Die Landessammlungen Niederrösterreich arbeiten mit fortschrittlichen Strategien, um ihr Kulturerbe für künftige Generationen zu erhalten
Sie gelten als kulturelles Gedächtnis des Landes Niederösterreich und stellen auch dessen größten mobilen Wert dar: die Landessammlungen Niederösterreich. Ihr Bestand – durch Schenkungen, Ankäufe, archäologische Grabungen sowie die Übernahme von Vor- und Nachlässen wuchs er im Laufe der Zeit auf beachtliche sechs Millionen Objekte an – spiegelt die historische und gesellschaftliche Entwicklung dieser unverwechselbaren Kulturlandschaft wider.
Herr über dieses gewaltige Erbe ist Mag. Armin Laussegger. Der ausstellungserfahrene Historiker verantwortet als Leiter des Teams der Landessammlungen Niederösterreich sämtliche im Besitz des Landes befindlichen musealen Objekte und sorgt dafür, dass sie bewahrt und erhalten, aber auch gezeigt werden. Um verborgene Schätze aus dem Depot zu holen, wurde 2014 als wichtiges kulturpolitisches Ziel in Niederösterreich eine eigene Sammlungsstrategie verabschiedet.
Das Land und die Donau-Universität Krems gründeten daraufhin gemeinsam das Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften, um die Landessammlungen weiter zu erforschen und daraus Impulse für die Arbeit in den einzelnen Museen zu entwickeln, etwa für das Museum Niederösterreich, die Römerstadt Carnuntum, das Karikaturmuseum Krems oder die neue Landesgalerie Niederösterreich, die derzeit in Krems entsteht (s. S. 42f.). Seit 2014 setzt sich Armin Laussegger daher auch als Leiter dieser neu gegründeten Abteilung im Department für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Kremser Universität mit Sinn und Zweck des musealen Sammelns, mit Sammlungen und Sammlungsverhalten auseinander.
Niederösterreich geht mit dieser Kooperation bei der Erforschung von Museumssammlungen also ganz neue Wege. „Das im letzten Herbst eröffnete Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich und die neue Landesgalerie Niederösterreich sind ebenfalls das Ergebnis der 2014 beschlossenen Sammlungsstrategie“, fügt Armin Laussegger hinzu. Denn diese definiert auch, dass man mehr Ausstellungsfläche braucht, um die Objekte, die von der Bevölkerung nachgefragt werden (und auch im Landeseigentum stehen), den Bürgern adäquat zu präsentieren.
Eine grundsätzlich niederösterreichische Besonderheit, die den Objekten der Sammlung im Hinblick auf die langfristige Erhaltung außerordentlich zugutekommt, ist die Aufteilung musealer Strukturen: Der eine Bereich ist der reine Ausstellungbetrieb, der andere beschäftigt sich ausschließlich mit Sammlungen, mit der Forschung an den Objekten und mit der Erhaltung. Wie es dazu kam?
„Als auf Bundesebene Ende der 1990er-Jahre begonnen wurde, die Bundesmuseen aus der Ministerialverwaltung zu lösen, wurden sie in eigene Rechtskörper überführt“, erklärt Armin Laussegger. „In Niederösterreich wurde ein anderer Weg gewählt, indem nur der Betrieb ausgegliedert wurde, d. h. das Ausarbeiten der Ausstellungsinhalte, die Kulturvermittlung, das Facility Management, das Marketing, die PR und der Museumsshop.“
Die Sammlungen selbst blieben beim Land Niederösterreich und werden bis heute vom Fachbereich „Landessammlungen Niederösterreich“ in der Abteilung Kunst und Kultur verantwortet. „Das Sammeln, Bewahren und Forschen findet daher für alle Museen zentral statt“, führt Armin Laussegger weiter aus. „Wir pflegen in Bezug auf die Ausstellungsobjekte und -inhalte eine sehr enge Kooperation mit den wissenschaftlichen Leitern des jeweiligen Ausstellungsbetriebes. Meine Rolle und die meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist die Bereitstellung der Sammlungsobjekte, der objektbezogenen Informationen und die Beratung in konservatorischer und restauratorischer Hinsicht. Ein Wechselspiel zwischen den beiden unterschiedlichen Institutionen.“
Diese Zweiteilung trägt positiv zur Einhaltung der langfristigen Sammlungsziele bei. „Bei Museen gibt es klassischerweise immer den Trade-off zwischen den kurzfristigen ausstellungspolitischen und den langfristigen Sammlungszielen. Vielfach werden in Museen finanzielle Mittel für Marketing und Ausstellungen zu Lasten der Sammlungspflege umgeschichtet. Durch unser niederösterreichisches System können die Sammlungen langfristig und nachhaltig planen; die kurzfristigen Ausstellungsziele werden im Museum definiert und müssen mit den Sammlungen auf Augenhöhe verhandelt werden.“
„Objekte vor dem Verfall zu schützen und für kommende Generationen zu bewahren, garantiert den Wert einer Sammlung“, betont Armin Laussegger. „Die Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften gewinnen in diesem Kontext zunehmend an Bedeutung.“ Das zeigt sich im Organigramm der Niederösterreichischen Landessammlungen: Die Chefrestauratorin – Diplom-Restauratorin (Univ.) Christina Schaaf-Fundneider bekleidet dieses Amt seit zwei Jahren – ist auf der gleichen hierarchischen Ebene mit den Leitern der einzelnen Sammlungsbereiche.
Eine sehr fortschrittliche Entwicklung für die Stellung der Restauratoren und Konservatoren im Vergleich zu Museen im deutschsprachigen Raum. „Bei unseren regelmäßigen Sammlungsleitertreffen herrscht ein sehr wohlwollender und wertschätzender Umgang miteinander. Kustoden und Restauratoren sind ebenbürtige Partner und führen konstruktive Diskussionen. Die Restaurierung ist uns ein wichtiges Anliegen.“ Und so ist auch das Sammlungs- und Forschungszentrum mit einer Nutzfläche von 8000 Quadratmetern nach modernsten Standards ausgestattet. Es gibt verschiedene Depotbereiche für die unterschiedlichen Objektgruppen und einen Bürotrakt für die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen.
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