Die Sonderausstellung „Rembrandts Orient“ im Museum Barberini in Potsdam untersucht bis zum 18. Juli 2021 anhand von 110 Arbeiten, wie die Maler des niederländischen Goldenen Zeitalters auf Einflüsse des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens reagierten
Begeisterung für das Fremde
Die aktuelle Sonderausstellung „Rembrandts Orient“ im Museum Barberini zeigt erneut die Bedeutung dieses Hauses am Alten Markt in Potsdam. Dieses für die Kunst so wichtige Thema wird jetzt erstmals in einer Ausstellung gewürdigt. Die Schau des Museums Barberini in Potsdam entstand in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Basel, unter der Schirmherrschaft von S. E. Wepke Kingma, Botschafter des Königreichs der Niederlande in Deutschland.
Die Schau war für Sommer 2020 in Potsdam geplant, wurde pandemiebedingt auf Frühjahr 2021 verschoben. In Basel war die Ausstellung vom 31. Oktober 2020 bis 14. Februar 2021 zu sehen. Das Museum befindet sich im 2013 bis 2016 rekonstruierten Palast Barberini, dessen architektonisches Vorbild und Namensgeber der Palazzo Barberini in Rom war. Unter König Friedrich II erfolgte durch Georg Wenzelslaus von Knobelsdorff, der Umbau des Stadtschlosses als eines der Hauptwerke des friederizianischen Rokokos im Kontext der umgebenden Bebauung.
Das Weltbild des 18. Jahrhundert spielte sich dort, am Alten Markt, wieder. Es verkörperte in seinen Bauten von Nordost gesehen im Uhrzeigersinn Amsterdam, Vicenza, London, Rom, Pompei, Verona, das Antike Rom und Ägypten schließlich im Obelisken auf dem Platz. Stifter für den Wiederaufbau und den Kunstbetrieb ist Prof. Dr. Hasso Plattner.
Rembrandt Harmenszoon van Rijn gilt als einer der bedeutendsten und bekanntesten niederländischen Künstler des Barocks. Sein Schaffen fiel in die Epoche des Goldenen Zeitalters, als die Niederlande eine politische, wirtschaftliche und künstlerische Blütezeit erlebten. Rembrandt und seine Zeitgenossen waren fasziniert von fernen Ländern, deren Waren in großer Zahl in die Niederlande importiert wurden. Die Begeisterung für das Fremde wurde zu einer Mode, die eine neuartige Kunst entstehen ließ.
Rembrandts Gemälde mit orientalischer Anmutung spiegeln die Faszination des Exotischen wieder. Hier verbanden die Künstler den Realismus in der Malerei mit Wunschbildern und phantastischen Projektionen. Lebensnah und zugleich verfremdet stellten sie eine Gegenwelt zum Alltag der calvinistischen Niederlande dar. Die Ausstellung thematisiert die damaligen Bilder des Fremden. Die Levante, der östliche Mittelmeerraum, und Asien wurden noch in Rembrandts Zeit Orient genannt. Somit geht es im Barberini um die damals mit diesem Begriff verbundenen Vorstellungen.
Gliederung der Sonderausstellung „Rembrandts Orient“
Sieben Bereiche gliedern die Ausstellung, davon thematisieren drei den Kontext der Zeitgeschichte und vier Bereiche spiegeln kunstgeschichtliche Themen. Die ausgestellten Kunstwerke sind Zeugnisse der ersten Globalisierung und zeigen den Einfluss fernöstlicher Kulturen in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Dabei ist Rembrandt, seine Sammlung exotischer Objekte und damit im Zusammenhang stehende exotische Begeisterung, der Ausgangspunkt.
Seine Schüler wie Isaak de Jouderville und Jan Victors verwendeten ebenso wie ihr Lehrer für Szenen aus der Bibel phantasievolle Turbane. Sie statteten sogar in portraits histoirés die Dargestellten mit orientalisierenden Kostümen aus. Die Selbstinszenierung in solcher Kleidung und vor orientalischen Teppichen war ein Statussymbol wohlhabender Bürger, für das auch Beispiele von Michiel de Musscher und Ferdinand Bol gezeigt werden.
Globaler Handel exotischer Objekte
Die Ausstellung thematisiert auch den globalen Handel, der exotische Objekte wie Korallen, Porzellan oder Nautilusmuscheln in die Niederlande brachte, wie sie Willem Kalf oder Jan van der Heyden in ihren Stillleben malten. Während der Orient durch exotische Objekte und Kleidung in den niederländischen Bürgerhäusern des 17. Jahrhunderts präsent war und zahllose Berichte über Reisen in den Osten publiziert wurden, erkundete kaum ein Künstler die fernen Länder vor Ort. So blieben der Orient und das Orientalische eine Mischung aus Vorstellung und Traumwelt, gepaart mit Versatzstücken, Stereotypen und Imagination. Dabei fand die west-östliche Begegnung aber nicht auf Augenhöhe statt.
Das unbekannte Fremde war dabei ein reizvoller Kontrast zum bekannten Kosmos. Das war bei Rembrandt nicht anders als bei seinen Zeitgenossen. An dieser Einstellung hat sich bis heute in weiten Teilen der westlichen Welt nicht viel geändert. So bietet die Schau die Möglichkeit, diesen bis heute andauernden Eurozentrismus zu hinterfragen. Zu den mehr als 50 internationalen Leihgebern gehören u. a. das Rijksmuseum in Amsterdam, die Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen, Dresden, der Prado, Madrid, die National Gallery of Art in Washington, die National Gallery London und das Kunsthistorische Museum Wien.
Die beauftragten Restaurator:innen der leihgebenden Häuser haben die Überwachung der Kunstwerke aufgrund der Pandemie aus der Ferne begleitet, um Reisen zu vermeiden. Ob dies ein Novum der Rembrandtschau ist oder bereits Bestandteil der allgemeinen Leihgabepraxis wird, ist ein spannendes Feld für weitere Nachforschungen.
Analyseplattform der Hasso-Plattner-Stiftung
Die Tickets für „Rembrandts Orient“ werden jeweils zwei Tage zuvor freigeschaltet und sind nur online als Zeitfenster erhältlich. Bei der aktuellen Sonderausstellung wird die neue Analyseplattform der Hasso-Plattner-Stiftung zur Leitung der Gäste eingesetzt, über die wir in der RESTAURO 3/2021 berichteten.