Ein wertvoller Gobelin, der Krönungsteppich Josephs I. aus dem 17. Jahrhundert, wurde lange unter schlechten Bedingungen aufgerollt aufbewahrt. Große Fehlstellen durch Mäusefraß und andere Beschädigungen waren die Folge. Monica Paredis-Vroon, Textilkonservatorin der Domschatzkammer Aachen, hat eine ungewöhnliche Rekonstruktionsmethode entwickelt.
Einer Grundregel der Konservierung ist, Fehlstellen neutral zu belassen, weil man nicht genau weiß, wie und was dargestellt war. Doch selbst wenn die ursprüngliche Darstellung bekannt ist, behindern die technischen Gegebenheiten der Textilherstellung häufig doch noch eine Restaurierung. Das Aufkommen von Fotodrucken auf Canvas in den letzten Jahren, die in vielen Fotogeschäften billig angeboten werden, ließ diese Idee aufkommen, damit eine schwer beschädigte Tapisserie wieder anschaubar zu machen.Es geht um den Wandteppich T 00814 aus dem Schatz des Aachener Domes, Teil einer Schenkung von Joseph I. anlässlich seiner Krönung als Römisch-Deutscher König im Jahr 1690. Ursprünglich angefertigt wurde der Teppich aber bereits 1687 für die Ungarische Königskrönung, ablesbar an dem überstickten „Rex Ungariae“ der anderen Tapisserien dieser Serie. Neben einem kompletten Doppelornat, einem Baldachin und einem Monstranzständer beinhaltete diese Schenkung auch diesen Tapisserie-Schmuck für die Wände des Chores. Der mittlere Teil einer Serie von fünf Teppichen misst etwa 100 x 484 cm und hat als abweichendes Zentralmotiv das Symbol Josephs I.: ein Schwert umwickelt von einer Olivenranke unter dem Allsehenden Auge Gottes. Wie alle anderen Teile besteht die Dekoration weiter aus einem Schriftband, gehalten von zwei Früchte und Kränze tragenden schreitenden Adlern, die den zugehörigen Wahlspruch: AMORE ET TIMORE (Liebe und Furcht) vermitteln. Links und rechts sind Frauenfiguren und Putten abgebildet, die sich allegorisch auf den Wahlspruch beziehen. An den Enden je eine Putte, links mit dem ungarischen Wappen und rechts mit österreichischem Bindenschild. Die Unterkante ist mit einem Wollstoff eingefasst. Die Webkante ist abgeschnitten. Der Teppich besteht aus Wolle, die in Leinwandbindung verwebt wurde. Die Kette ist weiß, mit etwa 7 Fäden pro cm. Die Schussfäden sind in den Farben dunkelbraun, rostbraun und ocker sowie verschiedenen Beigetönen verarbeitet, hier kamen 28-32 Fäden pro cm zum Einsatz (Abb. 1).
Das Rücklaken ist in sehr schlechtem Zustand. Das Gewebe hat offene Galen (horizontale Farbübergänge in Tapisserien, die im Fertigungsprozess manuell vernäht werden), ganze Partien aus Seide und dunkel gefärbter Wolle sind ausgefallen, rostige Nägel, Nagellöcher, Mottenreste, Schmutz und Flecken geben ein schadhaftes Bild wider. Besonders die durch Mäusefraß verursachten Löcher sind auffällig: Es sieht so aus, dass das Rücklaken aufgerollt war und dass eine oder mehrere Mäuse in diesem Ballen nisteten. Da sich die Nagetiere durch sechs Schichten genagt haben, gibt es im Teppich in der Größe abnehmende Löcher ungefähr alle 80 cm. Im linken Teil reichen die Fehlstellen bis an den Rand, womit der Zusammenhang des Teppichs völlig verloren ging (Abb. 2).
Die Tapisserien dieser Serie sind alle fast fünf Meter in der Breite. Damit passen sie nicht zwischen die Pfeiler des Polygons des Aachener Domes, sie konnten nur an die zwei geraden Wände beidseitig des Chores gehängt werden. Das zentrale Teil ist wahrscheinlich nicht häufig zum Einsatz gekommen. Damit könnte man ein separates Aufbewahren erklären, denn diese eine Tapisserie ist beschädigt. Wann dies passierte, ist unklar. Beim ersten Sichten im Jahr 1990 war kein fauler Tiergeruch mehr vorhanden, der Mäusebefall muss länger zurück liegen. In Faymonvilles „Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen“ (Karl Faymonville, Düsseldorf, Schwann, 1916, S. 172) von 1916, ist aber davon noch nicht die Rede. Zur Reinigung des Objektes kam der Staubsauger zum Einsatz, eine Wäsche kam u.a. wegen des fragilen Zustands nicht in Frage. Als Unterstützung und optischen Schließung der Fehlstellen wurde nicht, wie häufig üblich, ein Leinengewebe in einem Mittelton der Farbskala des Teppichs gefärbt. Die Größe der Fehlstellen würde durch diese Art der Rekonstruktion noch betont. Da mehrere Tapisserien mit fast identischem Muster vorhanden sind, konnte ein Fotodruck auf Canvas, welches die richtige Struktur besitzt, die Lücken auf passendere Weise schließen.