21.06.2016

Museum

Kunst auf Lager


Die Kunst zu fördern

 

Im Bayerischen Nationalmuseum (BNM) trafen sich die Vertreter von KUNST AUF LAGER, dem Bündnis zur Erschließung und Sicherung von Museumsdepots. Im Mittelpunkt stand eines der jüngsten Förderprojekte: eine Tapisserie aus dem 16. Jahrhundert, deren Restaurierung die Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglichte.

In seiner kürzlich veröffentlichten Schrift „Das Kunstmuseum. Eine erfolgreiche Fehlkonstruktion“ weist Walter Grasskamp auf die Paradoxien des Sammelns und Ausstellens hin. Demnach wachsen Museen „vor allem nach innen“. Die angekauften Objekte nehmen in erster Linie nicht die Ausstellungsflächen, sondern die Depotflächen ein. Tatsächlich werden heute nur zehn bis höchstens 60 Prozent der Sammlungsobjekte der Öffentlichkeit präsentiert.

Und dabei bleibt es nicht. Grasskamp macht auch auf die hohen Folgekosten aufmerksam, die jeder Ankauf mit sich zieht: „Transport und Versicherung, Lagerraum und Klimatisierung, Bewachung und Konservierung sowie Restaurierung (…).“

 

Auf diesen finanziellen Notstand in Museen reagiert das Bündnis KUNST AUF LAGER. Im Sommer 2012 durch die HERMANN REEMTSMA STIFTUNG und die Kulturstiftung der Länder initiiert, haben sich dem Bündnis bis heute 14 Institutionen angeschlossen. Ihr erklärtes Ziel: wertvolles, aber im Depot verborgenes Kulturgut zu erschließen, zu erforschen und zu sichern. Unter den letzten Punkt fallen insbesondere die Konservierung und Restaurierung von Objekten, die ohne die finanzielle Unterstützung von KUNST AUF LAGER nicht in die Ausstellungsräume zurückkehren könnten.

Im Sommer 2016 zieht das Bündnis eine Halbzeitbilanz. Dafür lud die Ernst von Siemens Kunststiftung Anfang Juni in das Münchener BNM ein. Ganz im Sinne der Zielsetzung von KUNST AUF LAGER war neben dem produktiven Austausch der Bündnispartner ein Förderprojekt zentral platziert: auf dem Tisch des Restaurierungsateliers. 32 Quadratmeter misst das aktuell restaurierte Objekt. Es handelt sich um eine Tapisserie, die – nach Entwürfen des flämischen Renaissancekünstlers Pieter Coecke van Aelst – vor 1563 entstand.

Die Wahl auf den Wandteppich fiel aus einem spezifischen Grund, wie Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, betont: „Wir wollten ein Objekt zeigen, dessen Restaurierung so aufwendig ist, dass man es im Alltagsgeschäft liegen lassen würde. In diesem Punkt sind wir – wie so häufig – auf Textil gekommen.“

Dipl.-Rest. Beate Kneppel steht vor der restaurierten Tapisserie für Fragen zur Verfügung. Foto: RESTAURO
Dr. Sebastian Giesen von der Hermann Reemtsma Stiftung im Restaurierungsatelier, Foto: RESTAURO
Dr. Sebastian Giesen (Herman Reemtsma Stiftung), Dr. Monika Bachtler (Rudolf-August Oetker-Stiftung), Dr. Martin Hoernes (Ernst von Siemens Stiftung) und Dr. Renate Eikelmann vom Bayerischen Nationalmuseum (v. l. n. r.) im Gespräch, Foto: RESTAURO
Über die materialen und motivischen Besonderheiten der Tapisserie informiert Johannes Pietsch, Referent der Textilsammlung, Foto: RESTAURO
Begutachtung von Tapisserien aus der Paulus-Serie im Depot des Bayerischen Nationalmuseums, Foto: Bastian Krack
Die bereits restaurierten Tapisserien der Paulus-Serie, ausgestellt im Bayerischen Nationalmuseum, Foto: RESTAURO
Die Hängung der Tapisserien erfolgt in einer leichten Schräglage, um das Gewebe zu entlasten. Foto: RESTAURO
Die Teilnehmer des Bündnistreffens vor den großformatigen Tapisserien, Foto: RESTAURO

Fragiles Textil

33 Jahre lang hatte die Tapisserie „Paulus predigt vor den Frauen von Philippi“ die Depoträume des BNM nicht verlassen. Nun, aus der Lagervorrichtung hervorgeholt, können folgende Schadensbilder identifiziert werden: starke Verschmutzungen, ausgefallene Schussfäden, offene Schlitze und grobe spätere Reparaturen. Nach einer ersten Sicherung „transportieren wir die Tapisserie zur Reinigung ins belgische Mechelen. Dort wird das zur Zeit schonendste Reinigungsverfahren für großformatige Textilien, das Aerosolverfahren auf dem Unterdrucktisch, angeboten“, erklärt Beate Kneppel, Leiterin des Restaurierungsateliers für Textilien.

Schließlich soll die Tapisserie mit einem Stützliniensystem abgefüttert werden, um die Präsentation im ursprünglich erdachten, hängenden Zustand zu ermöglichen. Einen Vorgeschmack auf die zukünftige Ausstellung des Wandbehangs erhalten die Teilnehmer des Bündnistreffens bereits vor Ort. Denn das Objekt ist Bestandteil der neunteiligen Tapisserien-Serie „Die Geschichte des Hl. Paulus“, die Herzog Albrecht V. von Bayern in Auftrag gegeben hatte. Vier Wandteppiche dieser herzoglichen Sammlung wurden bereits restauriert und sind nun in Saal 22 des BNM zu betrachten.

Weitere Förderbeispiele von KUNST AUF LAGER finden Sie auf der Webseite des Bündnisses sowie in unseren RESTAURO-Ausgaben ab 01/2015 – in der regelmäßig bespielten Rubrik „Gefördert von“ auf Seite 10.

Außerdem: Ein RESTAURO-Video zum Thema des Bündnistreffens finden Sie hier

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