Die geborgenen Malereifragmente stammen aus dem 2./3. Jahrhundert – es sind elegante Raumdekorationen von besonderer Qualität und künstlerischem Können. „Das Haus der Medusa“, wie das einstige Wohngebäude genannt wird, aus dem die farbig verzierten Überreste stammen, trägt seinen Namen der drei Freskobildnisse wegen, die mit dem Gesicht der Medusa bemalt sind. Ursprünglich waren wohl alle Decken-Medaillons mit diesem Bild geschmückt. Denn in der Antike galt das von Perseus geköpfte Haupt dieses schönen Monsters als unheilabwehrend.
Die Räumlichkeiten des Hauses wurden über das gesamte 3. Jahrhundert hinweg bewohnt, da die betreffenden Zimmer in vier Ausstattungsphasen, davon drei mit bunten Malereien, geschmückt sind. Ein luxuriöses Haus also, das mit Bodenheizung ausgestattet war und die Präsentationsräume gegen Süden ausgerichtet hatte. Vermutlich war es das Haus eines höherrangigen Offiziers.
Aus der Erde in die Vitrine
Das Kunsthistorische Museum Wien eignet sich mit seiner herrschaftlichen Präsenz, die an den antiken Städtebau anlehnt, sehr gut als Kulisse für das Medusenhaus. Der Eingang im linken Flügel des Mittelgeschosses führt in die zwei Räume der Ausstellung. Der Erste veranschaulicht den Werdegang der Fragmente von ihrem Fundort bis ins Museum. Der dahinterliegende Raum präsentiert die restaurierten, antiken Kunstwerke auf unterschiedliche Weise. Der Spannungsaufbau gelingt hier, indem den Museumsbesuchern die echten Schätze vorerst noch vorenthalten werden. Es wird mit Texten, Fotos, Film, Licht und den historischen Originalen ein abwechslungsreiches Ganzes gebildet. Bemerkenswert ist, dass u. a. auch Fragmentbilder in Mörtel und Putz gebettet und in massiven Alurahmen an den Wänden platziert sind. Ohne das schützende, aber auch trennende Glas kann man als Besucher der Antike unfassbar nahe sein und dem Abbild der Medusa direkt in die Augen sehen.
Ein Kurzfilm zeigt die umfangreiche Auseinandersetzung mit den antiken Fragmenten, deren naturwissenschaftliche, konservierungswissenschaftliche und archäologische Aufarbeitung 2013 im österreichischen Bundesdenkmalamt begann. Fast trickfilmhaft wird die Reise der Wandmalereien dargestellt, deren große historische Bedeutung als überlieferter Bestand Schritt für Schritt ersichtlich wurde: Zu Beginn die Ankunft der Funde in 42 Euroboxen, schließlich das Sortieren und Zusammensetzen der Fragmente durch puzzeln anhand lebendiger Arbeitsfotos. Der Film endet mit einem virtuellen Besuch des rekonstruierten Hauses, in das die Decken- und Wandmalereien eingegliedert sind. Er zeigt den hohen Grad des arbeitstechnischen Könnens und der konservatorischen Professionalität. Ein 30.000 Teile Puzzle würde vor Neid erblassen.
Ein Unikat in der Provinz Noricum
Die beachtlichste Ausstattung dieses Hauses findet sich in der 3. Übermalungsphase. Das polychrome Architektursystem und die figürliche Ausschmückung, die damals die Räume zierte, sind für die Provinz Noricum bisher singulär. Die Farbgewaltigkeit betört fast genau so, wie sie es damals getan hat. Auf einfache und anschaulich Weise werden Werktechniken serviert, die gut nachvollzogen werden können. Einstichlöcher der Zirkel beispielsweise sind auf den Wandmalereifragmenten gut sichtbar und eine Zeichnung des Schichtaufbaus zeigt die gestalterische Entwicklung der Architekturelemente. In der Mitte des Raumes, direkt über den Köpfen der Besucher ist eine Kopie der Deckenausstattung samt Medusenköpfen platziert. So blickt man stehend hinunter auf die historischen Fresken, hinauf an die schwebende, bunte Decke und versteht so den Zusammenhang der Einzelteile als ein großes Ganzes.
Die Ausstellung ist noch bis 8. April im KHM Wien zu bestaunen und wandert danach zurück in die Heimat Enns. Dort im Museum Lauriacum können die Kunstwerke quasi in situ besichtigt werden. Zeitreisen werden in Wien durchaus viele angeboten, doch kaum eine ist so authentisch – es lohnt sich.
Mehr über das Haus der Medusa lesen Sie auch im FOKUS-DENKMAL–Projektband.
Weitere Informationen zum archäologischen Kontext und den restauratorischen sowie konservatorischen Maßnahmen zeigt ein Video.