01.03.2017

Projekte

Aufbauarbeiten im Irak

 

Archäologin Simone Mühl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU in München und gräbt seit Jahren im Irak. RESTAURO sprach mit ihr über Arbeitsbedingungen und Aufbauarbeit im Land sowie über ihre Bemühungen, die Bedürftigkeit des Schutzes des irakischen Erbes in die Öffentlichkeit zu bringen.

Inwiefern ist es als Archäologin momentan möglich, im Irak zu arbeiten?

In den verschiedenen Regionen des Irak herrschen sehr unterschiedliche Sicherheits- und damit auch Arbeitsbedingungen für ausländische Projekte. Derzeit ist es möglich, mit einem Sicherheitskonzept im Südirak zu arbeiten, wo ich im Frühjahr 2016 die Möglichkeit hatte, mich bei Projekten deutscher und englischer Kollegen zu beteiligen. Für meine eigene Projektarbeit bin ich seit 2009 in der Autonomen Region Kurdistan tätig. Seit dem Sturz des Regimes 2003 verbesserte sich dort zusehends die Sicherheitslage, sodass man sich ohne militärischen Begleitschutz frei bewegen und arbeiten kann.

Stehen Ihnen die Iraker dabei zur Seite?

Die Unterstützung von unseren Kollegen in den örtlichen Museen und im Antikendienst ist sehr groß und auch die Landbevölkerung ist uns und unserer Arbeit sehr wohlgesonnen. Schließlich sind die Menschen auch sehr stolz auf das Alter der Reste, die wir ausgraben, und sie lernen mit uns zusammen die materielle Kultur und Geschichte der Region kennen.

Ihre irakischen Kollegen müssen zurzeit viel leisten, künftig wohl auch im antiken Nimrud.

Ja, die Hauptarbeit wird sicherlich bei ihnen liegen. Diese Situation bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Fächer wie Archäologie und Restaurierung mit praktischer Anwendung an der Universität Mossul wieder aufzubauen, die die irakische Armee gerade zurückerobert hat. Viele Dozenten wurden getötet oder flüchteten in andere Teile des Landes oder ins Ausland. Ihre Bibliothek wurde vom IS mitsamt den Büchern verbrannt, die Hörsäle und Büros geplündert oder zerstört. Eine Generation von Studenten konnte mehrere Jahre nicht studieren. Die Aufbauarbeit fängt also nicht erst in Nimrud an, sondern ist von grundsätzlicher Natur und daher auch im Bildungssektor anzusetzen. Die Situation wird die Zusammenarbeit vieler Sektoren des irakischen Staats und der Gesellschaft fordern: verschiedene Ministerien, Militär, Klerus und Bildungswesen. Auch die Grundsicherung der Bevölkerung ist mit dem Schutz von Nimrud vernetzt, denn Raubgrabungen werden durch Armut gefördert.

Haben Sie Erfahrung mit der Rettung von kulturellem Erbe im Irak?

Ich habe in der Vergangenheit den Antikendienst der Provinz Sulaymaniyah bei Rettungsgrabungen unterstützt. Ich habe auch Fundorte, die ich bei meiner Arbeit mit dem Team untersuchte, die durch Bauarbeiten in Gefahr waren oder gar schon teilweise zerstört wurden, sofort gemeldet, damit der Antikendienst mit Bauherren, Bauern oder Firmen in Kontakt treten kann, um Schutzkonzepte für die antiken Siedlungen gemeinsam auszuarbeiten. Diese Arbeit ist vergleichbar mit den Vorkehrungen, die auch unsere deutschen Denkmalämter leisten müssen.

Gelten im Irak „besondere Gesetze“?

Ja, im Irak ist die zwischenmenschliche Komponente oft eher Tatsachen schaffend als geltende Gesetze. Daher werden viele Probleme durch Kommunikation gelöst. Den Weg über Gerichte geht man dort erst, wenn es zum Äußersten kommt. So kann oft eine gütliche Einigung gefunden werden, die den Schutz und Erhalt der antiken Fundorte, aber auch alter Gebäude, ermöglicht.

Trotz der Zerstörung irakischer Kulturschätze scheint deren Schutz in der Öffentlichkeit in Deutschland nicht sehr präsent.

Das stimmt. Deshalb habe ich in Deutschland mit Kollegen letztes Jahr den Verein RASHID International e. V. (Research, Assessment & Safeguarding the Heritage of Iraq in Danger) gegründet, mit dem wir im internationalen Verbund eine Lobby für den Kulturschutz im Irak schaffen möchten. Wir haben Projekte initiiert, die die digitale Zugänglichkeit des kulturellen Erbes für eine breite Öffentlichkeit ermöglicht.

Wir möchten mit unserer Arbeit die Öffentlichkeit sensibilisieren und in internationaler Zusammenarbeit Strategien zum Schutz der Weltkulturerbe-Stätten und anderer Kulturgüter im Irak entwickeln und die technische wie auch die fachliche Unterstützung unseres Expertennetzwerks in der Umsetzung bieten.

Das Interview führte Alexandra Nyseth.

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