14.07.2015

Projekte

Ein neuer Blick dank Buchspilz

zierten die „üblichen“ niedrigen Buchsformbäumchen die Blumenrabatten im Weikersheimer Lustgarten

Als der Buchspilz die Formbäumchen im Weikersheimer Schlossgarten dahinraffte, war guter Rat teuer. Gartenhistorische Detektivarbeit führte dann nicht nur zu einer Lösung des Problems, sondern den Garten auch wieder ein Stück näher an sein sehr besonderes Erscheinungsbild Mitte des 18. Jahrhunderts heran.

Den Weikersheimer Schlossgarten ließen Graf Carl Ludwig von Hohenlohe-Weikersheim und Elisabeth Friederike Fürstin von Öttingen-Öttingen ab 1708 zeitgemäß als Barockgarten gestalten. Dessen reicher Figurenschmuck ist mit über 70 Original-Skulpturen an ihren angestammten Plätzen nahezu vollständig erhalten. Nach einer wechselvollen Geschichte erwarb das Land Baden-Württemberg 1967 die Anlage. Der Garten wurde zwischen 1990 und 1997 instand gesetzt und entspricht heute weitgehend seinem Erscheinungsbild Mitte des 18. Jahrhunderts.

Das Blumenparterre (repräsentativ gestalteter Gartenbereich vor Gebäuden) im zentralen Lustgarten besteht aus vier mit Blumenrabatten gerahmten Kompartimenten. Diese waren bis vor kurzem mit Buchs gesäumt und mit geometrisch gestutzten Formbäumchen (ebenfalls Buchs) rhythmisiert.

Akuter Buchspilzbefall war der Anlass für die Überarbeitung dieser vegetativen Ausstattung. Gartenhistorische Recherchen zum Ersatz für die in barocken Rabatten unerlässlichen Formgehölze zeitigten ein erstes Ergebnis in einem fürstlichen Familienbild von Eger (1773). Es zeigt im Hintergrund den Weikersheimer Schlossgarten, und in dessen Rabatten hohe schlanke Bäumchen, vermutlich Zypressen, zwischen denen sich je ein niedrig gehaltenes Blütengehölz ohne Stamm, ein sogenanntes Buisson, befindet.

Der Weikersheimer Schlossgarten wurde also Mitte des 18. Jahrhunderts weiterentwickelt, weg von der französischen Architekturtheorie, nach der an vergleichbarer Stelle niedrigere Formbäumchen lediglich die Höhenstufung der Blumenrabatten akzentuierten. Nun wurden die Formgehölze selbst skulptural verstanden, wie es für diese Zeit aus einigen Gärten in den Niederlanden und Wien sowie z.B. Salzdahlum bekannt ist. Für die Kombination der Formbäume mit Gartenfiguren ist der Garten des Liechtenstein-Palais in Wien prägnantestes Beispiel. In all diesen Gärten wurden für die Baumskulpturen winterharte Eiben oder Wacholder verwendet. Anhand der Inventare der Weikersheimer Orangerie von 1757 und 1769 ließen sich dagegen wachsende Mengen an Zypressen nachweisen. Die ungewöhnliche Wahl dieser empfindlicheren Pflanzen steht vor dem Hintergrund der langen Tradition und des hohen Stellenwertes der Orangeriekultur in Weikersheim.

Nicht nur aufgrund des aktuellen Handlungsbedarfs lag die Entscheidung nahe, die beschriebene historische Entwicklung des Weikersheimer Schlossgartens heute wiederum nachzuvollziehen. Aus Gründen der Empfindlichkeit und Überwinterung wurden dabei sowohl Zypressen (im nach der dortigen Brunnenskulptur benannten Herkulesrondell) als auch die im Habitus ähnlichen, aber robusteren Wacholder (in den übrigen Rabatten) verwendet. Die Höhe der Formbäume orientiert sich an der Höhe der Figuren und beträgt rund drei Meter. Hinsichtlich der Buissons lieferte die zeitgenössische Literatur, etwa das Standardwerk von Dézallier D’Argenville La Théorie e la Pratique du Jardinage ab seiner zweiten Ausgabe von 1713, den Hinweis auf Rosmarin, der prompt ebenfalls in passender Anzahl in den Weikersheimer Inventaren nachgewiesen wurde. Die Rosmarin-Buissons sollen nicht höher als 65 cm werden und bereichern den Garten auch mit ätherischem Duft.

Nun ging es noch um die genaue Positionierung. Dabei sind als kleine Herausforderung die westliche und die östliche Hälfte des Gartens nicht spiegelgleich. Der gesamte Garten verbreitert sich – messbar, aber nicht sichtbar – von Westen nach Osten. Die Kantenlängen der Kompartimente sind dadurch nur vermeintlich gleich, was akribisches Ausmessen verlangte. Orientiert an der Gartendarstellung auf dem fürstlichen Familienbild wurden im Frühjahr 2015 jeweils in die Mitte zwischen zwei Steinskulpturen eine „Pflanzenskulptur“ und wiederum mittig dazwischen je ein Rosmarin-Buisson platziert.

Damit ergänzen und verdichten die vertikalen Akzente der in Deutschland einmalig hohen Formgehölze nun wieder die skulpturale Ausstattung des Gartens. Auch die Rabatteneinfassungen sollen nach historischem Vorbild wieder entstehen, hier laufen zurzeit Versuchspflanzungen.

Mehr zur Erhaltung von Kulturlandschaften in der neuen RESTAURO 5/2015.

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