Sie retuschierte Correggios Fresken und rettete ein schwerbeschädigtes Werk des Cobra- Künstlers Carl-Henning Pedersen. Doch so prominent die Namen – die Konservatorin Elisabetta Bosetti lässt kein Werk zum Fetisch werden. Vielleicht hat das mit ihrer Begeisterung für ephemere Kunst zu tun. Eine Begeisterung, die 2016 entstand, als sie an Christos Installation am Iseo Lago mitwirkte. Für das europäische Projekt CAPuS forscht Bosetti über Materialität und Ausdrucksformen von Straßenkunst – für sie der Inbegriff eines neuen gemeinsamen Kulturerbes
Elisabetta Bosetti zögerte keine Sekunde, als sie die Einladung erhielt, an Christos zweiwöchiger Installation „Floating Piers“ am Iseo Lago in Italien teilzunehmen. An die tausend Mitarbeiter*innen montierten die mit gelbem Stoff bespannten Stege, die den See durchzogen und das Ufer mit den Inseln verbanden. Da die geländerlosen Stege zum Rand hin leicht abfielen, erlangten Besucher*innen den Eindruck, direkt auf dem Wasser zu laufen. Oder auf einem Wal, wie Christo selber anmerkte.
„Christo war außerordentlich freundlich zu uns allen“, berichtet Bosetti. Er habe das Hauptquartier fast jeden späten Nachmittag besucht, nachdem ihr Team mit dem Boot von der Arbeitsschicht zurückkam. Geduldig habe er für Selfies mit seinen Fans posiert. Sie selber habe auch ein Erinnerungsbild ergattert, freut sich Bosetti. „Für mich zählt diese temporäre Installation zu den bemerkenswertesten in der zeitgenössischen Kunst“, resümiert die Italienerin. „Sie zeigt, wie Kunst einen Raum, eine Situation, eine Umgebung oder sogar eine Landschaft kreiert oder transformiert“.
Auch wenn die Floating Piers keine physischen Spuren hinterließen, so hätten sie die Menschen intellektuell und emotional nachhaltig berührt. „Ephemere Kunst fördert einen inneren Prozess, der frei ist von jeglicher Bindung an ein spezifisches, vergängliches Medium“. Kunstwerke zu konservieren, grenze hingegen oft an Fetischismus, bemängelt Bosetti. „Wir neigen dazu, dem Objekt einen kultartigen Status zuzugestehen und versuchen, das Material für immer zu bewahren, was grundsätzlich einen Riesenwiderspruch in sich selbst darstellt“.
Sie berührt damit ein vieldiskutiertes Dilemma in der Konservierung von vor allem zeitgenössischer Kunst: „Die Materialien in den Kunstwerken sind anfällig für den Zahn der Zeit. Es wäre weise, das im Kopf zu behalten, wenn wir konservieren.“ In Italien, das auf eine jahrhundertelange Tradition des Erhalts von Kunst- und Kulturgütern zurückblicke, sei ihre Profession hoch angesehen.
Bald nach ihrem Wechsel nach Kopenhagen merkte Elisabetta Bosetti, welchen grundsätzlich anderen Status Restaurator*innen oder Konservator*innen aus dänischer Sicht hatten. Zumindest in den 1990er-Jahren hätten viele Dänen und Däninnen den Beruf noch nicht so recht einordnen können. „Erschwerend kam hinzu, dass das dänische Wort für Konservatorin und Tierpräparatorin identisch ist – das führte oft zu Irritationen.“
Insgesamt habe sie den „Zusammenprall der Kulturen“ jedoch meist als Bereicherung empfunden. Vor allem liege ihr die problemlösungsorientierte Art, der Gemeinschaftssinn und die Solidarität der Dänen und Däninnen. Der Entschluss, nach Kopenhagen zu gehen, reifte in ihr, nachdem sie auf einem Mailänder Symposium die Präsentation eines dänischen Restaurators über die Arbeit mit zeitgenössischer Kunst verfolgt hatte.
„Die mir vertraute italienische Methodik war so weitaus dogmatischer“, erkannte Bosetti. Ihre Neugierde war geweckt: Nachdem sie bislang vor allem an alter Wandmalerei gearbeitet hatte – etwa an den Fresken Correggios in der Kirche San Giovanni Battista in Parma oder an denen der Giotto-Schule in der Mailänder Kirche Santo Eustorgio – drängte es sie, im Ausland zeitgenössisches Terrain zu erkunden.
Nach Dänemark zog die Restauratorin 1991. Dort war sie für diverse private und staatliche Konservierungsstudios tätig und studierte in Kopenhagen Kunstgeschichte sowie Projektmanagement. Jedes Werk, darauf legt Bosetti Wert, sei für sie einzigartig und nicht wiederholbar. Deshalb fixiere sie sich nicht auf eine bestimmte Epoche, betont die Restauratorin: „Ich mag die Herausforderung, die Variationsbreite der Aufgaben und das Privileg, exquisiter, problematischer und aufregender Kunst sehr nah zu kommen.“
Dazu zählt sie auch das Gemälde „Tænksom Fugl“ von Carl-Henning Pedersen. Bei einem Diebstahl hatte es schwere Schäden davongetragen. Es war nicht nur ernsthaft verzerrt, sondern zudem von einem über siebzig Zentimeter langen Schnitt entstellt, wobei sich die Farbschicht an vielen Stellen von der Leinwand löste. Die Reparatur geriet zu einer echten Herausforderung. Vor allem die Behandlung des Risses bereitete Bosetti einiges an Kopfzerbrechen.
Eine einfache Laminierung schloss sie aus, da diese den Originalausdruck und die Genese des Gemäldes komplett verfremdet hätte. Entsprechend der Therorie des Kunsthistorikers Cesare Brandis ist sie davon überzeugt, einem Werk bei der Konservierung erst dann Respekt zu zollen, wenn sie es als Einheit von Materialien und intellektuellem Prozess begreift. „Während des langwierigen Restaurierungsprozesses hatte ich regelrechte Albträume,“ erinnert sich die Expertin. Doch mit viel Geduld und Können verwandelte sie die vermeintliche Mission Impossible in ein Happy End: „Tænksom Fugl“ erscheint heute unberührt.
Die besondere Leidenschaft der ausgebildeten Fresko-Restauratorin gilt allerdings dem spontanen Muralismo der Straßen. Daher unterstützt sie neben ihrer Arbeit für das Atelier MaleriKonservering das europäische Projekt CAPuS. Bosetti hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kunstwerke in Kopenhagen, die unter die Kategorie „urbane Kunst“ oder Straßenkunst fallen, zu bestimmen und zu dokumentieren.
Lesen Sie weiter in der RESTAURO 6/2019.