12.05.2020

Beruf Porträts

Über das Home Office der Jahrhundertwende

Druck nach einer Zeichnung von Theo Zasche Foto: © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. / Sascha Rieger
Druck nach einer Zeichnung von Theo Zasche Foto: © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. / Sascha Rieger

Viele werden sogar bis Ende des Jahres von zu Hause arbeiten. Für einige ist das immer noch neu. Nicht jedoch für vier berühmte Wiener, deren Berufe sich besser in den eigenen vier Wänden erledigen ließen


Der Kaiser am Arbeitstische, Druck nach einer Zeichnung von Theo Zasche Foto: © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. / Sascha Rieger
Der Kaiser am Arbeitstische, Druck nach einer Zeichnung von Theo Zasche Foto: © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. / Sascha Rieger

Heutzutage spielt es in vielen Berufen kaum eine Rolle, ob wir im Büro oder von Zuhause arbeiten. Doch die Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz wurde erst mit Beginn der Industrialisierung vollzogen. Vorwiegend Frauen waren aufgrund Arbeitsverbots zur Heimarbeit gezwungen. Einige Berufe ließen sich jedoch besser in den eigenen vier Wänden erledigen. Denn was wäre die Kunstwelt heute, hätte die österreichische Schriftstellerin und Kritikerin Berta Zuckerkandl nicht ihren legendären Salon zu Hause geführt? Wie würden Arnold Schönbergs Partituren klingen, wenn er sie nicht in seinem Arbeitszimmer geschrieben hätte? Was wäre aus Sigmund Freuds Psychoanalyse geworden, hätte er nicht gleichzeitig in der Berggasse 19 gelebt und gearbeitet? Und zu guter Letzt: Wie hätte Kaiser Franz Joseph I. regiert, wenn er nicht daheim in Schönbrunn oder in der Hofburg gesessen hätte? Vier außergewöhnliche Wiener Persönlichkeiten, vier Perspektiven, vier Homeoffices.

Klimt, Mahler, Wagner, Schnitzler, Freud, Werfel oder Zweig. Sie alle gingen in Berta Zuckerkandls Salon ein und aus. In ihren vier Wänden kam es zu bedeutungsvollen Begegnungen – und Gründungen. So verdankt die Wiener Secession ihre Entstehung „der Zuckerkandl“, die mit ihrem Salon einen Ort der Entfaltung und künstlerischen Freiheit erschuf und in die Wiener Geschichte als eine der aufregendsten Gastgeberinnen einging.

Inspiriert von der Wiener Moderne spürte auch Arnold Schönberg, dass in ihm ein radikaler, ein neuer Geist steckte. Mit seiner Zwölfton-Reihe revolutionierte er die Welt der Musik. Denn plötzlich war Musik nicht mehr harmonisch, sondern klang vor allem wahrhaftig. Er arbeitete am liebsten zu Hause. Seine oft gewöhnungsbedürftigen Klangfolgen waren damals für die meisten Wiener noch zu viel des Guten. Regelmäßig kam es bei seinen Konzerten zu Tumulten.

Einer der wohl berühmtesten Home Office-Plätze in ganz Wien, wenn nicht sogar der Welt, befand sich in der Berggasse 19. Denn Sigmund Freuds Arbeitsräume gingen, wie seine Theorien, in die Geschichte ein. Legendär ist seine Sammlung archäologischer Gegenstände. Im Laufe seines Lebens trug er über 2.000 Erinnerungsstücke zusammen und beschäftigte sich mit ihrem Ursprung und ihren Mythen. „Meine alten und dreckigen Freunde“, so soll Freud seine Antiquitäten gern genannt haben. Sie inspirierten ihn und sollten ihm helfen, seine Gedanken zu festigen und vor dem Verschwinden zu bewahren. Teile seiner Sammlung können noch heute im Sigmund Freud Museum besichtigt werden.

Mit einer schönen Aussicht arbeitet es sich einfach besser. Das haben die Habsburger schon immer gewusst. Auch Kaiser Franz Josephs Arbeitszimmer in Schönbrunn biete neben einem schönen Panorama auch Einblicke in seinen Arbeitsalltag. So unterschied sich das Home Office des Kaisers deutlich vom prunkvollen Dekor seines Audienzzimmers: Seine Arbeitsräume dekorierte er am liebsten mit zahlreichen privaten Bildern und Fotografien von Kaiserin Elisabeth. Der selbsternannte „erste Beamte des Staates“ startete bereits um fünf Uhr morgens in seinen Tag und verließ seinen Schreibtisch nicht einmal für seine Mahlzeiten – ein wahrer Workaholic.

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