Kostbare und hochwertige Altarretabel
Die Untersuchung der Altenberger Altarretabel brachte grundlegend neue Erkenntnisse für die Mittelalterforschung. Noch bis 25. September 2016 sind der frühgotische Altar und seine reiche Bildausstattung in der Ausstellung „Schaufenster des Himmels“ im Frankfurter Städelmuseum zu sehen.
Wenn Jochen Sander Ausstellungsvorbereitungen mit Forschungen verbindet, kommt meist Neues, Überraschendes für Forschung und Besucher heraus. So ist es auch im Fall der jetzt eröffneten Ausstellung „Schaufenster des Himmels – Der Altenberger Altar und seine Bildausstattung“. Sander, stellvertretender Städel-Direktor, Gemäldespezialist und Ausstellungskurator, organisierte im Vorfeld der Ausstellung ein Kolloquium zu den Bildprogrammen mittelalterlicher Hochaltäre und ließ den Altenberger Altar, von dem das Städel seit 1925 die Flügel besitzt, maltechnisch untersuchen.
Das war möglich, weil für die Ausstellung alle Tafeln des Altenberger Altars nach mehr als 200 Jahren wieder zusammen kamen. Denn der um 1330 entstandene Altar des Prämonstratenserinnenklosters Altenberg wurde nach der Säkularisation 1803 in Einzelteilen verkauft.
Bei der Untersuchung der Vorderseite konnte eine deutliche Zunahme hochwertiger Pigmente und Vergoldungen sowie einer anspruchsvollen Malweise in Richtung der Innenflächen des Schreins festgestellt werden. Am kostbarsten war die Figur der thronenden Muttergottes bemalt. Das legen Christiane Weber, Christoph Krekel und Julia Schultz in ihrem ausführlichen Beitrag zu „Bestand und Maltechnik“ dar.
Zusammenfassend schreiben sie: „Ein aufwendigerer Darstellungsmodus, komplexere Mal- und Fasstechniken und die zunehmende Verwendung wertvoller Pigmente sowie kostbarer Blattgoldauflagen heben die nur im geöffneten Zustand sichtbaren Innenflächen des Schreins und der Flügel vor den Außenseiten hervor.“ Außerdem weisen sie darauf hin, dass auf den Rückseiten Wachsspritzer und Brandspuren von Kerzenflammen sichtbar sind. Ihre Schlussfolgerung: „Diese Spuren zeugen von einem regen kultischen Gebrauch der Außenflächen.“
Die Untersuchung der Rückseiten zeigte, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lagen: Mit Hilfe einer Röntgenfluoreszenz-Analyse konnten unter den barocken Übermalungen verschiedene Heiligenfiguren nachgewiesen werden. Einige – Klara, Barbara, Christopherus – sind klar zu identifizieren und gehörten zu den populärsten Heiligen der Zeit.
Unerwarteter Befund
„Dieser vollkommen unerwartete Befund betrifft eine zentrale Annahme der bisherigen Forschung zur Frühgeschichte der Hochaltarretabel im deutschsprachigen Raum. Sie ging davon aus, dass die Bildprogramme üblicherweise auf die Altarvorderseite beschränkt und primär auf die Messliturgie Bezug nehmen und dass eine außerliturgische Nutzung des Hochaltarretabels, die sogar die Rückseite einschloss, nicht zu erwarten war“, schreibt Jochen Sander im Katalog zur Ausstellung. Christiane Weber, Christoph Krekel, und Julia Schultz wünschen sich angesichts dieser neuen Erkenntnis eine detaillierte Untersuchung aller frühen Altarretabel im deutschsprachigen Raum.
Das Problem, dass die kompletten Untersuchungsergebnisse der Rückseiten erst nach Drucklegung des Katalogs zur Verfügung standen, löste das Städel elegant und offensiv. Die Ergebnisse stehen auf der Internetseite des Museums zum Download bereit – im gleichen Design wie Katalog und Tagungsband.