Joseph Beuys und Mottenbefall. Zwei Begriffe, die genügen, um Aufsehen in der Publikumslandschaft zu erregen. Von einem von Motten durchlöcherten Textil kann jedoch nicht die Rede sein, wie im Gespräch mit Restauratorin Julia Dummer klar wird. Vielmehr handelt es sich um ein Standardverfahren bei Schädlingsbefall, dem Integrated Pest Management (IPM), das aktuell in der Neuen Galerie Kassel an einem Werkstück von Joseph Beuys’ Installation durchgeführt wird.
Die Konservierungsbeauftragten der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) entdeckten vor wenigen Wochen in einem von Joseph Beuys eingerichteten Raum in der Neuen Galerie in Kassel Kleidermotten. Betroffen war der Filzanzug, ein Teil der Installation „The Pack“ (Das Rudel). Sie gehört seit 1976 zum festen Bestand des Hauses. Joseph Beuys selbst hatte sowohl den nach außen relativ offenen Raum in der Neuen Galerie als Ort ausgewählt, als auch die unterschiedlichen Sammlungsbereiche innerhalb des Raumes positioniert. Nachdem die Restauratoren des MHK die Motten in dem Textil auffanden, brachten sie den Filzstoff in die Stickstoffkammer, wo er nun sechs Wochen unter Stickstoffentzug behandelt wird.
Das regelmäßige Monitoring mithilfe von Pheromonfallen in der Neuen Galerie verhinderte einen schwereren Befall der Textilien und ist Teil des Verfahrens des Integrated Pestmanagement. Sobald sich Kleidermotten in den Fallen zeigen, wird die Quelle im Raum ermittelt und eingeschritten. Im Beuys-Raum stellen die Restauratoren bereits seit Jahren präventiv solche Fallen gegen Kleidermotten – die sich vor allem in Textilien aus tierischen Fasern fressen – auf. Sobald sich in den Fallen Anzeichen von Kleidermotten zeigen, werden an den Beuys-Filzen winzige Nützlinge (Zwergwespe Trichogramma evanescens) über einen bestimmten Zeitraum eingesetzt, um die Motteneier zu parasitieren. Die geschlüpften Zwergwespen ernähren sich von den Motteneiern und vernichten somit eine Mottenpopulation, ohne die Filze zu schädigen.
Da der Befall in der Neuen Galerie frühzeitig geortet und festgestellt wurde, erwarten Restauratorin Julia Dummer und ihr Team nur minimale Schäden. Diese werden nach der Entnahme aus der Stickstoffkammer geprüft und gegebenenfalls mit restauratorischen Maßnahmen behandelt. Im Anschluss daran wird der Anzug wieder in der Neuen Galerie an seinem originalen Platz zu sehen sein.