18.11.2016

Museum

Ausstellungskatalog Giacometti: Zum Schluss die Restaurierung

 

Eine Rezension über den Katalog zur Alberto Giacometti-Ausstellung „Material und Vision. Die Meisterwerke in Gips, Stein, Ton und Bronze”, die vom 28. Oktober 2016 bis 15. Januar 2017 im Kunsthaus Zürich zu sehen ist. 

Über Alberto Giacometti ist viel geschrieben worden. Seine Kunst fasziniert nicht wegen, sondern trotz ihrer Bekanntheit. Ausstellungen seiner Werke sind immer wieder Publikumslieblinge – auch im Kunsthaus Zürich, das einen großen Bestand an Giacometti-Kunst besitzt und ihn regelmäßig zeigt. Wie jetzt wieder in der Ausstellung „Alberto Giacometti. Material und Vision. Die Meisterwerke in Gips, Stein, Ton und Bronze“, die in RESTAURO 8/2016 besprochen wird.

Es ist eine besondere Ausstellung, zeigt sie doch die Ergebnisse der Erforschung und Restaurierung von 75 Gipsplastiken, die Alberto Giacomettis jüngster Bruder Bruno (1907–2012) und seine Frau Odette dem Museum im Jahr 2006 schenkten und welche über vier Jahre hinweg untersucht wurden.

Alberto Giacometti, Werke 1949–1965, Kunsthaus Zürich, Alberto-Giacometti-Stiftung, Foto: Dominic Büttner, (c) Succession Alberto Giacometti/2016 ProLitteries, Zürich
Blick in die Ausstellung im Kunsthaus Zürich: Alberto Giacometti – Material und Vision. Foto: RESTAURO
Die "Femmes de Venise" in zwei ihrer Restaurierungszustände. Foto: RESTAURO
Alberto Giacometti, La Main (Die Hand), 1947, Gips und Eisenstab, bemalt, 65,5 x 79 x 12 cm, Kunsthaus Zürich, Alberto-Giacometti-Stiftung, Foto: Dominic Büttner, (c) Succession Alberto Giacometti/2016 ProLitteries, Zürich
Alberto Giacometti, Werke 1914–1965, Kunsthaus Zürich, Alberto-Giacometti-Stiftung, Foto: Dominic Büttner, (c) Succession Alberto Giacometti/2016 ProLitteries, Zürich
Alberto Giacometti, Werke 1925–1927, Kunsthaus Zürich, Foto: Dominic Büttner, (c) Succession Alberto Giacometti/2016 ProLitteries, Zürich
Alberto Giacometti, Tête d'homme sur socle (Männerkopf auf Sockel), um 1946, Gips, 22,4 x 9,8 x 11,9 cm, Kunsthaus Zürich, Alberto-Giacometti-Stiftung, Geschenk Bruno und Odette Giacometti, 2006, Foto: (c) Succession Alberto Giacometti/2016 ProLitteries, Zürich
Alberto Giacometti, L'atelier (Das Atelier), 1950, Öl auf Leinwand, 65,4 x 46,4 cm, Privatsammlung Schweiz. Foto: (c) Succession Alberto Giacometti/2016 ProLitteries, Zürich
Blick in die Ausstellung im Kunsthaus Zürich. Foto: RESTAURO

Mittelpunkt der Ausstellung, letzter Teil im Buch

Parallel zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch, das sich dem ausstellungsvorbereitenden Forschungs- und Restaurierungsprojekt widmet. Denn der Zustand der 75 Gipse war nicht der Beste. Da Giacometti nur selten direkt in Gips arbeitete – er nutzte meist Ton für die erste Form –, weisen viele Gipsplastiken Spuren des Abgussprozesses auf. Außerdem hat er sie häufig weiter bearbeitet, Konturen durch Farbe hervorgehoben, Gesichter gekennzeichnet. Zwischen diesen verschiedenen Spuren Verschmutzungen von Beschädigungen zu unterscheiden, war Aufgabe der Restauratoren.

Ihre Überlegungen, Maßnahmen und Untersuchungsergebnisse sind, laut Ankündigung von Kunsthaus-Direktor Christoph Becker im Vorwort, Thema des Ausstellungsbegleitbandes. Doch der vertraut den Restauratoren und ihren spannenden Ergebnissen leider nicht so sehr, dass er ihre Arbeit in den Mittelpunkt rückt. Nur auf den letzten Seiten darf Kerstin Mürer, Restauratorin am Kunsthaus Zürich, von den vielfältigen Untersuchungen und von den Diskussionen um Reinigung, Lückenschluss und Präsentation berichten. Das ist schade, denn die Biografie des Künstlers, der ein großer Teil des Katalogs gewidmet ist, ist hinlänglich bekannt, die Werkphasen und die Anekdoten über Giacomettis Leben sind es auch.

Die Untersuchungsergebnisse des Restauratorenteams sind hingegen neu und relevant für den weiteren Umgang mit den Gipsen. Denn: „Zwei Drittel der Gipsmodelle wurden nach ihrer Fertigstellung mindestens einmal abgeformt, um sie in Bronze oder, in einigen wenigen Fällen, ein weiteres Mal in Gips zu gießen“, schreibt Kerstin Mürer. Sie kann jedem Gips nun das Abformungsmaterial zuordnen. Denn bei den Untersuchungen fanden sich nicht nur Reste von Gelatine, Sand und weiteren Gipssorten, sondern auch verschieden gefärbte Oberflächen, die aufgrund der Vorbehandlung mit Trennmitteln wie Schellack, Öl oder einer dunklen Seifenpaste (Savon noir) entstanden. Die Spuren von Schnitten und Ritzungen sind so charakteristisch, dass sie von den Restauratoren jetzt jeweils einem Abgussverfahren zugeordnet werden können.

Einige der größeren Plastiken mussten für den Guss zerteilt werden und kamen in Einzelstücken in die Sammlung des Kunsthauses. Besonders über das Zusammensetzen dieser Einzelteile wurde in Zürich heftig diskutiert, schreibt die Restauratorin. „Wir sind froh, dass schließlich für einige der zerteilten Gipse eine Lösung im Einklang mit dem beschlossenen Restaurierungskonzept gefunden wurde, die eine temporäre Präsentation in der Ausstellung in reversibel zusammengefügtem Zustand ermöglicht“, so Mürer weiter. Eingehende Erläuterungen, Informationen über Konzept, Gegner und Verteidiger gibt es anschließend jedoch nicht. Dabei hätte man über all das Neue gern mehr erfahren.

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