaminierte Gemälde, Möbel und Waffen im Staatlichen Museum Schwerin, eine private Teppich- und Kelimsammlung in Berlin, reiste zu einer Gefährdungsbeurteilung von archäologischem Kulturgut ans Landesmuseum Württemberg in Stuttgart, dekontaminierte 40.000 Bibliotheksbände des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin. Momentan hängen die Paramenten aus der katholischen Kirche St. Maternus in Wegberg-Merbeck in Nordrhein-Westfalen in den Berliner Werkstattträumen. Sie müssen wegen eines Brandschadens behandelt werden.

Dass die Dekontaminierer von „Art Detox“ so viel zu tun haben, liegt weniger daran, dass sie keine Konkurrenz in Deutschland haben, sondern vielmehr daran, dass die Firma in einer Zeit gegründet wurde, in der Museumskuratoren sich wieder mehr mit ihren Sammlungen beschäftigten und begannen, Ausstellungen mit den eigenen Werken zu machen. Während sie die Sammlungen wiederentdecken, entdecken sie auch deren Schäden. Und die sind oft additiv, denn vergangene Generationen behandelten bereits behandelte Objekte. In der Folge reagierten alte Substanzen mit neueren Substanzen. Die Reaktion bedeutet oft allerdings nicht mehr Schutz, sondern die Ausbildung von Resistenzen, sodass Objekte voller vermeintlich schützender Fremdsubstanzen von neuen Schädlingen befallen werden. „Wir folgen heute dem Minimierungsgebot“, sagt Anke Weidner und verweist auf eine weitere Säule ihrer Arbeit – die Forschung. Zusammen mit ihren Kollegen arbeitet sie jährlich an einem Forschungsprojekt mit oder initiiert es selbst. Forschung mache nicht nur Spaß, sondern sei dringend nötig, denn ihre Arbeit bedeute oft, Neuland zu betreten. So gebe es bisher keine Standards für ihre Arbeit. Deshalb träumt Anke Weidner von Forschungsprojekten, die verschiedene Methoden an verschiedenen Materialien „grundlegend durchprüfen“, sodass am Ende verbindliche Messwerte und ein Katalog gängiger Methoden existieren.

Dipl.-Ing. Heino Handelmann M.A. hat einen Master of Arts in „Schutz Europäischer Kulturgüter“ (Europa-Universität Viadrina) und ist für die technische Leitung und den Bereich Forschung und Entwicklung verantwortlich.

Olga Wildgruber M.A. hat einen Master of Business Administration Entrepreneurship (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin). Sie ist Finanzdirektorin und für das strategische Management des Unternehmens zuständig.

Dipl.-Rest. (FH) Anke G. Weidner M.A. ist Fachrestauratorin für historische Textilien und Objekte aus Leder. Sie hat einen Master of Arts in „Schutz Europäischer Kulturgüter“ (Europa-Universität Viadrina) und ist für die Kundenbetreuung und die Begleitung von Analysen, Dekontaminationen und Gutachten zuständig.

 

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