Eine „Traditionsinsel“
Das Landesdenkmalamt hat das Nikolaiviertel in Berlin-Mitte, eines der ältesten Siedlungsgebiete der Hauptstadt, in die Berliner Denkmalliste aufgenommen.
Von 1983 bis 1987 wurde das Wohn- und Geschäftsviertel rund um die mittelalterliche Nikolaikirche nach Plänen der Architekten Günter Stahn, Rolf Ricken, Heinz Mehlan und anderen gebaut. Auf dem angepassten Stadtgrundriss der Vorkriegszeit entstand um die wiederaufgebaute Nikolaikirche eine „Traditionsinsel“ aus Nachbauten historisch prominenter Bauwerke wie zum Beispiel dem Ephraim-Palais, der Gaststätte Zum Nußbaum, dem Lessinghaus oder der Gerichtslaube, die dort oder an anderen Standorten in Berlin-Mitte einmal gestanden hatten. Durch eine entsprechende Bauhöhe und Gestaltung integriert sich das Viertel mühelos in die umliegenden Stadtgebiete. Ein Großteil der etwa 800 Wohnungen wurden in Bauten mit Fassaden aus vorgefertigten Betonplatten untergebracht, die durch historisch wirkende Gestaltungselemente oder Giebelabschlüsse an die Traditionsbauten angepasst wurden. Nun hat das Landesdenkmalamt das Nikolaiviertel in Berlin-Mitte in die Berliner Denkmalliste aufgenommen.
Rückbesinnung auf die urbanen Qualitäten gewachsener Stadtteile
Das Nikolaiviertel ist das prominenteste Beispiel einer veränderten Baupolitik der DDR in den 1980er Jahren. Es steht für eine Phase der Rückbesinnung auf die urbanen Qualitäten gewachsener Stadtteile. In mehreren DDR-Städten begann man in kriegszerstörten oder vernachlässigten Innenstadtquartieren Lücken durch kleinteilige, angepasste Bebauung zu schließen. In keiner anderen Stadt jedoch erreichte diese traditionsbetonte Stadtreparatur die Vollständigkeit und die Einheitlichkeit des Nikolaiviertels.
Die DDR stand damit nicht alleine – auch im Westen traten Stadterneuerung und Stadtreparatur an die Stelle von Flächenabrissen und großmaßstäblicher Neubebauung. So fand in West-Berlin die Internationalen Bauausstellung 1984/87 (IBA) statt, die behutsame Stadtreparatur und Stadtneubau in Kreuzberg und anderen Ortsteilen vorführte.
Dr. Klaus Lederer, Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa, begrüßte die Unterschutzstellung: „Das Nikolaiviertel hat hohen städtebaulichen, architektonischen und künstlerischen Wert als Zeugnis eines Umdenkens in der Stadt- und Architekturentwicklung in den letzten Jahren der DDR. Es ist vergleichbar mit den Anlagen der IBA in West-Berlin, von der wichtige Bauten in Kreuzberg seit 2015 unter Schutz stehen. In Berlin kann man vor Ort studieren, wie sich vor dem Mauerfall in beiden Systemen ähnliche Konzepte durchsetzten, den politischen Unterschieden zum Trotz.“
Der Erhaltungszustand des städtebaulichen Denkmals ist bis in viele Details ausgezeichnet.
Was das Nikolaiviertel alles zu bieten hat, sehen Sie in einem kleinen Video-Rundgang durch die Straßen in Berlin-Mitte