Köln und Düsseldorf agierten im Kunstbereich in den 1960ern auf Augenhöhe mit New York. Wie war das möglich? Die Kunsthistorikerinnen und Journalistinnen Sabine Oelze und Marion Ritter haben 50 Jahre später Zeitzeugen getroffen und erzählen lassen. Ihr „Audioarchiv Kunst“ ist seit vier Jahren online. Ein Interview über Interviews – und die Zukunft des Oral History Projekts
RESTAURO: Wie ist die Idee des „Audioarchiv Kunst“ entstanden?
Sabine Oelze: Die Idee zum „Audioarchiv Kunst“ entstand bei einem Besuch im Atelier des Malers Gotthard Graubner, der quasi ungefragt über die 1960er Jahre, diese für ihn überaus wichtigen Anfangsjahre in Düsseldorf erzählte. Es tauchten viele Namen auf, die heute kaum noch bekannt sind. Das hat uns neugierig gemacht und auf die Idee gebracht, möglichst viele dieser Personen zu treffen, bevor ihre Sichtweisen verloren gehen. Methodisch sind wir auf der Basis der Oral History vorgegangen, dem Versuch also, Geschichte möglichst lebendig anhand von Zeitzeugenerinnerungen aufzuzeichnen.
RESTAURO: Oral History ist in der Kunstgeschichte bislang eher die Ausnahme. Hat diese Form gut funktioniert? Wie groß war die Bereitschaft? War gezieltes Nachfragen nötig?
Marion Ritter: In der Vielzahl der Gespräche, die wir geführt haben, entstand für uns ein sehr breites und lebendiges Bild der Kunstszene im Rheinland von Ende der 1950er bis zum Beginn der 1990er-Jahre. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen beteiligen sich mit großer Bereitschaft, viele von ihnen sind froh, dass wir ihre Erinnerungen aufzeichnen, um sie kostenfrei und unkompliziert einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Anders als bei Interviews vor einer Kamera sind Audiointerviews sehr viel unmittelbarer und auch einfacher zu führen. Betagtere Menschen haben oft doch eine Scheu, vor einer Kamera zu sitzen, in ein Mikrophon zu sprechen, das dank heutiger Technik nur noch sehr klein ist, macht ihnen dagegen wenig aus. Da Hören insgesamt eine Renaissance erlebt, passen unsere Audiofiles sehr gut in die Zeit und lassen sich als Podcast abonnieren. Auf der Seite audioarchivkunst.de lassen sich aber zusätzlich noch Verbindungen der Zeitzeugen untereinander recherchieren. Wenn etwa Rudolf Zwirner über Kasper König spricht, dann kann man im File von Kasper König auch nachhören, was er über seine Zeit als Lehrling bei Zwirner erzählt. Manchmal fallen die Erinnerungen auch unterschiedlich aus. Da merkt man dann, dass Geschichte von Menschen gemacht wird. Von allen, Künstlern, Sammlern, Galeristen, Kritikern …