12.09.2022

Blick hinter die Kulissen

Kuratorin Dr. Eva-Maria Bongardt (Diözesanmuseum St. Afra, Augsburg) im Depot vor der notgesicherten Tafel der Hl. Kathatrina Hl. Katharina (Schwaben, 1470/80). Foto: RESTAURO
Kuratorin Dr. Eva-Maria Bongardt (Diözesanmuseum St. Afra, Augsburg) im Depot vor der notgesicherten Tafel der Hl. Katharina (Schwaben, 1470/80). Foto: RESTAURO

Mit der Sonderschau „KEBAB – Kulturgut erhalten, bewahren, ausstellen, begreifen“ (11. September bis 4. Dezember 2022) gibt Kuratorin Dr. Eva-Maria Bongardt erstmals Einblick hinter die Kulissen des Diözesanmuseums St. Afra in Augsburg und sensibilisiert für die Restaurierungswissenschaften. RESTAURO traf Eva-Maria Bongardt im Vorfeld der Ausstellung im Depot

„KEBAB – Kulturgut erhalten, bewahren, ausstellen und begreifen“ – so lautet der Titel der aktuellen Ausstellung im Diözesanmuseum St. Afra in Augsburg (11. September bis 4. Dezember 2022). Kuratorin Dr. Eva-Maria Bongardt initiierte die Schau, die erstmalig einen Blick hinter die Kulissen des Museums und der Restaurierungswissenschaften präsentiert. „Lange habe ich ehrenamtlich für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gearbeitet und während meines Studiums das Ortskuratorium
Bochum/Dortmund unterstützt“, erklärt die Kunsthistorikerin. „Das Thema Kulturguterhaltung hat mich schon immer interessiert.“ Auch in ihrer Dissertation stand daher der Erhaltungsaspekt im Fokus: Die bildnerische Ausstattung der entwicklungsgeschichtlich bedeutenden Hallenkirche St. Maria zur Höhe in Soest untersuchte Eva-Maria Bongardt unter Berücksichtigung neuester restauratorischer Erkenntnisse. 

yxis aus Elfenbein mit stark gewölbtem Deckel, siculo-arabisch, zweite Häfte 13. Jh., Elfenbein. Foto: RESTAURO
yxis aus Elfenbein mit stark gewölbtem Deckel, siculo-arabisch, zweite Häfte 13. Jh., Elfenbein. Foto: RESTAURO
yxis aus Elfenbein mit stark gewölbtem Deckel, siculo-arabisch, zweite Häfte 13. Jh., Elfenbein. Foto: RESTAURO
Foto: RESTAURO
yxis aus Elfenbein mit stark gewölbtem Deckel, siculo-arabisch, zweite Häfte 13. Jh., Elfenbein. Foto: RESTAURO
Foto: RESTAURO

Mit der Schau „KEBAB“ möchte Eva-Maria Bongardt sensibilisieren, was restaurieren bedeutet. „Im musealen Bereich wird vor
allem gereinigt und der Zustand so gefestigt, dass man das Objekt lesen kann. Restaurieren bedeutet nicht, das Objekt in neuem Glanz erstrahlen zu lassen“, betont Eva-Maria Bongardt. Die Besucher:innen erfahren darüberhinaus mehr über die unterschiedlichen Gattungen und Materialien wie Holz, Metall, Textil, Papier und Elfenbein sowie deren Schäden und Bedrohungen durch falsche Handhabungen oder ungünstige klimatische Verhältnisse. 

Rund ein Prozent des Bestandes im Diözesanmuseum St. Afra (Augsburg) in Display

 

Die Kuratorin nimmt den eigenen Bestand in den Blick und zeigt anhand von rund 20 Objekten die konservatorische Arbeit in einer Museumsinstitution. So präsentieren Museen nur einen sehr kleinen Bruchteil ihres Bestandes. „Rund ein Prozent davon haben wir im Display“, erläutert Eva-Maria Bongardt. Bei anderen Museen läge dieser Schnitt sogar noch darunter, weiß die Augsburger Kuratorin. „Denn viele Objekte im Depot sind gar nicht in dem Zustand, dass man sie direkt zeigen kann. Hier ist unsere Aufgabe, den Status quo zu erhalten, damit sich bestehende Schäden nicht vergrößern.“ Restaurieren sei häufig eine Budgetfrage, erklärt Eva-Maria Bongardt. „Nicht immer können wir dringend notwendige konservatorische und restauratorische Maßnahmen vornehmen lassen. Das wird erst dann virulent, wenn ein bestimmtes Objekt für eine Schau benötigt wird.“ Bei einer Dauerausstellung und wechselnden Ausstellungen habe man grundsätzlich wenig Gelegenheit, Schätze aus dem Depot herauszuholen, führt die Kuratorin weiter aus.

Schmuckkästchen, Augsburg, um 1600, Laubholz, Silberfolie, Zwischgoldfolie, Eisen, feuervergoldet, Glassteine. Fragmentarischer Zustand. Foto: RESTAURO
Schmuckkästchen, Augsburg, um 1600, Laubholz, Silberfolie, Zwischgoldfolie, Eisen, feuervergoldet, Glassteine. Fragmentarischer Zustand. Foto: RESTAURO
Schmuckkästchen, Augsburg, um 1600, Laubholz, Silberfolie, Zwischgoldfolie, Eisen, feuervergoldet, Glassteine. Fragmentarischer Zustand. Foto: RESTAURO
Foto: RESTAURO

Diesen Weg hat zum Beispiel die Skulptur des Hl. Wolfgang (um 1500, schwäbische Werkstatt) im Rahmen des aktuellen Ausstellungsprojekts geschafft. „Die qualitätvolle gotische Figur, ein Hauptstück der Schau, war in einem erbärmlichen Zustand“, erklärt Eva-Maria Bongardt. Seit diesem Frühjahr wird der Hl. Wolfgang, ein Zeitgenosse des Bischofs Ulrich von Augsburg (923–973), einer der bedeutendsten Volksheiligen, nun von Maria Winner im Hinblick auf das große Ulrich-Doppeljubiläumsjahr 2023/2024 (1100 Jahre Bischofsweihe und 1050 Jahre Tod des Hl. Ulrich) restauriert. 

Restaurator:innen wirkten an der Ausstellung mit

 

An sechs Sonntagen wird die Restauratorin während der Laufzeit der Ausstellung in einer speziell eingerichteten Schauwerkstatt vor Ort arbeiten. Besucher:innen dürfen dann der Expertin über die Schulter schauen und Fragen stellen. „Wir wollen den Restaurierungsprozess zeigen“, erklärt Eva-Maria Bongardt. „Über die Vordokumentation und Restaurierung alter Überfassungen haben wir bereits Filmclips gedreht.“ Die Restaurator:innen Maria Winner (Gemälde und Skulpturen), Stephan Rudolf (Metall), Gerhard Roth (Stein), Sabine Schwarz (Elfenbein), Theresia von Waldburg (Textilien) und Tanja Wimmer (Papier) wirkten an der Ausstellung mit und werden zu ihrem Fachgebiet eine Führung geben. „Die Restaurator:innen habe ich zu einem Rundgang ins Depot eingeladen“, erläutert Eva-Maria Bongardt. „Zusammen haben wir spannende Objekte, ausgesucht, an denen wir verschiedene Schadensbilder quer durch die Gattungen zeigen. Was haben die Objekt im Laufe der Zeit erlebt?“.  

Thronende Maria mit Kind, Bayern, 1220/50, Holz dreiviertel rundgeschnitzt, gefasst. Spuren von ehemaligem Anobienbefall und Brandschaden an der Hand unter der Fassung. Foto: RESTAURO
Thronende Maria mit Kind, Bayern, 1220/50, Holz dreiviertel rundgeschnitzt, gefasst. Spuren von ehemaligem Anobienbefall und Brandschaden an der Hand unter der Fassung. Foto: RESTAURO
Foto: RESTAURO
Thronende Maria mit Kind, Bayern, 1220/50, Holz dreiviertel rundgeschnitzt, gefasst. Spuren von ehemaligem Anobienbefall und Brandschaden an der Hand unter der Fassung. Foto: RESTAURO

Zum ersten Mal wird daher eine künstlerisch hochwertige Holzmadonna (Bayern, 1220/50) in der Schau zu sehen sein, die einen besonderen Schaden, und zwar einen Brandschaden unter der Fassung, aufweist. Sie kam aus dem Kunsthandel ins Museum und wurde schon einmal restauriert. Wie technisch höchst anspruchsvoll ein Augsburger Schmuckkästchen (um 1600) ist, weiss Eva-Maria Bongardt durch die enge restauratorische Zusammenarbeit. Es war ursprünglich mit einer dünnen Silberfolie belegt und zeigt die Problematik der Haftung von Metall auf tierischen Leimen. Wissen über das Material Elfenbein vermittelt eine Pyxis aus dem 13. Jahrhundert. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Elfenbein nicht allzu zuviel Luftfeuchtigkeit auszusetzen. Die Rückformung des gewölbten
Deckels ist leider auch bei einer Restaurierungsmaßnahme irreversibel. Die Tafel der Hl. Katharina (Schwaben, 1470/80) ist beidseitig bemalt und schon ewig im Bestand. Momentan  ist sie allerdings nur mit Japan-Papier notgesichert. An ihr werden verschiedene Techniken wie Pressbrokat gezeigt. Kuratorin Eva-Maria Bongardt war es wichtig, das hochspezialisierte Wissen der Restaurator:innen zu präsentieren. Daher sind die Objekttafeln von den Restauratorinnen selbst geschrieben und jeweils namentlich kenntlich gemacht – für die Sichtbarmachung der wissenschaftlichen Leistungen von Restaurator:innen in einer Ausstellung auf jeden Fall ein sehr innovativer Ansatz. 

Lesen Sie weiter in der RESTAURO 6/2022, die Mitte September 2022 erscheint.

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