29.03.2018

Kunststück

Aus den Latschen gekippt


Pfahlbausiedlungen – ein Glück für die Wissenschaft

Da staunt selbst der Wissenschaftler: Archäologen bergen von einer steinzeitlichen Pfahlbaufundstelle am schweizerischen Greifensee einen rund 5000 Jahre alten Bastschuh.

Es sind die herkömmlichen Dinge, Gebrauchsgegenstände, Nutzobjekte, die unsere Lebensweise am besten beschreiben und diese nach außen hin verständlich machen. Im Alltag fallen uns die Sachen nicht sonderlich auf, aber wenn man durch sie einen Einblick in eine längst vergangene Zeit erhält, machen selbst die einfachsten Stücke Geschichte greifbar. So ist es auch mit einer außergewöhnlichen Entdeckung, die Zürcher Archäologen bei einer aktuellen Grabung an der Schifflände in Maur machten: ein rund 5000 Jahre alter, fast vollständig erhaltener Schuh. Der Grabungskontext datiert den Fund in die jungsteinzeitliche Horgenerkultur (3300 bis 2800 v. Chr.). Das Besondere: In ganz Europa sind bis heute weniger als zehn solcher Schuhe gefunden worden.

 

Dank seiner hervorragenden Erhaltung lässt sich nicht nur das Material ermitteln, aus dem der Schuh gefertigt wurde, sondern sogar sein Herstellungsprozess nachvollziehen. Lindenbast wurde dafür in etwa 0,5 cm breite Bahnen geschnitten und ohne weitere Behandlung zu einer Sohle mit halb offenem Oberschuh verflochten. Vermutlich trug den Bastschuh eine erwachsene Person – das legt zumindest seine Länge von etwa 26 cm nahe. Und sogar den Grund für seine Entsorgung kann man sich denken: ein großes Loch unter der Ferse.

Die Region um die Fundstelle Maur am Westufer des Greifensees im Kanton Zürich ist bekannt für ihre steinzeitlichen Pfahlbausiedlungen. An der Schifflände erfolgten um 1990 im Auftrag der Kantonsarchäologie genauere Untersuchungen der dortigen Pfahlbauten. Die Wissenschaftler wiesen in 3,5 Metern Wassertiefe rund um den Schiffsteg verschiedene archäologische Schichten aus der Jungsteinzeit nach.

Pfahlbausiedlungen eröffnen uns einen ganz besonderen Blick in die Vergangenheit. Denn während organische Materialien bei herkömmlichen Siedlungsgrabungen eher selten zum Fundspektrum gehören, erhalten sich vergängliche Objekte wie Textilien, botanische Reste, ja sogar ganze Gebäudeteile aus Baumstämmen und Ästen meist sehr gut in Feuchtbodengebieten. Dass sie der natürlichen Zersetzung und der mechanischen Zerstörung widerstehen und gefunden sowie konserviert werden können, ist ein großes Glück für die Wissenschaft. Umso mehr erstaunt die Fülle der Funde aus der aktuellen Ausgrabung in Maur.

In Feuchtbodensiedlungen erhalten sich auch Objekte aus organischen Materialien meist sehr gut, wie hier eine Gewandnadel aus Geweih. Foto: Kanton Zürich
...oder das Fragment einer Schilfmatte gebunden mit Lindenbast. Foto: Kanton Zürich
Auch einen Netzschwimmer aus Pappelrinde mit Netzschnur konnten Unterwasserarchäologen von der Fundstelle in Maur bergen. Foto: Kanton Zürich
Neben dem Bastschuh vermittelt das Textilstück eines Mantels aus Bast und Gras eine leise Vorstellung davon, wie sich die Menschen der Jungsteinzeit kleideten. Foto: Kanton Zürich

Vorsichtige Bergung im Block und Freilegung im Labor

Wegen ihrer empfindlichen Struktur wurden die nun entdeckten Textilfragmente durch Unterwasserarchäologen im Block gehoben. Die eigentliche Freilegung erfolgte im Konservierungslabor. Während des langwierigen Prozesses muss die Feuchtigkeit erhalten bleiben. Um Keimbefall vorzubeugen, ist zudem eine kühle Lagerung notwendig. Dank einer physikalisch-chemischen Behandlung sollen die Funde dauerhaft erhalten bleiben.

Seit Bekanntwerden des historisch so wichtigen Fundplatzes, unterliegt dieser einem Monitoring, um Veränderungen des Zustands zu beobachten und rechtzeitig geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

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