Die Abnahme eines gealterten Ölfirnisses ist immer mit Risiken verbunden und stellt für RestauratorInnen eine besondere Herausforderung dar. Ein neues Forschungsprojekt soll hier ganz neue Möglichkeiten eröffnen: Es arbeitet mit Neutronen, um zu untersuchen, wie Lösungsmittel in den Lack eines Gemäldes eindringen
Das Porträt der Olivia Boteler Porter von Anthonis van Dyck erstrahlt wieder in kräftigen, satten Farben ganz so wie in den 1630er Jahren, als es gemalt wurde. Dargestellt ist die Nichte des Herzogs von Buckingham, die eine Hofdame von Henrietta Maria von Frankreich, der Gemahlin des englischen Königs Charles I war. Lange Zeit befand sich das 72,4 × 61 Zentimeter messende Gemälde unerkannt und unbeachtet im Depot des nordenglischen Bowes-Museum, bis es im März 2013 von dem britischen Kunsthistoriker und Van-Dyck-Spezialisten Bendor Grosvenor als echter Van Dyck identifiziert wurde. Eine dicke Schmutzschicht und ein krepierter Firnis hatten das Bild verunstaltet, so dass es als unbeholfene Van Dyck-Kopie angesehen und auf maximal 5.000 £ taxiert wurde. Inzwischen wurde das Porträt jedoch für eine Million Pfund versichert und die Restaurierung kann als rundum geglückt bezeichnet werden.
Die Abnahme eines gealterten Ölfirnisses ist jedoch immer mit Risiken verbunden und stellt für RestauratorInnen eine besondere Herausforderung dar. Ein neues Forschungsprojekt soll hier ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Es verwendet Neutronen, um zu untersuchen, wie Lösungsmittel in den Lack eines Gemäldes eindringen. Gerade im 20. Jahrhundert sind Gemälde häufig durch falsch ausgeführte Restaurierungsmaßnahmen beschädigt worden. Um Zerstörungen dieser Art zu vermeiden, ist dringend ein besseres Verständnis der Prozesse erforderlich, die bei der Restaurierung eingesetzt werden oder die später als Folge einer Restaurierung stattfinden.
Dabei geht es um grundlegende Polymerphysik. Wissenschaftler haben deshalb eine Reihe von Methoden entwickelt, die sich auf Neutronenstrahlinstrumente des Neutronenforschungsinstituts Institut Laue-Langevin stützen, um diese Prozesse gründlich zu untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten es möglich machen, automatisierte Restaurierungsmethoden zu entwickeln, die für Kunstwerke vor allem auch langfristig völlig harmlos sind. Eine elementar wichtige Aufgabe bei der Restaurierung ist das Entfernen des beschädigten oder undurchsichtig gewordenen äußeren Teils der Lackschicht und das Auftragen eines neuen, transparenten Lacks. In der Regel verwenden Restauratoren ein mit Lösungsmittel getränktes Reinigungsstäbchen, um die Lösung auf die Lackschicht des Gemäldes aufzutragen und den oberen Teil dieser Schicht dann bei minimaler Scherwirkung mit dem Tupfer zu entfernen.
Die Forscher haben das Entfernen von Lackschichten auf festen Untergründen durch organische Lösungsmittel untersucht, wie sie bei der Restaurierung von Staffelgemälden verwendet werden. Dabei testeten sie ein vorgeschlagenes Restaurierungskonzept, bei dem das Lösungsmittel (Benzylalkohol) mit Wasser verdünnt wird, um die Menge an „aggressivem” Lösungsmittel im System zu begrenzen. Sie beobachteten, dass über einer kritischen Lösungsmittelkonzentration aufgrund des vorhandenen Wassers eine Entnässung des gesamten Lacks (anstelle einer kontrollierten Auflösung) erfolgen kann. Dies hätte katastrophale Folgen für das Gemälde, da die Pigmentschicht dadurch der Reinigungsflüssigkeit ausgesetzt würde.
Der zentrale Teil des Forschungsprojekts beinhaltete die Verwendung von Neutronenreflektometrie auf dem FIGARO-Instrument, um das Tiefenprofil der Lösungsmittelkonzentration in der Lackschicht zu bestimmen, die zwischen einer Schicht von Wasser und Lösungsmittel und einem Einkristall-Siliziumsubstrat eingeschlossen war. Die Dicke der Lackschicht betrug rund 100 nm und sie wurde durch ein Spin-Coating-Verfahren vorbereitet. Ergänzende Messungen wurden mit Hilfe von Atomkraftmikroskopie durchgeführt. Die Untersuchung dieses häufig verwendeten Restaurierungssystems mittels hochauflösender Neutronenreflektometrie zeigte, dass erhöhte Konzentrationen von Lösungsmittel und längere Exposition die Bildung und das Wachstum von wassergefüllten Hohlräumen verursachen, was seinerseits zu einem Zerfall des Lacks führt.
In Zukunft sollten Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens von Lösungsmittelmischungen bei der Restaurierung von Staffelgemälden daher revidiert werden. Die Ergebnisse dieser Studie könnten jetzt die Grundlage für neue Standards bilden, die zu sichereren Restaurierungsprozessen führen und den Weg für die Einführung automatisierter Techniken bereiten könnten. Menschliche Intervention und Überwachung wird jedoch absolut notwendig bleiben, um zu gewährleisten, dass Maschinen, die den Prozess ausführen, zu allen Zeiten „sicher” für den Lack bleiben.
Ermöglicht wurde die Studie durch das Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble ein internationales Forschungszentrum, das mit seinem Höchstflussreaktor (HFR) die stärkste Neutronenquelle der Welt betreibt. Jedes Jahr werden von zirka 1500 Gastforschern mehr als 800 Experimente, vor allem auf dem Gebiet der Neutronenstreuung durchgeführt.