Wenn man Sie nach Malerinnen fragt: Wie viele fallen Ihnen ein? Es werden wahrscheinlich wenige sein und es wird nicht nur Ihnen so gehen. Gemeinsam mit dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza möchte das Arp Museum in Remagen dies ändern. Die äußerst sehenswerte Ausstellung „Maestras“, die eine Kooperation zwischen dem Remagenern und dem Madrider Museum ist, widmet sich nun den Malerinnen, die einst bewundert wurden, aber dann in Vergessenheit gerieten. Dieser Blick auf die Künstlerinnen ist in der Kunstgeschichte nicht ganz neu, so publizierte bereits 1971 Linda Nochlin den Aufsatz „Why Have There Been No Great Women Artist?“. Der Aufsatz führte 1976 zu einer einflussreichen Ausstellung, die jedoch nur in den USA gezeigt wurde. Der Wandel bei der Betrachtung von Kunst von Frauen hat sich an den Universitäten schon früher vollzogen und ist nun auch an den Museen immer stärker bemerkbar.
Von Hildegard von Bingen bis Sonia Delaunay-Terk
Das Arp Museum beginnt seine Ausstellung, anders als das Madrider Museum bereits im Mittelalter bei den klösterlichen Malerinnen und spannt einen Bogen über die Renaissance, das Barock, das 19. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es wird dabei deutlich, dass Frauen in der Kunst lange Zeit Anerkennung genossen, sich diese aber dann ab dem 19. Jahrhundert wieder erkämpfen mussten. Die umfassende Schau stellt den Besucherinnen und Besuchern 51 Malerinnen und 69 ihrer Werke aus acht Jahrhunderten vor. Neben bekannten Namen wie Hildegard von Bingen, Artemisa Gentileschi, Élisabeth Vigée-Le Brun, Mary Cassatt oder auch Sonia Delaunay-Terk finden sich auch viele Meisterinnen, die in Vergessenheit gerieten.
Goldenen Zeiten für Künstlerinnen
Die Ausstellung des Arp Museums gliedert sich in fünf Abschnitte und beginnt mit den Malerinnen des Mittelalters, die sich insbesondere auf die Buchmalerei spezialisierten, aber auch als Autorinnen in Vorschein traten. Neben der sehr bekannten Hildegard von Bingen lernt man auch weniger bekannte, aber nicht weniger beeindruckende Frauen wie Gisela von Kerssenbrock kennen. Unter dem Titel „Zwischen Licht und Schatten. 1200–1700“ werden dann auch Künstlerinnen der italienischen Renaissance und des Barocks, die von dem sich ändernden gesellschaftlichen Klima profitierten, vorgestellt. Ihr Stand war zwar nicht immer einfach, doch viele von ihnen genossen zu Lebzeiten große Aufmerksamkeit, so berichtet beispielsweise Giorgio Vasari über einige dieser Meisterinnen ihres Fachs. Die Besucherinnen und Besucher lernen neben der bekannten Artemisia Gentileschi unter anderem auch Sofonisba Anguissola und Lavinia Fontana kennen.
In den Niederlanden der Barockzeit setzte sich diese Entwicklung fort und zog sich weiter über England und Deutschland. Im 18. Jahrhundert kamen viele Herrscherinnen an die Macht, die durchaus willens waren ihre Geschlechtsgenossinnen zu fördern. Dieser Zeit des Aufbruchs und Umbruchs widmet sich das Kapitel „Vive l’esprit – Ein Hauch von Freiheit. 1700–1800“. Neben den adligen Herrscherinnen bestimmten die Salons, meist mit einer Salonnière an der Spitze, das gesellschaftliche Leben. Sie agierten als Mäzeninnen aber auch als Vor-Denkerinnen und förderten Karrieren. Malerinnen wie Élisabeth Vigée Le Brun oder auch Angelika Kauffmann eröffneten sogar ihre eigenen Salons und bauten sich so ein Netzwerk auf, von dem auch junge Malerinnen profitierten. In diese Zeit fallen auch wegweisende Entdeckungen in der Erforschung der Natur, unter dem Titel „Naturforscherinnen. 1600–1800“ widmet sich die Remagener Ausstellung Frauenpersönlichkeiten wie Maria Sibylla Merian, der Naturforscherin schlechthin, aber auch Stilllebenmalerinnen wie Gesina ter Borch, die aus der berühmten niederländischen Künstlerfamilie stammte, werden vorgestellt. Zudem lernt man Rachel Ruysch kennen, der die Alte Pinakothek in München im Herbst dieses Jahres eine eigene Ausstellung widmet.
Abruptes Ende einer Blütezeit
Die Errungenschaften und Freiheiten des 18. Jahrhunderts sind im 19. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Der Aufklärer Jean-Jacques Rousseau propagierte gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Kernfamilie und war der Ansicht, dass das Aufgabenfeld von Frauen auf Haus und Familie beschränkt sein sollte. Die Konsequenzen daraus für Frauen und Künstlerinnen waren drastisch. Frauen konnten ihre Kreativität nur noch in engen Grenzen ausleben. Traditionelle und neu erfunden Rollenklischees zwängten sie in ein starres Korsett. Sie mussten die Akademien verlassen und konnten nur noch private Kunstschulen besuchen. Die neue Lebenswelt der Frauen findet sich dann auch in den Gemälden der Malerinnen wider: Porträts, häusliche Szenen, oft auch Frauen als Mütter, die sich um die (Kern-)Familie kümmern. Gleichzeitig strebten viele Frauen in den Kunstbetrieb, sie nahmen an den Pariser Salonausstellungen teil und besuchten private Kunstschulen, da man sie von den Akademien verbannt hatte. Sie protestierten und kämpften für ihre Bildung, zunächst mit geringem Erfolg aber ab den 1860er-Jahren trat der Wandel ein. Einer der Gründe, warum Frauen von der Kunstgeschichte vergessen wurden, ist sicherlich auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass Kunstgeschichte als Disziplin im 19. Jahrhundert groß wurde. Die ersten Kunsthistoriker waren nun einmal Männer, die wiederrum über Männer, also Künstler schrieben. Simone de Beauvoir erkannte bereits, „Frauen haben keine Geschichte, auf die sie zurückblicken können.“ und beschrieb ebenjenen Umstand, dass Männer Geschichte von und für Männer schreiben. Nach und nach wurden Frauen im 19. Jahrhundert wieder vermehrt angehört und gegen Ende des Jahrhunderts hatten sie sich wieder ihre Stellung in der Gesellschaft erkämpft. Es war zugleich auch der Beginn der Moderne. Künstlerinnen wie Marie-Victoire Lemoine, Berthe Morisot oder auch Mary Cassatt ebneten den Weg für ihre Nachfolgerinnen wie Suzanne Valadon, Paula Modersohn-Becker, Elena Luksch-Makowsky oder auch Sonia Delaunay-Terk.
Informationen
Die von Dr. Susanne Blöcker für das Arp Museum kuratierte und adaptierte Ausstellung findet vom 25. Februar bis zum 16. Juni statt und wurde in Kooperation mit dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza verwirklicht. Begleitet wird sie von einem Ausstellungskatalog (deutsch, 231 Seiten, 42 Euro), der neben den Biografien der Künstlerinnen auch einen Aufsatz der spanischen Kunsthistorikerin Rocío de la Villa, die sich in ihren Forschungen schon lange mit Kunst von Frauen auseinandersetzt, enthält.