02.06.2023

Branchen-News Forschung Porträts

Bernd Pappe im Interview: Die Welt der Miniaturmalerei

von Martin Miersch
Bildnisminiaturen wurden je nach Verwendung unterschiedlich gefasst, etwa als Schmuck von Tabakdosen (oben links), als Anhängemedaillons (oben Mitte und oben rechts), oder als Wandschmuck (unten Mitte). Foto: privat
Bildnisminiaturen wurden je nach Verwendung unterschiedlich gefasst, etwa als Schmuck von Tabakdosen (oben links), als Anhängemedaillons (oben Mitte und oben rechts), oder als Wandschmuck (unten Mitte). Foto: privat

Er ist ein Spezialist für die Restaurierung von Bildnisminiaturen: Dr. Bernd Pappe. RESTAURO traf den Experten in seinem Atelier in Bern. Unten im Video sehen Sie den Restaurator und Kunsthistoriker

Dem Interesse für Miniaturporträts haftet auch heute noch ein Hauch von Exklusivität an. Nur wenige Museen zeigen ihre Bestände an Miniaturen, und es gibt eine sehr überschaubare Anzahl von Sammlern und Kunsthistorikern, die sich für dieses Spezialgebiet interessieren. Hervorgegangen aus der mittelalterlichen Buchmalerei, setzte im 16. Jahrhundert in verschiedenen europäischen Ländern eine wachsende Produktion von kleinformatigen Porträts ein, die ihre größte Nicht zuletzt wegen der aufkommenden Fotografie fand die Blütezeit der Porträtminiatur in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein abruptes Ende.

Frühe Miniaturen wurden auf Kupfer, Papier oder Pergament gemalt, oder man wählte die zwar besonders schwierige, aber dafür Dauerhaftigkeit versprechende Emailtechnik. Um 1700 entdeckte man Elfenbein als idealen Bildträger für Porträtminiaturen. Zuerst in Venedig eingesetzt, war es bald auch in England, Deutschland und Holland sehr beliebt. Hauchdünne Elfenbeinblätter sind zwar aufwendiger in der Herstellung, kommen jedoch der optischen Wirkung menschlicher Haut erstaunlich nahe. Inkarnatpartien wurden deshalb durchscheinend mit Aquarellfarbe gemalt, während deckende Gouache-Farben im Bereich der Kleidung und des Hintergrunds eingesetzt wurden. Damit die Farbe besser hält, wurde die Oberfläche vor der Bemalung mit Schleifpulver leicht aufgeraut. Miniaturen wurden durch ein leicht bombiertes Deckglas geschützt und auf Dosen oder auf Schmuckstücke wie Ringe, Armbänder oder Broschen appliziert. Da Miniaturen so feinteilig sind und unterschiedlichste Materialien vereinen, stellen sie für den Restaurator komplexe Anforderungen. Dr. Bernd Pappe ist ein Spezialist für die Restaurierung von Bildnisminiaturen. RESTAURO traf den Experten zum Interview in seinem Atelier in Bern.

RESTAURO: Herr Pappe, was sind die ersten Schritte bei der Untersuchung einer Miniatur?
Dr. Bernd Pappe: „Zuerst wird eine Zustandsaufnahme gemacht. Das heißt, jedes Element einer Miniatur wird auf seinen Erhaltungszustand hingeprüft. Da bei Miniaturen die Malerei und der Rahmen eine Einheit bilden, gehört auch die Untersuchung des Rahmens dazu, etwa die Prüfung seiner Stabilität oder der Art des Deckglases. Bei der Untersuchung der Malerei ist ein Mikroskop oder, hat man das nicht zur Verfügung, eine Uhrmacherlupe notwendig. Unerlässlich ist die Betrachtung der Oberfläche im Streiflicht. Dadurch erst werden beispielsweise lose Farbschichtbereiche oder Schimmelbüschel wahrgenommen. Jede Miniatur benötigt anschließend ihre individuellen Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Der Zustand und die ins Auge gefassten Schritte werden mit dem Kunden besprochen. Manchmal muss ich auch darauf hinweisen, dass gewisse Wünsche nicht erfüllt werden können, etwa wenn vom Kunden ein früherer Erhaltungszustand der Malerei rekonstruiert werden soll, der nur auf Vermutungen basiert.“

Restaurator und Kunsthistoriker Dr. Bernd Pappe: Die feinteiligen Werke erfordern ein minuziöses Arbeiten am Mikroskop. Foto: privat
Restaurator und Kunsthistoriker Dr. Bernd Pappe: Die feinteiligen Werke erfordern ein minuziöses Arbeiten am Mikroskop. Foto: privat
Miniaturendeckgläser sind in der Regel leicht bombiert, damit sie die Malerei nicht verflecken oder darauf festkleben. Ein häufiges Schadensphänomen sind sogenannte ‚weinende‘ Deckgläser (rechts). Foto: privat
Miniaturendeckgläser sind in der Regel leicht bombiert, damit sie die Malerei nicht verflecken oder darauf festkleben. Ein häufiges Schadensphänomen sind sogenannte ‚weinende‘ Deckgläser (rechts). Foto: privat

Sie konservieren und restaurieren vor allem Miniaturen auf Elfenbein. Ein großes Problem sind verwellte Miniaturen. Wie können diese behandelt werden, damit sie wieder problemlos in den ursprünglichen Rahmen eingefügt werden können?
„Das Problem ist hier, dass Elfenbein im Alter an Volumen verliert; es schwindet. Die nur etwa einen halben Millimeter dicken Elfenbeinblätter ein Papierblatt geklebt. Das Elfenbeinblatt schwindet im Alter, das Papier hingegen nicht. Dadurch verformt sich der Bildträger konkav. Ist er im Rahmen flach fixiert, was fast immer der Fall ist, befreit sich das Elfenbeinblatt von den Spannungen nicht selten durch Reißen. Ein konservatorisch wichtiger Schritt ist deshalb das Ablösen der Rückseitenbeklebung vom Elfenbeinblatt. Danach legt es sich oft von selbst wieder plan. Beim Restaurieren von Rissen wird das Elfenbeinblatt auf neutrales Papier gelegt und nur entlang der Risslinie fixiert. Besonders wichtig – und anspruchsvoll – ist dabei das präzise Aneinanderfügen der Bruchteile.“

Dr. Bernd Pappe spezialisierte sich nach seiner Ausbildung zum Gemälderestaurator in der Konservierung und Restaurierung von Porträtminiaturen auf Elfenbein. Sein anschliessendes Studium in Kunstgeschichte schloss er mit der Dissertation zum Miniaturmaler Jean-Baptiste Jacques Augustin (1759–1832) ab. Er arbeitet freiberuflich als Restaurator und Kunsthistoriker in Bern.

 

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Einblicke in die Bedeutung und Entwicklung der europäischen Bildnisminiatur sehen Sie im Video am Beispiel der Sammlung Tansey. Seit 1998 ist Dr. Bernd Pappe mit der Sammlung verbunden. Der Berner Restaurator und Kunsthistoriker spricht im Film über seine Arbeit. Erfahren Sie hier mehr zu Erforschung, Fotografie und digitalen Präsentation von Bildnisminiaturen

 

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