26.09.2014

Museum

Archäologie am Tatort

Kalter Krieg: Heute erinnert nur noch eine doppelte Pflasterreihe an den Verlauf der Mauer. Sie führte direkt am Brandenburger Tor und am Reichstag vorbei

 

Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts
Dinge wieder sichtbar machen, die scheinbar noch sehr nahe sind

Ägyptische Pyramiden und Gräber, griechische Tempelanlagen oder alte Römerlager sind wahrscheinlich die ersten Assoziationen beim Begriff Archäologie. Aber es gibt auch Archäologen, die Überbleibsel der Zeitgeschichte ausgraben und auswerten. Diese Zeit scheint vertraut zu sein, jedoch sind viele Dinge, wie zum Beispiel die Berliner Mauer, zum großen Teil verschwunden. Ausgrabungen machen sie wieder sichtbar. Diesem Thema widmet sich die Publikation „Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts“ von Claudia Theune-Vogt.

Nach einem einleitenden Kapitel „Beginn und Entwicklung einer zeitgeschichtlichen Archäologie“ erläutert Claudia Theune im nächsten Abschnitt „Wort – Bild – Objekt: Drei Quellen und ihre Aussagemöglichkeiten“, dass auch in der Archäologie, die sich mit Funden aus dem 20. Jahrhundert beschäftigt, wort-, bild- und objektbasierte Quellen immer gemeinsam betrachtet werden sollten, da nur eine Quelle allein kein umfassendes Bild einer Epoche gibt. Je mehr unterschiedliche Quellen einbezogen werden desto mehr Erkenntnisse lassen sich gewinnen. Im nächsten Kapitel „Der Erste Weltkrieg“ erwähnt die Autorin unter anderem archäologische Ausgrabungen in Frankreich und Belgien. Neben getöteten Soldaten auf dem Schlachtfeld und den sich daraus ergebenden Erkenntnissen spricht sie die „Grabenkunst“ an – Objekte wie Aschenbecher, Tischglocken oder Schmuck, die die Soldaten oder Gefangenen aus Kriegsmaterial wie etwa Geschosshülsen fertigten. Heute geben diese Objekte Einblicke in das Leben der Soldaten.

Theune-Vogt, Claudia: Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts, Sonderheft der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“, Darmstadt 2014, 112 S. mit 100 farb. Abb., € 14,95, ISBN 978-3-8062-2961-5

Das umfangreichste Kapitel dieser Publikation widmet sich mit fast vierzig Seiten dem Zweiten Weltkrieg. „Die Entwicklung und Etablierung einer zeitgeschichtlichen bzw. Archäologie des 20. Jahrhunderts hängt eng mit dem Bestreben zusammen, nationalsozialistische Tatorte aufzudecken. In der Nachkriegszeit und während des Kalten Krieges waren die Relikte oft nicht mehr sichtbar“, erläutert Theune-Vogt und stellt auf den folgenden Seiten unter anderem Ausgrabungen der Massengräber von Katyn vor. Es folgen Darstellungen von Untersuchungen in Konzentrationslagern, insbesondere in Mauthausen sowie im übrigen Europa. Untersuchungen zu Bunkern, Flaktürmen, Schlachtfeldern und weiteren Ruinen schließen dieses Kapitel ab.

Die Erläuterungen des folgenden Abschnitts „Der Kalte Krieg“ betreffen die archäologischen Untersuchungen sowjetischer Speziallager und die der Berliner Mauer. Es werden verschiedenste Funde aus den Lagern – beispielsweise Zuckerdosen – vorgestellt und Grabungen an der Berliner Mauer erläutert. Claudia Theune-Vogt stellt im Abschnitt „Archäologie jenseits von Konflikten“ zum Beispiel Grabungen auf dem Gelände der Gussstahlfabrik Krupp in Essen vor und thematisiert im letzten Kapitel „Archäologie und Erinnerungskultur“. Eine Auswahl von Gedenkstätten und Museen sowie eine Literaturliste schließen das kürzlich erschienene Sonderheft der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ ab, das mit vielen farbigen Abbildungen anschaulich ausgestattet ist. Es bietet einen ersten Einblick in ein sehr interessantes Thema. Sehr lesenswerte Publikation für alle, die sich für die Bewahrung der Spuren unserer Zeitgeschichte interessieren.

Claudia Theune-Vogt ist Universitätsprofessorin für Ur- und Frühgeschichte mit dem Schwerpunkt Archäologie des Mittelalters an der Universität Wien. Sie forscht außerdem zur Verbindung von Archäologie und Zeitgeschichte.

Kalter Krieg: Heute erinnert nur noch eine doppelte Pflasterreihe an den Verlauf der Mauer. Sie führte direkt am Brandenburger Tor und am Reichstag vorbei, der im Hintergrund zu sehen ist. Foto: UHA Wien/Claudia Theune
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