30.05.2016

Projekte

Kurz vor dem Verfall – Riviera in Berlin

2013. Foto: Nils Schultze
2013. Foto: Nils Schultze


Ensemble gehört türkischer Unternehmerin

 

In der RESTAURO 4/2016, die Anfang Juni 2016 erschien, berichteten wir über zwei Denkmale in Berlin-Grünau, die von der derzeitigen Besitzerin vernachlässigt werden. Jetzt werden Bürger über die AG Ortsgestaltung aktiv, um die sogenannte Riviera und das Gesellschaftshaus vor dem Verfall zu retten. Ein ausführlicher Bericht. 

Riviera, Gesellschaftshaus und Kavaliershaus – die legendären Ausflugslokale am Ufer der Dahme entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts und waren weit über die Grenzen Berlin-Grünaus bekannt. Jahrzehntelang konnte man hier nicht nur eine „heiße Sohle“ aufs Parkett legen und im Palmen gesäumten Garten einkehren, sondern von der Tribüne aus auch den Wettkämpfen der „Großen Grünauer Regatta“ folgen. 1977 wurde das städtebauliche Ensemble unter Denkmalschutz gestellt.

Mit Schließung des Lokalbetriebes 1991 ging das Gelände in den Besitz der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) über. Seit 2006 gehört das Ensemble der türkischen Unternehmerin Refika Erdem in Ankara. Der damalige Kaufpreis war in Hinblick auf den Denkmalstatus zwar mehr als günstig (es soll sich um 650.000 Euro gehandelt haben), doch auf die Festlegung denkmalpflegerischer Auflagen wurde im Kaufvertrag verzichtet. Das Kavaliershaus wurde 1999 abgerissen.

Die legendären Ausflugslokale am Ufer der Dahme entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts, historische Abbildung von 1907. Foto: von Nils Schultze (AG Ortsgestaltung) zur Verfügung gestellt.
Seit Jahren droht das Ensemble von Riviera und Gesellschaftshaus dem Verfall, 2013. Foto: Nils Schultze
Auf denkmalpflegerische Auflagen verzichtet die derzeitige Besitzerin, Zustand 2016. Foto: Heike Schlasse
Der Ballsaal im Gesellschaftshaus um 1920. Foto: von Nils Schultze (AG Ortsgestaltung) zur Verfügung gestellt.
Der Ballsaal im Gesellschaftshaus, 2013. Foto: Nils Schultze

Mangelnde Pflege

Alle ihr zustehenden rechtsstaatlichen Mittel ausnutzend wehrt die Eigentümerin die gesetzlich verankerten Erhaltungsverpflichtungen bisher erfolgreich ab. Seit 2013 hat das Bezirksamt Treptow-Köpenick mehrere Sicherungsanordnungen erlassen. Die juristischen Auseinandersetzungen wie auch die Ausführung von Sicherungsmaßnahmen binden personelle und finanzielle Ressourcen auf Seiten des Bezirks. Die Kosten für ein Gerüst etwa, welches das Bauamt zur Sicherung des Festsaals der Riviera aufstellen ließ, betrugen weit über 100.000 Euro. Doch das Verwaltungsgericht sah keine akute Einsturzgefahr und gab der Klägerin im Januar 2016 Recht. Dabei wurde außer acht gelassen, dass die Sicherungsmaßnahme auch dem Erhalt der Stuckdecken in den historischen Sälen diente. Das Bezirksamt will nun in Berufung gehen.

Während sich die beteiligten Seiten vor Gericht streiten, verfallen die beiden denkmalgeschützten Gebäude zusehends: Durch mangelnde Instandsetzungsmaßnahmen und unzureichende Sicherung der Zugänge sind mittlerweile massive Verluste von Bausubstanz und Vandalismusschäden festzustellen. Die Kosten für eine Wiederherstellung werden aktuell auf 15 Millionen Euro prognostiziert. Wird hier seitens der Eigentümerin der weitere Verfall der denkmalgeschützten Gebäude billigend in Kauf genommen, um nach einem zwangsläufigen Abriss das Gelände zu höheren Preisen verkaufen zu können? Mit Ablauf der Spekulationsfrist im Juni 2016 könnte das Ensemble zudem ohne steuerliche Nachteile wieder verkauft werden.

Hochhaus statt Baudenkmal?

Eine Studie, die vorsah, die Gebäude in ein Kongresshotel umzubauen, wurde nicht weiter verfolgt. Und auch sonst entwirft die Eigentümerin keine sinnvollen Alternativen, sondern reichte lediglich einen Bauantrag für ein Hochhaus ein. Da das Grundstück im unbeplanten Innenbereich liegt, wäre die Errichtung von Wohnanlagen zwar durchaus möglich, meint Ulrike Zeidler, Fachbereichsleiterin Bauaufsicht/Denkmalschutz im Bezirksamt Treptow-Köpenick. Doch diese müssten sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und auch sonst verschiedenen Prüfkriterien standhalten. Ein Hochhaus am Ufer der Dahme hält Nils-R. Schultze in keinem Fall für genehmigungsfähig. Der Grünauer ist Mitglied der AG Ortsgestaltung, die seit Jahren für den Erhalt der beiden noch verbliebenen Baudenkmale kämpft.

Die Bürgergemeinschaft strebt eine der öffentlichen Nutzung dienende Wiederbelebung von Gesellschaftshaus und Riviera an. Anfang Mai 2016 wurde ein Einwohnerantrag beim Bezirksamt eingereicht, ein Bürgerbegehren folgt.

Über den Zustand des Ensembles zeugt ein Drohnen-Film, der auf der Webseite der AG Ortsgestaltung zu sehen ist.

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