Divers und voller Brüche: Rijeka präsentiert sich unter dem Motto Port of Diversity als Schmelztiegel von Kultur, Geschichte und Zeitströmungen. Gestern, am 23. Februar 2020, fand die Eröffnungsfeier der europäischen Kulturhauptstadt Rijeka 2020 zusammen mit dem berühmten Karneval von Rijeka statt
Im englischen river ist sie noch ablesbar, die Namensgebung von Rijeka: „Fluss – Stadt, die fließt“. Die multikulturelle Hafenstadt liegt an der nördlichen Adria und ist die drittgrößte Stadt Kroatiens. Zu weiten Teilen ist das Stadtbild geprägt von Industriearchitektur: verlassene Werften neben betriebsamen Hafenanlagen, moderne Fabriken neben sozialistischen Plattenbauten. Im historischen Stadtzentrum dagegen bezaubert der morbide Charme halb verfallener Jugendstilpaläste neben gut erhaltenen Prunkbauten des Fin de siècle, die während der KuK-Regentschaft entstanden.
Rijeka gehörte allein im 20. Jahrhundert zu sieben verschiedenen Staaten und die Einflüsse des Habsburger Reiches, italienischer und jugoslawischer Herrschaft haben tiefe Spuren hinterlassen. Unmittelbar und häufig schroff dominiert neben den historischen Bauten modern und energetisch die Industriekultur der Gegenwart.
In dieser rauen Diversität gründet denn auch das Leitmotiv des Hauptstadtjahres: Luka različitosti, Hafen der Vielfalt. Das Motto streicht zwei besonders augenfällige Eigenschaften der Stadt heraus – zum einen den Hafen als Wirtschaftsmotor und Zentrum des Stadtlebens, zum anderen den multikulturellen Charakter Rijekas, das zugleich inklusiv und offen ist.
Unter den Leitmotiven Work, Water, Migrations, die die Metapher vom Port of Diversity weiterführen, greift das Programm für das Kulturjahr Fragen auf, die weit über ein enges Kulturverständnis hinausreichen. Wie werden wir mit den ökologischen und ökonomischen Herausforderungen in Zukunft umgehen? Was muss sich ändern, um Wasser als Lebensgrundlage zu erhalten? Wie wird die Zukunft der Arbeit aussehen? Wie gelingt ein tolerantes Miteinander der Kulturen in Europa und der Welt?
Ivan Šarar, städtischer Kulturdezernent und Leiter der Kulturhauptstadt-Agentur Rijeka 2020, beschreibt es so: „Der Slogan ‚Hafen der Vielfalt’‘ ist nicht nur etwas, womit wir uns rühmen. Wir wollten auch testen und die Frage stellen, inwiefern Rijeka, Kroatien und Europa überhaupt bereit sind, Vielfalt zuzulassen.“
Etwa 75 Mio. Euro stehen für das Projekt Kulturhauptstadt Rijeka 2020 bereit, um über 600 Programmpunkte realisieren: Von einer großen Gustav-Klimt-Ausstellung über kulinarische Events und Podiumsdiskussionen bis zu einem Auftritt der Roboter-Band Compressorhead reicht die bunte Palette. Man hofft auf etwa vier Millionen Besucher, die diese wilde und energetische, weniger schöne als spröde Stadt erkunden werden. Gerade wegen ihrer Rauheit, Ecken und Kanten wird Rijeka seine Besucher berühren. Denn diese Stadt steht paradigmatisch für die schöne neue VUCA-Welt, in der wir leben.