25.05.2016

Projekte

Unterwassererbe sichtbar machen


Es scheint, als würde die Unterwasserkulturerbe-Konvention der UNESCO von vielen Schatzjägern und Staaten, aber oft auch den Medien selbst ignoriert.

 

„Es ist unsere Aufgabe, das Unterwasserkulturerbe besser zugänglich zu machen“

Immer wieder dringen Nachrichten von spektakulären Plünderungen oder „Schatzbergungen“ unsachgemäß geborgener Schiffswracks an die Öffentlichkeit. Wir haben mit Ulrike Guérin, der verantwortlichen Programm-Spezialistin für das Unterwasserkulturerbe Programm bei der UNESCO, über illegale Plünderungen und kommerzielle Bergungen geredet. Von ihr wollten wir wissen, wie das Unterwassererbe besser kontrolliert sowie geschützt werden kann.

 

Schatzjägerei“ ist ein großes Problem für die Wissenschaft und für uns alle. Generell sollte man jedoch zwei Fälle unterscheiden: Zum einen die illegale Plünderung von Wracks und zum anderen ihre kommerzielle, staatlich genehmigte Ausbeutung. Die UNESCO Konvention von 2001 verbietet beides und erlaubt Vertragsstaaten die Beschlagnahme von Objekten, die aus Plünderungen oder kommerziellen Bergungen stammen. Sie gestattet auch die strafrechtliche Verfolgung der Zerstörung von Kulturgut.

Bitte nennen Sie uns doch ein Beispiel für eine illegale Plünderung.

2007 wurden 17 Tonnen von Artefakten vom spanischen Nuestra Señora de las Mercedes Wrack geraubt, das 1804 sank. Es handelte sich zum großen Teil um Münzen. Spanien und Portugal, in dessen Gewässern sich das Wrack befand, haben die UNESCO Konvention ratifiziert.

 

Auch das Titanic Wrack wurde von Schatzjägern heimgesucht. Foto: NOAA
Ulrike Guérin, verantwortliche Programm-Spezialistin für das Unterwasserkulturerbe Programm bei der UNESCO. Foto: UNESCO
Die wissenschaftliche Ausgrabung des Laperouse Fundes. Foto: UNESCO/DRASSM/C. Grondin
Auch das Ca Mau Wrack, das 1725 sank, wurde Opfer einer kommerziellen Ausbeutung. An Bord befand sich chinesisches Exportporzellan aus der Yongzheng-Zeit (1723–1735), welches speziell für den europäischen Markt bestimmt war. Die hier abgebildeten Artefakte wurden direkt neben dem berühmten Mary-Rose Museum in England verkauft. Foto: Ulrike Guérin/UNESCO
Taucher beim Installieren eines Metallsuchgeräts, so wie es zum Auffinden von Münzen benutzt wird. San José Schiffswrack, Panama. Foto: Ulrike Guérin/UNESCO
Diese Deckelvasen gehören zu den 500.0000 kommerziell geborgenen Artefakten des indonesischen Cirebon-Wracks. Foto: Ulrike Guérin, UNESCO

Was hatte die Ratifizierung der Konvention in diesem Fall für eine Bedeutung?

 

Sie hat beiden Ländern geholfen, eine klare Entscheidung zu treffen, wie in diesem Fall reagiert werden sollte. So hat Spanien, Eigner des Wracks, sehr zügig ein Gerichtsverfahren in den USA angestrengt. Die Münzen wurden mit großem Aufwand wieder nach Spanien gebracht und sind heute Teil einer großartigen Ausstellung. Portugal und Spanien vertreten sehr engagiert die Prinzipien der 2001er Konvention und ermutigen auch andere Staaten, sie umzusetzen.

Welches Wrack wurde kommerziell ausgebeutet?

Zwischen 2004 und 2007 wurden etwa 500.0000 Artefakte des indonesischen Cirebon-Wracks aus dem 10. Jahrhundert geborgen, um sie zu verkaufen. Ungefähr die Hälfte davon wurde willentlich zerstört, da sie als „nicht gut genug für den Markt“ erachtet wurde. Es gab zudem die Angst, dass die lokale Bevölkerung sie dennoch verkauft und damit ein gewisser Marktwettbewerb hätte entstehen können. Die übrigen Gegenstände wurden durch unsachgemäße Lagerung und mangelnde Konservierung schwer beschädigt, wie eine UNESCO Mission zur Lagerstätte 2007 feststellte. Insgesamt eine unglaubliche Zerstörung eines großartigen Wrackfunds.

Kommerzielle Ausbeutung – das kommt also öfter vor?

Leider ja, das gleiche Team von Schatzjägern, das das Cirebon-Wrack plünderte, plant zum Beispiel derzeit die Ausbeutung eines weiteren Wracks aus der Zeit der Song-Dynastie, wieder in Indonesien. Das Team hat übrigens auch eine erhebliche deutsche Beteiligung.

Was bedeutet das?

Weder Indonesien noch Deutschland haben die UNESCO Konvention bisher ratifiziert. Deutschland plant dies jedoch in diesem Jahr. Damit könnten die deutschen „Schatzjäger“ strafrechtlich belangt und bereits nach Deutschland verbrachte Artefakte anderer kommerziell ausgebeuteter Wracks beschlagnahmt werden. Davon gibt es viele.

Schaut jemand diesen „Schatzjägern“, die kommerziell Wracks ausbeuten oder plündern, auf die Finger?

Ja, einen besonders wirkungsvollen Kampf führt zum Beispiel der wissenschaftliche Beirat der 2001er UNESCO Konvention. Diese „Blau-Helm“-Gruppe des Unterwasserkulturerbes umfasst zwölf anerkannte Unterwasserarchäologen. Sie hat zum Beispiel im letzten Jahr „Schatzjäger“-Arbeit in Panama und in Madagaskar begutachtet und den Regierungen helfen können, sich besser gegen derartige Aktivtäten zu Wehr zu setzen.

Wie kann man sich das vorstellen?

Unsere Experten haben sich, begleitet von Rechts- und Konservierungsexperten, in diese Länder begeben und sind zu den jeweiligen Fundstätten getaucht. Da weder Panama noch Madagaskar Unterwasserarchäologen haben, war dies eine große Hilfe. Wir haben falsche Identifizierungen von Fundstücken und der Wracks selbst richtigstellen können und die frappanten Verletzungen der wissenschaftlichen Standards der Archäologie in beiden Fällen offengelegt. Die umfassenden und sehr spannenden Berichte sind auf unserer Webseite erhältlich.

Eine generelle Kontrolle des Unterwassererbes ist sicher schwierig?

Wie auch bei Landkulturerbe kann natürlich nicht immer alles und jederzeit kontrolliert werden. So wie die Küstenwache unter anderem Schmuggel überprüft, kann sie aber auch durch Satellitenkontrollen und Patrouillen die Unterwassererbestätten kontrollieren. Wichtig ist dafür natürlich eine gute Zusammenarbeit mit spezialisierten Archäologen, von denen es noch viel zu wenige gibt, und eine internationale Kooperation unter der 2001er Konvention der UNESCO. Eine gute Kenntnis der Verkaufskanäle der Schatzjäger ist ebenfalls von großem Vorteil. Eine besondere Konferenz zu diesem Thema ist für September 2016 an der UNESCO geplant.

Was könnte zusätzlich dem Schutz des Unterwassererbes dienen?

Die Öffentlichkeit wird sich nur stärker für den Schutz verwenden, wenn die Plünderung des Kulturerbes auch wirklich einen Verlust für jeden von uns darstellt und uns dies bewusst ist. Ein enormes Problem des Unterwasserkulturerbes ist seine relative „Unsichtbarkeit“, denn nicht jeder von uns ist ein Taucher. Eine große Aufgabe ist es daher für die nächsten Jahre, das Unterwasserkulturerbe besser zugänglich zu machen. Wir planen zum Beispiel 3-D-Projekte, eine UNESCO Route des Unterwasserkulturerbes und regionale Exzellenz-Projekte, in denen wir aufzeigen wollen, wie sehr Unterwasserkulturerbe ein Teil unserer Identität und Geschichte ist.

Das Interview führte Alexandra Nyseth.

Das Thema Unterwasserkulturerbe beleuchten wir ausführlich in der RESTAURO 4/2016, die sie ab 10. Juni 2016 hier lesen können. 

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