24.08.2016

Museum

Anna Amalia Bibliothek: Wiedereröffnung der Ausstellung

Einkleben der Intarsie in die Fehlstelle des Buchrückens

 

Am 9. Juli 2016 wurde die Ausstellung „Restaurieren nach dem Brand“ aufgrund des großen Erfolgs von 2014/15 in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar wiedereröffnet. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet die Erhaltung der hitze- und wassergeschädigten Einbände. Seit dem verheerenden Brand am 2. September 2004 konnten rund 36.500 Einbände nach Konservierung und Restaurierung wieder in den Bibliotheksbestand zurückgeführt werden.

 

Das Projekt zur Bewältigung der Brandfolgen findet sich in der öffentlichen Wahrnehmung nun auch durch die entwickelten Standards zur Mengenbehandlung wieder. Der langfristige Erhalt originaler Substanz und die Wiederherstellung der Nutzbarkeit bilden dabei die vorrangigen Ziele. Die Entwicklung innovativer Restaurierungstechniken und die Verarbeitung ausgewählter Ergänzungsmaterialien veranschaulichen sehr direkt den hohen Anspruch an die Qualität serieller Erhaltungsmaßnahmen.

 

Nicht ganz so unmittelbar zeigen sich die Techniken der stabilisierenden Konservierung, die bei knapp der Hälfte der Einbände angewendet wurden. Beachtung verdient aber gerade der Zusammenhang zwischen weniger sichtbaren Maßnahmen und übergeordneten Festlegungen, zum Zweck des Originalerhalts. Auch dazu finden sich Beispiele in den Vitrinen und im Begleitbuch zur Ausstellung wieder. So auch für Ledereinbände mit geringem Öffnungswinkel durch feste, versteifte Einbandrücken. Eine Buchstütze und ein durchsichtiger Lesekeil ermöglichen, das Buch bei einem maximalen Winkel von 45° zu benutzen. Bei Einbänden, die sich auf diese Weise öffnen lassen, entfällt ein invasiver Eingriff.

Ledereinband zwischen Buchstütze nach Wolfenbütteler Vorbild und Lesekeil aus Plexiglas. Foto: Klassik Stiftung Weimar, HAAB/Maik Schuck

 

Bei deformierten Gewebeeinbänden kommen sogenannte Befeuchtungskissen zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Hülle aus Baumwolle, die mit feuchten Cellulosefasern gefüllt und an die Verformung der Deckelinnenseite angepasst wird. Innerhalb weniger Stunden erfolgt eine gleichmäßige Feuchtigkeitsabgabe. Das Buch liegt während der Maßnahme zwischen einem weichen Aufbau aus Vliesen und Filzen. Sandsäckchen beschweren bei der Befeuchtung. Nach Herausnahme der Befeuchtungskissen wird die Verformung der Einbanddeckel beim Trocknen unter mäßigem Gewicht vermindert. Gleichzeitig werden empfindliche Bezugsmaterialien geschont. Auch in diesem Fall ist es ausreichend, wenn sich das behandelte Buch mit Hilfe von Buchstütze und Lesekeil wieder benutzen lässt. Mittlerweile konnten mit dieser Methode auch an deformierten Seideneinbänden gute Ergebnisse erzielt werden.

 

Papier-, Leder-, Pergament- und Gewebeeinbände stellen gleichermaßen historische Einbandgruppen dar. Dem entspricht auch der Aufwand, der im Rahmen der Brandfolgenbewältigung zur Entwicklung und Festlegung geeigneter Maßnahmen betrieben wird. Anhaltspunkte für die Entscheidung, ob ein Buch stabilisiert oder restauriert wird, sind das gewachsene Erscheinungsbild und das Verlustrisiko bei einer – ggf. auch eingeschränkten – Nutzung. So werden nicht nur hitze- und löschwasserbedingte Schadensbilder akzeptiert, wenn sie den dauerhaften Erhalt der Einbände nicht gefährden, sondern auch vorhergegangene Reparaturen oder Restaurierungen.

 

Die Ausstellung gewährt Einblicke in das breite Spektrum der verwendeten Techniken und Materialien. Darunter sind es vor allem die Methoden der präventiven und stabilisierenden Konservierung, deren Übertragung auf normale Mengenbestände geplant wird. Die Ausstellung sowie das Begleitbuch entstanden in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim. Der Eintritt ist frei.
Die beiden Kuratoren Prof. Ulrike Hähner, Leiterin der Studienrichtung Schriftgut, Buch und Graphik an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim und Dr. Michael Knoche, Direktor und Dr. Jürgen Weber, stellvertretender Direktor und Abteilungsleiter Bestandserhaltung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar standen der RESTAURO für ein ausführliches Interview zur Verfügung.

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